Gestern besuchte ich meine Mutter im Seniorenheim. Ich hatte ihre Lieblingspflanze für die Weihnachtszeit mitgebracht, eine Amaryllis. Bei den Dingern kann man ja zusehen, wie sie minütlich wachsen. Und die Blüten sind ja enorm.
Auf der Fensterbank musste ich ein wenig neu arrangieren um Platz zu schaffen. Und wie ich da so am Fenster stand, sah ich draußen 2 Herren, die ein Gestell schoben, auf dem ein blauer Sack mit Reißverschluss lag. Erst beim zweiten Gedanken wußte ich, was da geschoben wurde und dann entdeckte ich auch den schwarzen Wagen von „Pietät und Takt“.
Erst wollte ich meine Mutter zum Fenter rufen, sie soll sich doch mal anschauen, wie sie eines Tages hier abgeholt wird. Ich hab das dann lieber gelassen und ihr gar nichts von dem erzählt, was ich da draußen gesehen habe. Muss ja nicht sein.
Ich dachte immer, dass die Verstorbenen in einer Nacht- und Nebelaktion aus Seniorenheimen abgeholt werden. Das war hier nicht der Fall. Jeder, der zufällig am Fenster stand, hätte das beobachten können. Ebenso die Personen, die sich zufällig im Eingangsbereich aufgehalten hätten.
Im Heim gibt es gerade einen unangenehmen Virus (Magen und Darm). An einigen Zimmertüren ist ein Hinweis angebracht, dass man den Raum nur nach vorheriger Anmeldung beim Personal betreten darf. Dann wird man vermutlich in einen Einwegkittel gesteckt, bekommt einen Mundschutz und Handschuhe. Wenn die besagte Person von einer ansteckenden Krankheit befallen war, war es wohl besser, sie so schnell wie möglich abholen zu lassen. Ein weiterer Grund wäre, dass sie in einem 2-Bettzimmer wohnte. Da kann man dem anderen Bewohner ja wohl nicht zumuten, bis zum Dunkelwerden mit einer Leicher zusammen im Zimmer zu sein.
Ein wenig befremdlich war es schon, die Aktion zu beobachten. Angehörige waren auch nicht dabei.