Das Stück lebt

Heute war die Hauptprobe für die „Piraten“, die letzte Probe vor der Generalprobe. Und es gibt immer noch Änderungen. „Das Stück lebt!“ – so kündigte Holger die neue Ergänzung an. Na, es wird ja auch Zeit. Mittwoch ist die letzte Chance, etwas einzubauen. Aber wie ich uns kenne, wird unmittelbar vor der Vorstellung noch wieder was geändert.

Die Probe war unbefriedigend. Lag das am Glas Sekt, das Jörg aus Anlass seiner endgültigen Aufnahme in den Chor ausgegeben hatte? Es herrscht eigentlich absolutes Alkoholverbot vor Proben und Auftritten. Ja, so streng sehen wir das!

Was war denn heute passiert?: Die Technik lief nicht so wie sie sollte. Jemand hatte die Einstellungen auf dem CD-Player verändert. Bis ich das herausgefunden, hatte begannen alle Einspielungen erst ab der 30. Sekunde. Ich bekam noch mehr graue Haare. Zum Schluss passierte mir noch ein grober Patzer: Für das letzte Stück hätte ich die CD wechseln müssen. Auf meinem Plan stand für dieses Stück Track 7, der war auch auf der 1. CD, nur war es dort ein falsches Stück. Mir war das bekannt, hatte aber nicht mehr daran gedacht. Lag es am Sekt?

Die Sänger hatten auch ein paar Probleme: Die Choreographie klappte teilweise nicht und es gab immer noch Textlücken!

Nach der Probe gab es innerhalb der Programmgruppe noch Diskussionen über eventuelle weitere Änderungen und Ergänzungen. Auch mit Marcus, der einen wichtigen Part spielt, wurde diskutiert. Es gab verschiedene Meinungen über die Art seines Auftritts. Man merkte allen Beteiligten die Nervosität an. Es endete – jedenfalls für uns – damit, dass Bernd aufgebracht den Raum verliess. So kannte ich meinen Mann überhaupt nicht. Da mich das alles nichts angeht, (dafür haben wir schliesslich die Programmgruppe) verabschiedete ich mich und fuhr mit Bernd nach Hause.

CSD in Lübeck


44 Jahre meines Lebens habe ich in Lübeck gewohnt. In dieser Stadt bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier habe ich meine Berufsausbildung gemacht, ein Haus gekauft. In Lübeck wurde mein Liebstes geboren: Hier kam Oliver auf die Welt. In Lübeck begann die Veränderung meines Lebens, ein neuer Lebensabschnitt begann.

Lübeck hatte heute den ersten CSD. Ich wollte gerne mal sehen, was hier auf die Beine gestellt wird. Kenne ich vielleicht sogar einen der Teilnehmer?

Auf unserem Weg zum Startplatz trafen wir Melli – Olivers Freundin – mit ihrer Mutter. Die ist ja nett! Es war das erste Mal, dass wir ein Familienmitglied von Melli kennen lernten.

Kurz vor dem Beginn der Parade waren wir am Startplatz. 14 Gruppen waren angekündigt. Aber es sah alles etwas dürftig aus. 3 grosse Trucks waren zu sehen und 2 rein kommerzielle Fahrzeuge, die nur Werbung machten. Ein Wagen mit Anhänger war dabei, leider war nicht zu erkennen, welche Gruppe damit demonstrieren wollte. Vertreten war auch die PDS. Dazu kamen noch ein paar Fussgruppen. Also alles „sehr übersichtlich“. Etwas originelles war leider nicht dabei.

Erstaunt waren wir allerdings über die Anzahl derer, die sich dem Zug anschlossen. Das war doch schon beeindruckend. Und wir waren nicht die einzigen Hamburger, auch das war überraschend.

Die Parade zog ihren Weg durch die Lübecker City, die zur Mittagszeit mit Touristen und Einheimischen gut besucht war. Ich habe jedoch meine Zweifel, ob die Mehrheit der Zuschauer überhaupt wusste, um was es hier ging. Man musste nämlich schon sehr genau hinsehen um festzustellen, dass hier Schwule und Lesben eine Demonstration veranstalteten. Etwas mehr Mut wäre von Vorteil gewesen. Vermutlich kennen die Wenigsten die Bedeutung der Regenbogenflagge, die allerdings reichlich vorhanden war.

