Du oder Sie?

You can say you to me! – Dieser Spruch wird Helmut Kohl zugeschrieben, der ja bekanntermaßen ein recht stümperhaftes Englisch spricht. Vermutlich hat er das nie so gesagt. Gesagt haben könnte das auch Heinrich Lübke, der zweite Deutsche Bundespräsident. Ihm werden ja auch so manche Sprüche nachgesagt. Ich wollte damit jedenfalls sagen, dass es in der Englischen Sprache das „Sie“, so wie wir es kennen, nicht gibt.

Als ich vor 23 Jahren in der Firma anfing, in der ich bis zur Rente tätig gewesen bin, wurde mir sofort das „Du“ angeboten, allen voran von den beiden Geschäftsführern. Gut, wir waren eine kleine Truppe von 9 Mitarbeitern inklusive der Geschäftsführer und Prokuristen. Zu der Zeit war es jedenfalls noch ziemlich unüblich, das intime „Du“ zu verwenden. Trotzdem hatten wir, die ganz normale Arbeitnehmer waren, Respekt vor der Geschäftsleitung.

In Telefonaten mit ganz Europa war es üblich, uns mit Vornamen anzureden. Und ja, teils kam es da schon mal zu ziemlich kontroversen Diskussionen. Einzig bei Telefonaten und im Schriftvekehr mit den Kapitänen wurde das distanzierte „Sie“ noch verwendet. Wobei das bei der Reederei, in der ich vorher gearbeitet habe, auch nicht mehr benutzt wurde.

Vor 41 Jahren lernten meine Frau und ich im Urlaub ein Ehepaar aus Dänemark kennen, welche so alt waren wie unsere Eltern. Es ergab sich eine jahrelange sehr schöne Freundschaft mit gegenseitigen Besuchen mehrmals im Jahr. Evald, unser Freund, der ein recht gutes Deutsch sprach, erklärte uns, dass in Dänemark, ganz offiziell das „Sie“ abgeschafft worden ist, auch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Ich glaube, die Dänen duzen sogar ihre Königin.

Ich erinnere mich an meine früheste Kindheit: Wenn meine Eltern Leute kennenlernten „siezte“ man sich, das gehörte sich schließlich so. Wenn sich dann ein längerer Kontakt ergab, ging man nicht einfach zum „Du“ über, nein, daraus wurde ein richtiger Akt gemacht, das Brüderschaft trinken, ein seltsamer Brauch: Mit einem Glas Schnaps, Bier – oder was man gerade so trank – in der Hand hakte man sich gegenseitig die Arme umeinander und jeder sagte seinen Namen (Ich heiße Paul!) den alle eh schon wussten. Dann trank jeder mit umeinanander gehakten Armen aus seinem Glas und dann küsste man sich noch auf die Wange. Ab jetzt durfte man sich mit „Du“ anreden, was manchmal schwierig war weil man sich an das „Sie“ doch gewöhnt hatte.

Wie locker ist das doch heute geworden. Wir haben hier in der kleinen Stadt an der Elbe viele nette Menschen kennengelernt. Als wir uns irgendwann mal bei irgendwem das erste Mal begegnet sind, haben wir uns selbst gegenseitig vorgestellt: Ich heiße Bernd! – und gut war’s. Letztens, auf der Silberhochzeit von Freunden trafen wir wieder neue Leute. Sie? Nee, es ging gleich zum Du. Ich habe da auch überhaupt keine Hemmungen

Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit fällt es mir ziemlich schwer, überhaupt das „Sie“ zu benutzen, meist versuche ich irgendeinen Spagat wenn ich Menschen in meinem Umfeld anspreche. Es ist auch eine Frage des Gegenübers, wie locker oder wie distanziert die Menschen drauf sind. Das „Sie“ wird immer mehr verschwinden. Trotzdem kann man seinen Mitmenschen mit Respekt begegnen und trotzdem kann man unterschiedliche Meinungen im Geschäftsleben miteinander diskutieren.

Wie komme ich denn nun auf dieses Thema? Die FAZ hat darüber geschrieben.

Es wird noch Jahre dauern, bis das „Sie“ im Sprachgebrauch verschwunden sein wird. Besonders die Älteren Mitmenschen können sich das sicher nicht mit anfreunden. Aber es wird eines Tages soweit sein, da bin ich mir sicher.

11 Gedanken zu „Du oder Sie?

  1. Danny

    Ich bin auch ein großer Fan des „Sie“. Bei uns auf Arbeit ist es leider auch Usus, sich zu duzen. Mit einigen Kollegen wäre ich selbst nach 14 Jahren noch gern beim „Sie“.

