Es war so:
Um genügend Platz für 2 Implantate bzw. für 2 Kronen zu schaffen, musste eine ca. 50 Jahre alte Goldkrone etwas abgeschliffen werden. Dazu erschien ich gestern Morgen um 8:30 Uhr bei meinen Lieblingszahnarzt in Hamburg, Dr. Blume. Nach ca. 15 Minuten war der Fall erledigt. Um 10 Uhr hatte ich den Termin beim Lieblingskieferchirurgen Dr. Preusse, genügend Zeit, um den Weg in die Praxis zu Fuss zu erledigen. Vorher holte ich in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs ein Franzbrötchen, ich wollte ja was im Magen haben. Und nach der OP wäre ja feste Nahrung tabu.
Um 9 Uhr erschien in der MKG Rödingsmarkt, viel zu früh. Ich hatte aber meinen Kindle dabei und setzte mich damit ins Wartezimmer.
Vor 10 Uhr wurde ich bereits aufgerufen zur Blutabnahme. Das Blut sollte ja mit Teilen aus meinem Kieferknochen und einem zugekauften Knochenersatzmaterial gemischt und auf den Kieferknochen und in die Bohrung für das Implantat aufgebracht werden. Die Assistentin machte das toll, fand auch gleich eine Vene, es piekte ein wenig und ich bekam ein kleines Pflaster auf den Einstich, leider kein Gummibärchen.
Nach kurzer Wartezeit erschien Dr. Preusse und verabreichte mir mehrere Spritzen an verschiedene Stellen im Oberkiefer. Nach der notwendigen Wartezeit ging es dann los. Mein Gesicht wurde mit 2 Tüchern abgedeckt, Kinn- und Halspartie sowie von der Nase bis zur Stirn. Licht an, Kopf drehen, Mund auf. Dr. Preusse machte laut Musik an, ein Livekonzert einer Band. Die Musik entsprach nicht ganz meinem Geschmack, aber es war ganz ok. Hauptsache ist doch, dass der Arzt dabei entspannt arbeiten kann. Und das tat er. Er summte um pfeifte (pfiff?) zu den Melodien.
Ich merkte nichts, war vollkommen schmerzfrei nur hörte ich diverse Geräusche, die aber nicht so unangenehm waren wie bei einer Kariesbohrung. Dr. Preusse erklärte währenddessen, was er da tat. Mehrmals musste ich die Position des Kopfes ändern. Ich bewegte teilweise Füsse und Finger zum Takt der Songs, alles ganz entspannt.
Irgendwann merkte ich, dass die Betäubung nachliess. Der Absauger verursachte einen leichten kühlen Zug. Und dann entfleuchte mir ein „Aahhrg“. Dr. Preusse musste nachspritzen. Bevor er weiter arbeitete, teste er, ob die Betäubung wieder ok war. Entspannt ging es weiter. Später musste diese Prozedur wiederholt werden. Da wurde schon zugenäht.
Aber meine Blase drückte inzwischen. Durch schleifen und bohren hatte ich ja auch viel Wasser geschluckt, und das musste wieder raus. Ich fragte Dr. Preusse „Wie lange brauchst du noch? Meine Blase!“ – „Ca. 5 Minuten“. Hm, könnte klappten. Aber wenn man erstmal darüber nachdenkt … es ging nicht mehr. Ich gab Bescheid und es gab keine kurze Pipipause. Danach wurde die Naht geschlossen und der Faden verknotet.
Ich bekam ein Kompliment, dass ich ja total entspannt gewesen wäre. Auch die Assistentin, die mir Blut abgezapft hatte, sagte, ich wäre dabei ganz entspannt gewesen. Na ja, während ich auf dem OP-Stuhl lag, zwickte der Körper mal hier und mal da. So gut es ging bewegte ich meine Füsse, viel konnte ich natürlich nicht machen. Ich war froh, als der Stuhl wieder in Sitzposition gebracht wurde. Die letzte Viertelstunde war wegen Blasendrucks nicht ganz so entspannt, das Pfeiffen von Dr. Preusse war da nicht sehr hilfreich.