Das Strassenfest erwies sich als eine Art Dorffest. Die angekündigte Schlemmermeile bestand aus einem Wurstgrill, einem Stand mit Pommes und Champignon-Pfanne und einem Kuchenbuffet. Die 4 Getränkestände rechne ich nicht der Schlemmermeile zu. Ein Mädchen am Bierstand war mit dem Zapfen sichtlich überfordert. Wie sollte das erst werden, wenn die Teilnehmer der Parade eintreffen. Eine Hüpfburg gab es auch. Hat die was mit dem Klischee von albernen Tunten zu tun?

Bernd und ich standen etwas verloren herum, Arm in Arm, gelegentlich tauschten wir kleine Zärtlichkeiten aus. Plötzlich bedankte sich eine ältere Dame für ein Foto, das sie von uns gemacht hatte. Einen Moment unterhielten wir uns, d.h. eigentlich war es so, dass sie uns unterhielt. Sie erzählte uns, wo sie wohnt und dass da auch solche wohnen wir „Ihr“. Und das ist doch gar nicht schlimm und es ist so schön, dass alles offener geworden ist. Und ihr Arzt hat ihr erzählt, es liegt an den Genen und jeder hat diese Gene usw. usw. Puh, tief Luft holen als sie weg war, aber es war ja nett gemeint.

Endlich strömten die Leute zusammen, die Parade war beendet. Wir beobachteten noch eine Weile das Treiben, grüssten einige Bekannte, die wir aus Hamburg kannten. Mit dem kleinen Harald unterhielten wir uns kurz, belanglos: Ach, Ihr auch hier?! Von meiner Zeit aus Lübeck kannte ich niemand. Der Aha-Effekt blieb aus – von wegen: Ach der auch, hätte ich nicht gedacht.

Uns hielt hier nichts mehr. Wir machten uns auf den Weg zurück nach Hamburg und waren froh, wieder in unserer kleinen Bärenhöhle zu sein.

Absturz

Wir sassen beide am Computer als wir in der Stube das Geräusch eines gegen die Scheibe fliegenden Vogels hörten. Ich ging zum Balkon und sah gerade noch, wie ein Dompfaff-Männchen auf das Dach flog. „Glück gehabt“ dachte ich. Ich wollte mich gerade umdrehen und wieder reingehen als ich auf der Lehne eines Balkonstuhls das Dompfaff-Weibchen sitzen sah. Das wir dann doch etwas merkwürdig. Ich schaute noch etwas genauer: Ein junger Dompfaff sass regungslos auf dem Stuhl. Er musste gegen die Scheibe geflogen sein. Er stand noch auf seinen Beinen. Das gab uns Hoffnung, dass nichts schlimmeres passiert war. Das Weibchen war dann irgendwann verschwunden. Wahrscheinlich sass es auf dem Dach. Von dort hören wir ein leises Piepen. Es versuchte wohl, das Junge zu locken. Wir mussten aufbrechen zu einer weiteren Chorprobe und konnten uns nicht weiter um die Vögel kümmern.

Als wir spät abends nach Hause kamen war unser erster Weg zum Balkon. Das Junge war zum Glück weg – nur eine Hinterlassenschaft lag auf dem Stuhlkissen.

Chorwochenende

Freitag, 21.6.2002 – Sonntag, 23.6.2002

Die Chorwochenenden finden 2 Mal im Jahr statt. Sie dienen der musikalischen Weiterbildung und der Festigung der Gemeinschaft.

Dieses Chorwochenende stand unter dem Zeichen intensiver Proben für unsere Premiere in 2 Wochen.

Freitag

Anreise nach Lütjenweststedt, ein Dorf nördlich von Hamburg zwischen Rendsburg und Itzehoe, war am Freitag Nachmittag. Untergebracht waren wir im Seminarhaus Engelland, ein ehemaliges Dorfgasthaus. Dazu gehört ein grosser Saal, der in früheren Zeiten den Tanzveranstaltungen diente, und ein uriger Garten. Die Verpflegung wird immer eigener Regie arrangiert, d.h. sämtliche Lebensmittel und Getränke müssen mitgebracht werden. Und wir müssen selbst kochen, Tisch decken, usw. Bernd und ich schliefen in einem 2-Bett-Zimmer, dem einzigen mit eigener Dusche und WC. Leider hatten wir einzelstehende Betten.

