Es ist bestimmt 20 Jahre her seit ich zuletzt im Hansapark gewesen bin. Vieles hat sich in diesen Jahren verändert. Nicht nur, dass es neue Attraktionen gibt, auch die Vegetation hat dem Park ein anderes Gesicht gegeben. Es ist nicht mehr so licht, vieles liegt nun versteckt hinter Bäumen und Büschen, der Blick auf die Ostsee, an deren Ufer in Sierksdorf der Park liegt, ist weitgehenst nicht mehr uneingeschränkt möglich. Aber man fährt nicht zum Hansapark und bezahlt Eintritt um auf die Ostsee zu schauen. Das kann man an anderen Stellen, auch in Sierksdorf, umsonst haben.
Das Wetter war perfekt für diesen Tag. Frühherbstlich schien gestern die Sonne vom blauem Himmel. Als Heißsporn konnte ich bald meine Jacke ablegen und im T-Shirt an der Seite meines Mannes durch den Park schlendern.
22 Personen waren wir, vom Vorschulalter bis zum Rentner. Peter, der Organisator hat geschäftliche Verbindungen zum Hansapark und hatte für uns einen Raum reserviert, in dem wir den mitgebrachten Proviant lagern konnten. Ein Bollerwagen nahm Jacken, Getränke und Wegzehrung für unterwegs auf.
Eine kleine Gruppe stellte sich gleich nach erreichen des Parks in die Wartereihe für die Achterbahn „Fluch von Novgorod“ an, als begeisterte Achterbahnfahrer waren Bernd und ich natürlich dabei. Nach einer Warterzeit von ca. 45 Minuten durften wir endlich einsteigen. Nach ein paar kleinen Kurven durch schemenhafte Dekoration ging es zum Startpunkt. Nach einem Countdown ging es mit einer Beschleunigung von 1,4 Sekunden auf knapp 100 km/h auf dem Rücken liegend senkrecht bis auf 35 m Höhe, im Dunkeln wohl gemerkt. Danach erfolgt der Absturz in einem negativen Winkel von 97 Grad (!). Dann hinaus ins Tageslicht, rauf und runter, Kurven, Korkenzieher, hin und her! Wow, das Ding ist der Hammer! Aber es sollte noch besser kommen.
Unsere Gruppe schlenderte durch den Park, stoppte mal hier und mal da. Nicht jeder mag Achterbahnfahren sondern nimmt mit weniger rasanten Fahrvergnügen vorlieb oder lässt sich in der Wildwasserbahn oder dem Supersplash gern mal nassmachen. Hinterher gibt es dann die Möglichkeit, sich im Ganzkörperföhn wieder zu trocknen. Natürlich nahmen wir auch auf die Kinder Rücksicht, die ihre eigenen Fahrattraktionen entdeckten.
Frische Luft macht hungrig. Hinter der Bodega, in der unser Proviant gelagert war, mit Blick auf die Ostsee, wurde schnell das kalte Buffet aufgebaut. Kartoffelsalat, Frikadellen, kaltes Fleisch in verschiedener Zubereitung, eine ganze Mettwurst – jeder hatte was mitgebracht. Wir hatten für das Süße gesorgt und 4 Bleche Muffins gebacken. Jeder langte mal hier zu, mal da, alle aßen von allem, was da war und wo man gerade Appetit drauf hatte. Man hatte Zeit für Gespräche, zum Ausruhen und sich zu stärken für das, was noch kommt. Als alle gesättigt waren, wurden die Reste wieder eingelagert und die Tour ging weiter.
Das nächste Ziel war die Raftingbahn, in die fast alle Teilnehmer einstiegen. Gleich daneben ist die „Glocke“. Die schwingt zwar nicht kopfüber, es konnte sich aber keiner begeistern, dort einzusteigen. Und dann ging es zur neuesten Attraktion, dem Thrill Ride, „Der Schwur des Kärnan“. Kärnan gibt es wirklich. Es ist ein Festungsturm in der schedischen Stadt Helsingborg.
Von einem Festungsturm ist im Hansapark noch wenig zu sehen. Noch ist es ein Rohbau, bei dem jegliche Deko fehlt. Die Technik der Bahn ist jedoch fertig und diese wurde in diesem Sommer in Betrieb genommen.
