Wandertag war immer was aufregendes. Man brauchte nicht in der Schule lernen. Man musste was zu essen einpacken für unterwegs, und was zu trinken auch. Es gab etwas Geld, damit man sich vielleicht ein Eis kaufen konnte. An einen Wandertag erinnere ich mich ganz besonders gut: Es ging mit der Bahn von Lübeck nach Mölln. Dort kamen wir in einen ganz fürchterlichen Regen. Das Wasser strömte durch die Strassen. Da wir eh alle schon durchnässt waren, stapften wir durch die Wassermassen. Der nächste Zug brachte uns wieder heim.
Vielleicht war es dieses Erlebnis, dass mich dazu animierte, heute einen Pullover mitnehmen zu wollen. Wir waren nämlich heute zu einem Wandertag eingeladen mit einer angenehmen Unterbrechung im Café Koch in Tesperhude. Und da kann man natürlich nicht ablehnen.
Als wir unsere Nachbarn vom Haus gegenüber auf der Strasse trafen, standen die ohne Pullover oder Jacke vor uns. Und da Claudia und Thomas erfahrene Wanderer sind, vertraute ich ihnen und verstaute meinen Pullover im Briefkasten.
Vertrauensvoll folgten wir den Beiden. Erst durch ein paar Gassen unserer kleinen Stadt, dann runter an die Elbe entlang von der Stadt neuangelegter Anlagen. Von dort eine lange Treppe hoch, um auf den Geesthang zu gelangen. Bald hatte der Wald uns eingefangen, den wir sonst nur von der Strasse aus kennen, wenn wir mit dem Wagen zu Café Koch fahren, um dort Torte zu kaufen.
Unterwegs hatte Thomas die Idee, einen kleinen Umweg zur Aussichtsplattform am Stausee für das Pumpspeicherkraftwerk zu machen. Aber erst ging es noch höher hinauf auf die Geest. Mein Herz klopfte bis zum Hals ob dieser Anstrengung. Oben angekommen waren es nur noch ein paar Schritte bis zum Stausee. Das Gitter bot eine willkommene Stütze für eine kleine Erholungspause. Thomas, ein eingeborener Geesthachter, erzählte uns ein paar geschichtliche Anekdoten über den Bau des Kraftwerks und dessen positive Folgen, nämlich den Bau eines Schwimmbades.
Nachdem wir uns ein paar Minuten ausgeruht hatten, bestiegen wir die Aussichtsplattform. Ich war überrascht, wie weit man von dort aus gucken kann, nämlich bis nach Hamburg. Der Heinrich-Hertz-Turm war natürlich gut zu erkennen, dazu noch einige Hochhäuser. Sogar die drei Mundsburg-Tower, in deren unmittelbarer Nähe wir 10 Jahre gewohnt haben, konnte man gut sehen.
Die Aussicht auf leckere Torte trieb uns weiter, vorbei an den Anlagen des Kernkraftwerks Krümmel, das zurzeit ja abgeschaltet ist und auch hofftentlich abgeschaltet bleibt. Was uns allerdings wunderte ist die Tatsache, dass in den zahlreichen Leitungen und Masten knisterte und brummte, so als würde elektrische Energie durchfliessen. Wir redeten uns ein, dass so ein Kraftwerk ja auch Strom benötigt wenn es den nicht selbst produziert und es dieser Strom ist, der zum Kraftwerk fliesst, den wir dort hörten. Nun war es nicht mehr weit bis nach Tesperhude. Der Weg führte uns noch durch ein Waldstück, in dem die Produktionsanlagen der Nobel-Fabrik einst gestanden haben. Auch hierüber wusste Thomas interessante Dinge zu erzählen.
Dann endlich waren wir im Ortsteil Tesperhude der Stadt Geesthacht. Noch ein paar Meter – und wir konnten uns nach etwa zwei Stunden wandern in die Plüschsessel vom Café Koch fallen lassen. Da wir das Standardangebot an Torten mittlerweile gut kennen, war es nicht notwendig, dass wir uns am überfüllten Kuchentresen was aussuchen mussten. Die Bedienung nahm unsere Bestellung auf. Nach wenigen Minuten wurden Kaffee, heisse Schokolade und Torten serviert.
Allzulange wurde uns die Pause nicht gegönnt und Claudia blies zum Aufbruch. Entlang der Elbe ging es wieder heimwärts. Die Strecke bis nach Geesthacht schwankt auf verschiedenen Hinweisschildern zwischen 5 km und 6,8 km. Irgendwo dazwischen wird es wohl liegen. Der Weg ist leicht zu bewältigen da es keine Steigungen gibt. Trotzdem merkte ich langsam, dass ich Füsse und Oberschenkel habe. Allerdings waren wir noch gut fit im Schritt und konnten ein gutes Tempo einhalten.
Kurz nach dem Kernkraftwerk passierten wir die 3 Rohre mit dem gewaltigen Durchmesser, durch die das Wasser aus dem Stausee strömt, um die Turbinen zur Stromerzeugung anzutreiben. Der grösste Teil der Wanderung war geschafft. Am Freibad und weiter über den Menzer-Werft-Platz waren wir auf vertrautem Terrain. Ein kleiner Anstieg noch über die Hafenbrücke und hoch zum Bahndamm – und das Pappelwäldchen hatte uns wieder. Von Steigungen hatte ich für heute genug und nahm statt der Treppe ausnahmsweise mal den Lift zum Elbe-Penthouse.
Es war ein interessanter kleiner Ausflug in die Umgebung unserer neuen Heimat. Ein neues Ziel ist bereits ausgemacht. Da soll es auch die Möglichkeit geben, sich unterwegs zu laben.
Vielen Dank an Claudia und Thomas dafür, dass sie uns dazu bewegt haben, mal mit unserem Hintern hochzukommen und die sehenswerte Umgebung von Geesthacht einer näheren Inspektion zu unterziehen.