Unsere erste Probe war am Freitag Abend um 20.00 Uhr. Matthias, unser Chorleiter arbeitete noch ein paar Feinheiten heraus. Ausserdem wurde an einigen Choreographien gefeilt. 2-1/2 Stunden dauerte die Probe.

Anschliessend wurden dicke Kissen in die Saalmitte gelegt und Getränke bereitgestellt. Ein paar von uns legten sich auf die Kissen und unterhielten sich. Andere gingen schon schlafen. Der Abend endete also sehr gemütlich.

Samstag

Samstag Morgen gab es ein reichhaltiges Frühstück. Leider störten die vielen Fliegen. Frech liessen sie sich auf der Wurst und auf dem Käse nieder. Bernd und ich hielten uns dann doch lieber an Marmelade, die in geschlossenen Gläsern auf dem Tisch stand.

Für Heute waren 3 Proben angesetzt, eine Vormittags und 2 Nachmittags. In den ersten beiden Proben ging es wieder darum, ein paar Verbesserungen herauszuarbeiten und Choreograpie zu üben. Ich hörte mir alles an und machte mir dabei Gedanken über die Lichteffekte für unsere Aufführung.

In der 3. Probe wurde das neue Stück das erste Mal durchgehend im Kostüm geprobt. Dabei war ich mein Einsatz gefragt: Einige Übergänge zwischen den Stücken werden von CD eingespielt und ich muss dafür sorgen, dass sie zum richtigen Zeitpunkt abgespielt werden. Die Probe verlief zufriedenstellend, zeigte aber doch noch ein paar Schwachpunkte auf, die bis zur Premiere noch behoben werden müssen. Leider war mein Platz hinter dem Chor. Zu gerne hätte ich diese erste „Aufführung“ als Zuschauer beobachtet. Ich glaube, das neue Stück wird Erfolg haben.

Um 20.00 Uhr begann der „Festabend“ mit einen Menü, zubereitet von Armin: Gazpacho, Zürcher Geschnetzeltes und zum Nachtisch Mousse au Chocolat. Hajo hatte sich für diesen Abend besonders herausgeputzt: Mit Perücke, Minirock, Pumps, Strumpfhose und einem Body, der unter seiner Brust zu Ende war, machte er auf billige Nutte.

Kurz vorher kam Sebastian, unser Pianist, aus Hamburg mit einer positiven Neuigkeit zurück: Er wird 2. Musikalischer Leiter für das Abba-Musical „Mamma Mia“, das zum Ende des Jahres im Hamburger Operettenhaus Premiere haben wird.

Lieber Sebastian, herzlichen Glückwunsch!

Nach dem Essen begann der gemütliche Teil. Es bildeten sich kleinere Gruppen, die sich unterhielten. Aref kündigte für 22.00 Uhr eine Darbietung an.

Alle fanden sich rechtzeitig wieder ein und setzten sich auf die bereitgestellten Stühle. Aref erklärte uns, worum es ging: Improvisationstheater „Half Time“ mit 4 Personen, mit dabei Aref, Hajo, Harald und Holger. Jemand aus dem Publikum sollte einen Ort und ein Jahr für die Handlung bestimmen. Die Stichworte waren Puff und 1930. Die 4 Beteiligten beratschlagten sich kurz und begannen kurz darauf mit ihrer Vorführung. Worum es dabei ging überlass ich der Phantasie des Lesers. Der Sketch dauerte wenig mehr als eine Minute, wurde dann in der Hälfte der Zeit wiederholt und noch 2 Mal um jeweils die Hälfte reduziert. Der letzte Auftritt dauerte nur wenige Sekunden. Die 4 Darsteller stürzten zusammen auf die Spielfläche, einen Dialog gab es nicht mehr, es gab nur noch die auf ein Minimum reduzierte Handlung. Die Zuschauer konnten sich vor Lachen kaum auf den Sitzen halten. Hajo, immer noch in seinem Kostüm (deshalb wohl auch das Stichwort Puff), passte hervorragend in diese Improvisation.

