Zeppelin, so der Titel des brandneuen Musicals. Die Welturaufführung fand am 16. Oktober 2021 statt. Jeder kennt die tragische Geschichte des Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“, der bei der Landung in Lakehurst in Flammen aufging. Der Titel „Graf Zeppelin“ wäre dem Musical eher gerecht geworden.
Als ich vor ein paar Monaten entdeckte, dass es ein neues Musical geben würde, nämlich „Zeppelin“, dachte ich, das wäre doch ein Geburtstagsgeschenk für meinen Schatz, zu verbinden mit einem Besuch bei unseren Freunden in München. Frank, unser Freund, den mein Mann mit in die Ehe gebracht hat, war auch interessiert. Wir sendeten ein paar Nachrichten hin und her, der Termin wurde ausgemacht und Tickets, Flüge und Hotelzimmer gebucht. Mein Mann war begeistert über dieses Geschenk. Am vergangenen Freitag, eine Woche nach der Welturaufführung, war es endlich soweit, wir saßen gespannt im Festspielhaus Füssen und harrten der Aufführung. Kurz vor dem Beginn gab es dezenten Beifall. Was ist jetzt los? Der Komponist des Musicals, der Großmeister des ESC, Ralph Siegel, betrat das Parkett und setzte sich auf einen Platz. Dann begann die Vorstellung, also nicht die des Ralpf Siegel, sondern die des Musicals.
Ich möchte hier jetzt nicht den Inhalt des Stücks komplett wiederholen. Ein paar kritische Anmerkungen seien mir aber gestattet.
Es geht in dem Stück zwar um den Zeppelin, der am 6.Mai 1937 in Lakehurst bei der Landung in Flammen aufging. Der Grund dafür konnte ja nie wirklich geklärt werden, was am Ende des Musicals in verschiedenen Kommentaren auch widergespiegelt wird. War es ein Blitz, ein Schuss, ein Attentat – man weiß es nicht. Gerüchte eines blinden Passagiers werden während der Handlung eingestreut. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Leben des Grafen Zeppelin.
Die Handlung springt vor und zurück, beginnend mit dem Jungen Ferdinand Zeppelin, der eine Tuchfabrik erben soll, die er dann doch nicht erbt. Militärausbildung, Bürgerkrieg in Amerika, Heirat – dazwischen Einblendungen von Überfahrten nach Amerika mit dem Zeppelin inklusive Unterhaltungsprogrogramm an Bord der Riesenzigarre. Dann wieder zurück in das Leben des Grafen, wieder nach vorn – es ist ein einziges Durcheinander, welches nur zu verstehen ist durch Texteinblendungen oberhalb der Bühne, was denn jetzt in den nächsten Minuten zu sehen ist.
Cut! Vorhang! Königshof mit Karl I. von Württenberg, der als Tunte auftriftt, was er nach meiner Recherche auch war. Cut! Vorhang! Varietee in Berlin. Cut! Graf Zeppelin heiratet. Cut! Bühnenüberschrift, was die nächste Szene zeigt, und so geht es weiter und weiter, vor und zurück, mit einem Wort: Chaos.
Die Szenenübergänge wirkten unferting und planlos. Eine ordentlche Inszenierung kommt ohne ergänzende schriftliche Hinweise aus. Man muss das aus dem Fortgang der Story auf der Bühne erkennen können.
Der 2. Akt begann mit einer Ballettszene, in der für Staubsauger geworben wurde – weil ein Staubsaugervertreter an Bord der Hindenburg war, der in die USA wollte. Diese Szene war so überflüssig wie in Kropf, wir konnten nur mit dem Kopf schütteln.
Die Idee zu dem Musical, sowie die Kompositionen und die Texte, stammen von Ralph Siegel. Es heißt, er habe sein Privatvermögen für diese Produktion belastet. Es war sein Traum, ein Musical auf die Bühne zu bringen. 5 Jahre hätte er an dem Projekt gearbeitet. Das Buch schrieb Hans Dieter Schreeb. Die Regie lag bei Benjamin Sahler. Wer von den Dreien jetzt die Idee von Vor- und Rückgriffen hatte, wissen wir nicht. Nach unserer Meinung ist das gründlich danebengegangen – und da waren wir 4 uns einig. Die Musik enthält einige Ohrwürmer, die Texte sind in Teilen flach, ein Beispiel: Oh Ferdinand, gib mir deine Hand!
Für die Inszenierung konnten einige in der Musicalszene bekannte Namen angeworben werden: Patrick Stanke, Uwe Kröger, Mathias Edenborn und Kevin Tarte. Die Protagonisten agieren und singen toll, herrausragend Kevin Tarte. Außerdem stand Sigmar Solbach auf der Bühne, bekannt aus diversen Fernsehrollen, mit seiner markanten und kräftigen Stimme.
Fazit: Es scheint, als wollten Ralph Siegel oder Hans Dieter Streeb in dieses Musical alles hineinpacken, was die Geschichte hergibt, angefangen im jungen Knabenalter von Ferdinand Graf von Zeppelin bis zu seinem Tod 1917, die Zeppelinaera, Rücksckläge bei der Konstruktion, Ballettauftritte und die Nixe im Cocktailglas in einschlägigen Cabarets während des 3. Reiches, Liebschaften, Eifersuchtsdramen, Judenhass – und schließlich das spektakuläre Ende. Kaum was davon bringt die Geschichte auf der Bühne voran, vieles ist verzichtbar und man fragt sich: Was soll das jetzt? Und wie weiter oben erwähnt – ohne die Textüberschriften bliebe vieles im Dunkeln.
Am Ende der Vorstellung gab es standing ovations. Wir hätten nicht große Lust gehabt, uns dem nicht anzuschließen. Aber wir wollten dann ja auch sehen, was auf der Bühne noch passiert. Unser Freund Thomas hat 50 Personen beim Schlussapplaus gezählt, die auf der Bühne den Dank des Publikums entgegennahmen. Man hat da wirklich aus dem Vollen geschöpft, wie auch viele Theaterideen in das Stück hineingestopft wurden, weniger wäre mehr gewesen – Theater, Theater, gesungen von Katja Epstein und komponiert von ….. Ralph Siegel. Er selbst erschien auch auf der Bühne um den Beifall entgegenzunehmen. Üblich ist das eigentlich nur bei der Uraufführung bzw. bei Premieren.
Zeppelin war das 40. Musical, welches ich mit meinem Schatz zusammen gesehen habe, also ein kleines Jubiläum.
Nach der Vorstellung löschten wir unseren Durst an der Bar mit einer Schorle, serviert in stilvollen Gläsen. Wie wir da so standen und schlürften, wurde der Meister in einem Rollstuhl herangeschoben und direkt neben uns platziert. Fans konnten sich mit Ralph Siegel fotografieren und sich ein Autogramm von ihm geben lassen. Na ja, wer’s braucht!