Der Besuch bei meiner Mutter sollte eigentlich ein kleines Familientreffen sein: Oliver und Sabrina mit den beiden Minis Ida und Marit waren angereist. Zusammen mit meiner Mutter wollten wir oben in der Cafeteria bei Kaffee und Kuchen und einem traumhaften Blick über die Königin der Hanse mit dem Namen Lübeck ein wenig zusammensitzen. Der blöde Virus machte uns einen dicken Strich durch die Rechnung.
Wir hatten entschieden, dass nur Oliver und ich meiner Mutter die Aufwartung machen. Es wäre verantwortungslos, und es wäre auch gar nicht erlaubt worden, sie mit den beiden Mädchen zu besuchen. So zogen Vater und Sohn den Papierkittel und Gummihandschuhe an. Oma zu knuddeln war natürlich auch nicht möglich.
Oma saß wie ein Häuflein Unlück auf dem Bett. Der Toilettenstuhl steht daneben, der Rollator in Reichweite um sich dran festzuhalten. Gehen – geht nicht mehr. Zum Waschen wurde sie heute morgen mit einem Rollstuhl ins Bad geschoben. Der Toilettenstuhl ist jetzt ihre Toilette geworden, nicht wegen dem Durchfall sondern weil sie den Weg zur Toilette nicht mehr schafft wegen starker Schmerzen.
Zum Mittagessen hat sie ein paar Löffel Suppe gegessen, die Bettnachbarin meinte, es sei weniger als die Hälfte der angebotenen Portion gewesen. Um 14:00 Uhr wird der Nachmittagskaffee serviert. Mutter verlangte es nach Pfefferminztee. Dazu lag eine Banane auf dem Teller.
Das erste Mal hat Mutter davon geredet, dass es keinen Spaß mehr macht, so alt geworden zu sein. „Dann lieber weg und das war’s dann!“ So oder so ähnlich hat sie sich geäussert. Später dann noch: „Dann lieber so wie Vati, einfach umkippen!“ Gestern hat sie mir erzählt, dass sie es leid ist, die ganzen vielen Tabletten zu schlucken. Die Dosis am Mittag hätte sie verschwinden lassen. Ich habe überlegt, ob ich das im Stationszimmer erzählen soll. Ich habe es gelassen. Wenn sie nicht mehr will, ist es ihr Wunsch. Mir scheint, dass es der Anfang von der Selbstaufgabe ist.

Eigentlich heisst es ja „Ein Lied für Stockholm“, es ist gestern Abend gekürt worden, der Song, der Deutschland in diesem Jahr beim ESC in Stockholm repräsentieren soll. Ich frage mich heute morgen nur: Welches Lied? Zum einen Ohr rein- zum anderen wieder raus, obwohl ich es gestern Abend 3 x gehört habe. Nichts, absolut nichts, ist davon hängengeblieben. Ich glaube nicht, dass es das Lied unter die ersten 10 schaffen wird. Aber man weiss ja nie, der ESC war schon immer für Überraschungen gut. Also ich für meinen Teil fand „Black Smoke“ mit Ann Sophie, die im vorigen Jahr für Deutschland angetreten ist, um längen besser. Aber egal, das Deutsche Fernsehpublikum hat das kleinere Übel gewählt, Alex Diehl hätte ich nicht so gern in Stockholm gesehen. 