Jemand fragte: Wo war denn der Dialog? Hajos schlagfertige Antwort: „Wir haben den Originaldialog genommen und weggelassen.“

Als sich alle wieder beruhigt hatten, wurden wieder die Kuschelkissen auf den Boden gelegt. Bernd und ich fanden uns dort mit einer kleinen Gruppe zusammen, kuschelten, erzählten dies und das und irgendwann auch Witze. Dazu tranken wir Wein.

Wir hörten, dass in der Küche ein Gruppe stand, die über politische Themen diskutierten, andere standen oder sassen an verschiedenen anderen Orten und unterhielten sich. Gegen 02.00 Uhr morgens gingen Bernd und ich schlafen.

Sonntag

Nach dem Frühstück, wieder mit vielen Fliegen als „Mitesser“, trafen sie die Sänger im Garten zu Entspannungsübungen und zum Einsingen für die angesetzte 3. Probe. Die Änderungen wurden vorher erklärt, damit sie in der Probe entsprechend berücksichtig werden konnten. Alles lief, dem Probenstand entsprechend, zufriedenstellend.

Danach begann das grosse Aufräumen. Ca. um 14.00 Uhr fuhren wir nach Hause und waren froh wieder unter uns zu sein und nur uns beide zu haben.

Abends schliefen wir glücklich zusammen in unserem grossen Bett.

Zu früh gefreut

Es sollte der wärmste Juni-Tag seit Jahrzehnten werden. Es wurde auch sehr warm. Ich freute mich schon darauf, den Abend auf dem Balkon verbringen zu können.

Zuerst musste ich aber noch meine Emaileingänge prüfen und teilweise beantworten. Obwohl ich aus dem Fenster noch den blauen Sommerhimmel sehen konnte, wurde es im Zimmer immer dunkler. Oliver berichtete mit ICQ aus Flensburg, dass es dort so dunkel ist, dass sich die Strassenbeleuchtung eingeschaltet hat, und es war erst 19.00 Uhr!

Ich musste jetzt erst Mal die Wetterlage hier in Hamburg kontrollieren. Vom Balkon konnte ich sehen, dass von Westen eine schwarze Wolkenwand näher kam. Es sah nicht danach aus, dass ich auf dem Balkon noch ein Eis essen könnte. Oliver unterrichtete mich jede Minute über das Wetter in Flensburg. Dort blitzte und donnerte es inzwischen. Hier war der Himmel noch blau, aber die schwarze Wand kam immer näher. In Flensburg war bereits das Unwetter ausgebrochen. Lange würde es hier auch nicht mehr dauern. Und dann brach es auch hier los: Es kam eine Sturmboe, es blitzte und donnerte, es hagelte und das Wasser fiel vom Himmel. Mein Eis konnte ich vergessen.

Ein kleiner Schatz

Wie immer montags war heute Chorprobe. Nach der Arbeit eilte ich nach Hause. Bernd musste heute bereits um 19.30 Uhr zur Probe, d.h. um 19.00 Uhr mussten wir spätestens los. Da es ein warmer Tag war, wollte ich eine kurze Hose anziehen, eine bestimmte. Aber wo war sie nur? Ich vermutete, dass ich sie schon in den Wäschekorb gelegt hatte. Also musste es ein andere Hose sein, im Schrank lag noch meine rote kurze Hose.

Als wir am MHC eintrafen, sassen schon einige Sänger vor dem Café, tranken etwas erfrischendes und unterhielten sich. Bernd und ich gesellten uns dazu, Sitzplätze gab es nicht mehr. Irgendwann steckte ich eine Hand in die Hosentasche und fühle dort ein Stück Papier. Neugierig geworden, was es sein könnte – die Hose hatte ich seit dem vorigen Sommer nicht mehr angehabt – holte ich es hervor. Meine Überraschung war gross: Ich hatte einen 100-Mark-Schein in der Hand! Mir war bekannt, dass man D-Mark noch bis zu einem bestimmten Termin bei der Landeszentralbank in Euro umtauschen kann. Aber bis wann? Unser Kassenwart Sebastian wusste, dass es noch ging. Er wusste auch, dass Joachim ganz in der Nähe der Bank wohnt. Also bat ich ihn, den Schein für mich umzutauschen.

Ich hatte mir heute gerade 4 Hemden gekauft, passender hätte ich den Schatz kaum finden können.

