
Am Dienstag hatte Schwiegermutter Geburtstag. Da sie wegen ihrer kleinen Rente kaum aus dem Haus kommt, hatten wir ihr unter anderem eine „Fahrt ins Blaue“ geschenkt. Sie wusste also nur, dass wir sie mit dem Wagen abholen würden. Wohin die Fahrt gehen würde, war ihr nicht bekannt.
Wir hatten uns ausgedacht, sie nach Travemünde zu entführen und dort in einem Restaurant an der Strandpromenade ein Mittagessen einzunehmen. Für diesen Zweck hatte ich eigens einen Tisch reservieren lassen. Leider wurde die Fahrt länger als erwartet. Durch einen Unfall auf der A1 hatten wir eine erhebliche Zeitverzögerung. Unser lokaler Radiosender hatte über die Verkehrsstörung nichts berichtet. Im Wagen hatten wir den Sender nur recht leise an und bekamen deshalb von einer Verkehrsmeldung nichts mit. Und das Navi lag zu Hause, schliesslich kennt man sich ja aus.
Zum Glück war unser Tisch noch nicht vergeben. So konnten wir während des Essens auf die vom Nord-Ost-Sturm aufgewühlte Ostesee blicken.
Nach dem Essen brauchten wir noch einen kleinen Verdauungsspaziergang auf die sturmumtoste Mole, die auch von einer kleinen Hochzeitsgesellschaft aufgesucht wurde. Die Windsbraut hatte Mühe, ihren Schleier unter Kontrolle zu halten. Währenddessen versuchte ein kleiner Segler, mit Motorkraft die offene See zu erreichen. Und vor dem Hotel Maritim flatterten die Flaggen im Sturm.
Um die Verdauung weiter anzuregen, ging es dann noch zur Hafenpromenade. Hier gibt es eine Stelle, wo der Weg über ein Gleis führt, auf dem Schiffe ins Wasser gelassen werden können. Diese Stelle ist mit Stahlplatten abgedeckt. Wann man darauf rumhüpft, scheppert es recht nett. Und das muss ich seit zig Jahren machen. Heute mokierte sich eine alte Dame darüber. Sie fragte mich, ob es denn Spass machen würde. Blöde Frage, sonst würde ich das ja nicht tun (das hab ich aber nicht zu ihr gesagt). Ich erwiderte, dass ich das seit etwa 50 Jahren mache, und zwar jedes Mal, wenn ich an diese Stelle komme. Na, wir wechselten noch ein oder zwei Sätze und sie zog ihres Weges und wir machten uns auf den Weg zum Wagen, der uns zum Kaffeetrinken zu meiner Mutter nach Lübeck bringen sollte, was Schwiegermutter aber auch nicht wusste.
Für Schwiegermutter war es ein schöner Tag, ebenso für uns, weil wir merkten, dass wir sie mit diesem kleinen Ausflug glücklich gemacht haben.