Keiner von uns kannte diese neue Attraktion. Acht Mutige fanden sich für den Thrill bereit, natürlich auch Bernd und ich. 90 lange Minuten mussten wir bis zum Einstieg warten. Währenddessen hatten wir genügend Zeit, den Verlauf der Bahn, so er denn im Freien stattfindet, und die Passagiere zu beobachten. Es schien, als seien sie alle begeistert von dem Trip. Was im 79 m hohem Turm passiert, konnten wir nicht sehen, wir hörten es nur rumpeln und den Schrei der Insassen wenn die Bahn aus 68 m Höhe in die Tiefe und ins freie stürzt.
Endlich war es soweit, dass wir in einen geschlossenen Raum gelassen wurden. Wir erhielten eine Sicherheitsanweisung und die Aufforderung, Hosen- und Jackentaschen von allen Gegenständen zu leeren. Bernd wurde zusehends ruhiger und er musste zugeben, dass ihm nicht so ganz wohl war ob dem Unbekannten, was da auf uns zukam. Aber es gab kein Zurück und wir mussten einsteigen. Nach ein paar kleinen Kurven und einer ersten kurzen Abfahrt blieb der Zug vor einer senkrecht nach oben führenden Schiene stehen, ganz weit oben sahen wir ein blaues Licht, gaaaaanz weit oben! Uns war klar, dass wir bis da oben emporfahren würden. Dann fuhr der Zug endlich los. Wir lagen wieder auf dem Rücken in unseren Sitzen. Irgendwann blieb das Ding stehen. Eine gefühlte unendlich lange Zeit hingen wir quasi senkrecht an den Schienen fest. Rechts neben mir saß Peter. Er faselte nur immer „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“ Bernd links neben mir sagte gar nichts. Und ich dazwischen konnte nur noch lachen.
Plötzlich ein Ruck und wir fielen einige Meter rückwärts nach unten. Der Zug blieb hängen. Und dann ging es endlich nach ganz oben. Und als es dann rasant in die Tiefe ging, erst innerhalb des Turms und dann in Schussfahrt ins Freie, konnte ich nur noch schreien. Rauf und runter, Kurven, Korkenzieher, Loopings, schreien – es war einfach phantastisch! Enthusiatisch rissen wir die Arme kurz vor dem vermeintlichen Ende der Fahrt hoch und klatschten in die Hände.
Wie wir es vorher beobachtet hatten, bremste der Wagen vor einer geschlossenen Tür. Wir hatten angenommen, dass die Fahrt dahinter dann beendet ist. Weit gefehlt, es ging noch ein paar Meter weiter mit einer zusätzlichen Überraschung, mit der keiner gerechnet hatte. Darüber möchte ich hier aber nichts verlauten lassen.
Nach ca. 3-1/2 Minuten war die Fahrt zu Ende. Wir sammelten unsere Utensilien wieder ein und kehrten erleichtert und stolz zu den Freunden zurück, die sich nicht getraut hatten.
Mancheiner wird uns für verrückt erklären, dass wir es auf uns genommen haben, für ein paar Minuten Thrill 90 Minuten zu warten. Soll ich euch mal was sagen: Es hat sich gelohnt! Für den restlichen Nachmittag verzichteten wir aber auf weitere Fahrten jeder Art. Ich wäre zwar gern nochmal gefahren, aber unseren etwas angeschlagenen Rücken zuliebe war es wohl besser so. Das hielt die anderen natürlich nicht davon ob, in andere Bahnen einzusteigen.
Um 18:00 Uhr werden die Attraktionen geschlossen. Wer noch in der Warteschlange steht, darf noch fahren. Wir holten unsere Reste aus der Bodega und verstauten alles in Rucksäcken und im Bollerwagen während einige noch mal im Fluch von Novgorod einen Ride machen wollten – oder auch ein paar mehr. Während wir auf sie warteten, hörten wir es plötzlich scheppern. Wir sahen gerade noch, wie ein Handy aus der Bahn segelte und auf dem Boden auseinanderfiel. Wieso das gerade an dieser Stelle passierte, wo die Fahrt fast zu ende ist – keine Ahnung. Wollte das Girlie vielleicht ein Selfie machen und das Handy ist ihr aus der Hand gefallen? Wir werden es nie erfahren.
Wir machten uns auf den Weg, den Park zu verlassen und für die Heimfahrt unsere Wagen aufzusuchen. Ein wirklich schöner und entspannter Tag mit lieben Menschen war zu Ende.