Frühaufsteher

Ich wurde wach, irgendwann. Auf die Uhr habe ich vorsichtshalber nicht geschaut, aber ich wusste, dass es noch früh war. Ich merkte, dass Bernd auch nicht mehr schlief. Wir kuschelten uns aneinander, manchmal hilft es, um wieder einzuschlafen. Aber wir wurden immer munterer, und dann ….

…. dann war es erst 05.00 Uhr. Auch der „Frühsport“ hatte uns nicht wieder müde gemacht. Wir beschlossen aufzustehen. Nach dem Duschen setzten wir uns für einige Minuten auf den Balkon und tankten neue Energie: Ein Glas Kakao. Wir lauschten den Vögeln und den morgendlichen Geräuschen. Ein Ehepaar vom Haus gegenüber kam um halb sechs nach Hause, wohl von einer Party. Eine Joggerin war unterwegs in Richtung Alster. Leider liess die Temperatur es nicht zu, länger draussen zu sitzen.

Müde wurden wir gegen 07.00 Uhr. Ich bin sicher, wenn wir uns jetzt ins Bett gelegt hätten, wären wir auch nicht eingeschlafen. Also beschäftigten wir uns weiter mit unseren Rechnern.

Der ganze Tag schleppte sich dahin. Am Abend bin ich dann auch beim Fernsehen eingeschlafen.

Erinnerungen und Abschied?

Heute haben wir meine Eltern auf ihrer Yacht in Travemünde besucht, vielleicht zum letzten Mal. Sie wollen sie verkaufen. Mein Vater hatte im vorigen Jahr einen Schlaganfall und ist nicht mehr in der Lage, alle notwendigen Arbeiten allein auszuführen. Und er mag nicht immer andere Leute bitten, ihm zu helfen.

Erinnerungen an meine Jugend wurden wach als wir an der Mole standen. Seit meinem 5. Lebensjahr habe ich viele Sommer hier verbracht. Von Mai bis September sind wir jedes Wochenende an Bord gewesen. Es war selbstverständlich, dass wir den Sommerurlaub an der See verbrachten. Wenn das Schiff im Herbst nach Lübeck zum Winterlager gebracht wurde, war ich immer sehr traurig. Ich liebte das Leben an Bord, die See, die Schiffe, die frische Luft.

Generationen von Fährschiffen, bis Anfang der 60er Jahre noch mit Dampf und Kohle betrieben, habe ich kommen und gehen sehen. Teilweise erkannte ich sie und auch Frachtschiffe, die regelmässig vorbeikamen, am Typhon. Von anderen Schiffen brauchte ich nur einen winzigen Teil sehen und ich wusste sofort, um welches Schiff es sich handelt.

Vermutlich hat das Hobby meiner Eltern auch meine Berufswahl beeinflusst. Zwar bin ich nicht zur See gefahren, habe aber als Schifffahrtskaufmann mit der Seefahrt zu tun. Die Nähe zur Natur und Erfahrungen mit Wetterbeobachtungen haben mir Verständnis vermittelt für die Probleme der Kapitäne.

Wenn meine Eltern ihre Yacht verkaufen, geht eine Aera zu Ende, eine Aera, die mein Leben geprägt und beeinflusst hat.

Land in Sicht

Lust hatten wir nicht, aber die Pflicht ruft. Also machten wir uns auf zur Chorprobe, immer noch mit Muskelkater.

Zuerst gab es einen Rückblick auf den Auftritt vom vergangenen Donnerstag im Rathaus und auf den CSD.

Von ein paar kleinen Pannen abgesehen, soll das Konzert ein Erfolg gewesen sein. Matthias, unser Chorleiter, berichtete, dass die Resonanz sehr positiv gewesen ist und er einige Anfragen erhalten hat, ob wir auch ausserhalb Hamburgs auftreten. Na, warten wir doch ein mal ab, ob wir noch ein paar Einladungen aus anderen Städten bekommen werden.

Die allgemeine Meinung zum CSD: Die Luft ist raus. Wir sollten im nächsten Jahr eine Pause machen und statt in Hamburg vielleicht am CSD in Köln teilnehmen. Auch das Thema bezüglich der wenigen Aktiven, die am Ende der Parade noch auf der Strasse waren, wurde kurz angesprochen.