    Übrigens, historisch gesehen heißt „you“ eigentlich „Ihr“ (als Anrede, also 2. Person Plural), so gesehen siezen sich Sprecher des Englischen also. Die praktisch ausgestorbene Anrede, die unserem vertrauten „Du“ entspricht, ist „thou“, die aber eigentlich nur noch im Kirchen-Englisch vorkommt. Und natürlich in historischer Literatur wie z .B. bei einem gewissen Mister Shakespeare.

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    1. Hans-Georg

      Ich habe vermutet, dass du da etwas anders gestrickt bist als ich. Oder du hast es schon mal irgendwann erwähnt.
      Aber vielen Dank für die Information. Könnte man hier ja auch einführen, das „Ihr“, so wie früher.

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  2. Elke

    Ich erinnere mich immer noch mit Freude an die Reaktion meines Chefs (In Rostock geborener Chirurg etwas spröder Natur😉), als ich sämtliche Patienten so im Alter unter 50 einfach duzte. Beim ersten Mal dachte ich, er fällt ins Wachkoma. Irgendwann hatte er sich dran gewöhnt. Mittlerweile ticke ich ähnlich wie Danny, daß ich mir gezielt aussuche, mit wem ich mich duze. Manche Menschen sind mir einfach derart unsympathisch, daß ein „Sie“ etwas mehr Distanz schafft… manchmal ganz gut. LG und eine schöne Woche – Elke

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      1. Hans-Georg

        Hm, bei uns gab es keinen Schnaps in der Firma. Da standen zwar Reste im Schrank, die übriggeblieben waren, als wir mal Gäste hatten. Aber nachdem wir festgestellt hatten, dass sich die Putzfrau daran vergriffen hatte, haben wir alles weggekippt.

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  3. Heidi

    ja, das Du ist bei mir auch sehr stark im Alltagsleben vertreten. Wohne nahe der dänischen Grenze. Wir haben hier im Ort und auch in den Nachbarorten dänische Schulen und Kindergärten. Da duzen die Kinder ihre Lehrer, den Schuldirektor, die Kindergärtnerinnen und den dänischen Pastor, ohne den Respekt zu verlieren. Meine Kinder, Enkel und jetzt der älteste Urenkel auch, gingen und gehen den Weg, dänischer Kindergarten und Schule. Man muß nur darauf achten (meine Erfahrung), das Gleichgewicht zwischen den beiden Sprachen, deutsch und dänisch zu halten. Ein Schulabgänger mit Kenntnissen der dänischen Sprache wird gern als Azubi genommen.
    Ach ja, schwer wird es dann in der Berufsschule, besonders in Mathe, weil die Rechenwege im dänischen anders erklärt werden. Wir haben uns von Beginn an immer beide Wege gesucht.
    Ach, ich schweife ab, es geht ja um das Du…. mal ganz salopp gesagt, es ist leicht, du Arschloch zu sagen, als sie Arschloch.

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    1. Hans-Georg

      Ja Heidi, das sagt man so. Ich glaube aber, dass man sich mehr in der Gewalt hat, wenn man sich beim „Du“ im geschäftlichen – oder mit dem Lehrer/Pastor – in die Wolle kriegt. Da ist man beim „Sie“ leicht schnell über die Grenze gegangen.

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  4. DORO

    Ich bin da auch eher locker, im Büro duzen wir uns alle ( bis auf den Chef, das ist und bleibt irgendwie eine Respektperson) und auch sonst ist meist das du okay. Mit einer Nachbarin die ich fast 25 Jahre kannte hab ich mich die letzten Jahren zwar nicht geduzt aber mit Vornamen angeredet. Sie war allerdings auch über 20 jahre älter. Ich denke es hat auch was mit dem Alter zu tun???
    LG Doro

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    1. Hans-Georg

      Ich hab’s erledigt.
      Ja, das Alter mag ein Argument sein, manchmal wage ich es auch nicht und ich kann nicht mal sagen warum. Da ist z.B. „Frau Galerie“ auf Mein Schiff 1, mit der wir uns ganz toll verstanden haben. Das war wirklich ein sehr herzliches Verhältnis. Aber ich hab das da irgendwie nicht fertiggebracht. Anderseits ging das mit dem Steward recht flott. Wobei das jetzt nichts mit dem Rang der Leute zu tun hatte.
      Den Marktleiter im Supermarkt würde ich auch nicht duzen, bei dem Käseverkäufer mach ich es. Es gibt bei manchen Leuten eben eine Hemmschwelle. Eigentlich müsste man es ganz konsequent durchziehen, wie bei den Dänen.

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