Dr. Preusse erzählte mir, dass es etwas schwierig war, hinten links zu vernähen. Ich fragte, wieso da, die Zahlücke ist doch weiter vorn. Na, die Antwort überraschte mich. Er hat von vor der Zahnlücke bis hinten zum Gehtnichtweiter den ganzen Kiefer vom Zahnfleisch freigelegt, das musste natürlich wieder zugenäht werden.
Ich bekam eine Anweisung, was ich gestern und heute darf, bzw. eher nicht darf, also keine feste Nahrung, nur flüssiges. Suppe hatte ich ja vorgekocht. Welche Medis ich wann und wieviel nehmen soll (Ibu 600 und ein Antibiotikum). Ich erhielt einen Plan mit den Uhrzeiten, 23 Uhr die letzte Dröhnung. Nee nee, da schlaf ich schon. Also wurde der Plan umgeschrieben. Zu Hause hab ich das nochmal modifiziert, Hauptsache, die Abstände, wann ich den Cocktail nehmen soll, stimmen. Na ja, mit nur 2 Zutaten ist das eher ein Longdrink.
Ich liess mich von einem Taxi nach Hause bringen. Nach der Prozedur hatte ich keine Lust, mit dem ÖPNV nach Hause zu fahren.
Am Tresen erhielt ich den Implantatausweis. Darin ist mit kleinen Aufklebern (ähnlich der von der Covidimpfung) vermerkt, welche Implantate verbaut wurden und von welcher Charge, und natürlich, an welche Stelle in der Kauleiste die Implantate eingesetzt wurden. Desweiteren ist vermerkt, welche Materialen für den Knochenaufbau benutzt wurden und wieviel davon. Auf den Aufklebern sind noch ein paar mehr angaben. Habe versucht, auf der Homepage der Hersteller mich so gut es geht zu informieren. Es ist natürlich viel, was man da nachlesen kann, was ja auch richtig ist. Für mich ist es zuviel. Ausserdem bekam ich ein Privatrezept für IBU und das Antibiotikum. Da eine Implantat-OP eine Privatleistung ist, kann auch kein Kassenüberweisung ausgestellt werden.
Die Implantate bestehen zu 85 % aus Titan und 15 % aus Zirkonium, Roxolid heisst das Material. Auf die Dinger habe ich lebenslang Garantie.
Die Basis für das Knochenersatzmaterial sind Schweineknocken, also esst mehr Schweinefleisch.
Weiter wurden mir Membranen eingesetzt, die das Einwachsen von Weichgewebe verhindern sollen.
Heute Morgen wachte ich relativ gut erholt auf. Auf dem zusätzlichen Kopfkissen (erhöhte Lagerung) sind keine Blutspuren, also hab ich in der Nacht nicht gesabbert. Die rechte Wange scheint etwas dicker zu sein als gestern, also wird weiter gekühlt. Einen Dauerschmerz hab ich nicht, nur auf leichten Druck. Die Lippe ist rechts etwas dick und empfindlich. Gut, da wurde ja auch ordentlich dran gezogen damit der Dock gut mit dem Zwirn in der äussersten Ecke arbeiten konnte. Bin zwar ein wenig drömelig unterwegs. Autofahren muss ich ja nicht und einen Job an einer Maschine hab ich nicht. In der Spülmaschine konnte ich noch ein paar Teile unterbringen und hab sie ohne Probleme gestartet.
In zwei Wochen sollen die Fäden gezogen werden. Ca. 6 Monate später, wenn alles gut verheilt und der Knochen ok ist, sollen die Kronen aufgesetzt werden. Es gibt aber einen kleinen Wehrmutstropen: Meine 50 Jahre alte Goldkrone muss dann auch ersetzt werden. Dr. Preusse hat da noch dran rumgeschliffen. Dabei hat sich das „Blech“ etwas abgerollt. Mit einem linksdrehenden Schleifer hat er das dann aber erstmal reparieren können. Das abgeschliffene Gold konnte leider nicht separiert werden, also werden das unsere Gäste nicht als Goldstaub auf einem Dessert serviert bekommen.