Dann wurde die Probenarbeit wieder aufgenommen. Ich war dann doch erstaunt, dass es ganz gut weitergeht. Es ist Land in Sicht, ich will damit sagen, dass zwar noch einiges zu tun gibt, aber der Chor doch gute Fortschritte gemacht hat.

Die Pause wurde an das Ende des Abends verschoben. Matthias hatte angekündigt, dass der Chor heute 15 Jahre besteht und er darauf Sekt ausgeben möchte. Er hatte Sekt und Becher mitgebracht. Matthias gab uns einen Überblick über die Chorgeschichte, unterlegt mit ein paar statistischen Zahlen. Dann stiessen wir an und wünschten uns gegenseitig Erfolg und Spass.

Nachwehen

Trotz unserer gestrigen Müdigkeit waren wir um 8.00 Uhr wach – wie immer.

Sofort nach dem Aufwachen bemerkte ich den Muskelkater: In den Armen, in den Schultern, auch in der rechten Hand. Ich sollte mich vielleicht doch sportlich betätigen, dann wären die Probleme vielleicht etwas weniger stark.

Der Tag schleppte sich so dahin. Bei Eurogay fand ich die ersten Bilder vom CSD. Mein Kompliment, die sind ja schnell. 3 Bilder habe ich ausgesucht und sie im Tagebuch eingebaut. Ich hoffe nicht, dass Eurogay was dagegen hat.

Wir überlegten, ob wir noch mal auf das Strassenfest gehen sollten. Einerseits waren wir müde, andererseits hatten wir das Gefühl, wir würden was versäumen. Wir entschlossen uns für das Strassenfest, wollten aber um 19.00 Uhr zum Start des Formel1 Rennens wieder zu Hause sein.

Das Telefon schreckte uns auf. Der Pirat war dran. Nein, kein Teilnehmer der Parade, der Pirat ist ein Freund, ich habe ihn bereits früher erwähnt. Auf der Fahrt von Bremen nach Kiel wollte er in Hamburg einen kurzen Stopp einlegen damit wir uns endlich persönlich kennen lernen können. Da das Strassenfest nicht weit vom Bahnhof stattfindet, sollte es kein Problem sein.

War es dann aber fast doch. Wir trafen nämlich Klaus und Stephan (Pippi Langstrumpf) und noch einige andere Freunde. Gesprächsthema Nr. 1 war natürlich die Parade. Und dabei hätte ich beinahe die Zeit verpasst um den Piraten zu treffen. Eilig machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof.

Wir erkannten uns sofort, auch ohne Nelke im Knopfloch (ich hätte auch keins gehabt) oder Zeitung in der Hand. Die Begrüssung war herzlich. Er hatte ca. 30 Minuten Aufenthalt und ich lud ihn zum Cappuccino ein. Wir verstanden uns prächtig, was ich auch nicht anders erwartet hatte. Aber es ist doch etwas anderes, mit jemandem persönlich zu sprechen. Bisher kannten wir uns nur vom Telefon oder vom Chat. Die Zeit verging auf jeden Fall viel zu schnell.

Übrigens: Der Pirat sieht wirklich gut aus!

Nachdem ich den Piraten zum Zug gebracht hatte, ging ich zurück zum Strassenfest. Jeder gab mal eine Runde Bier aus, wir hatten Spass zusammen, es wurde geflirtet, es war richtig nett. Und zum 2. Mal heute vergassen wir die Zeit. Dieses Formel1-Rennen haben wir nicht gesehen.

Trotz Muskelkater und schmerzender Füsse hielten wir es bis ca. 20.00 Uhr aus. Durch die Lange Reihe gingen wir nach Hause. Auf dem Weg nahmen wir noch unser Abendessen mit, für jeden einen Croque. Arm in Arm setzten wir unseren Weg fort. Plötzlich hörten wir lautes Rufen. Wir fühlten angesprochen, was auch stimmte: Auf einem Balkon sassen 4 oder 5 Männer, richtige Kerle. Klar, die waren auch schwul. Sie liessen das CSD-Wochenende in einer gemütlichen Runde langsam ausklingen.

Auch wir machten es uns zu Hause gemütlich. Aber der Abend war nicht mehr sehr lang für uns. Durch Bier und Muskelkater geschwächt sind wir bald schlafen gegangen.