Auf den Spuren des Schiffbaus

Fast direkt vor unserer Haustür liegt der Menzerwerftplatz, bei den Einwohnern der kleinen Stadt an der Elbe auch „Roter Platz“ genannt – wegen seines roten Belages. Bis Anfang der 80er Jahre wurde dort tatsächlich Schiffbau betrieben. Binnenschiffe wurden dort gebaut, vielleicht früher auch mal kleine Kümos. Zu der Zeit, als die Schiffbauplatten noch mit Nieten zusammengefügt wurden, muss das Geräusch der Niethammer in grossen Teilen von Geesthacht zu hören gewesen sein. Ich kenne das noch aus Travemünde. Dort gab es die Schlichtingwerft, auf der Seeschiffe gebaut wurden.

Das ehemalige Werftgelände wurde nach dem Konkurs der Menzerwerft eingeebnet und flussseitig mit einem Anleger versehen. Wenn man den Platz über die Hafenbrücke erreicht, sieht man rechts die auffälligen Reste einer Anlage, auf der Schiffe zu Wasser gelassen oder zwecks Reparatur an Land geholt wurden. Bis vor kurzem war für mich dies das einzige Relikt, welches man wohl zwecks Erinnerung an die ehemalige Werft nicht entfernt hat.

Abseits meines üblichen Weges, den ich bei Spaziergängen an der Elbe benutze, entdeckte ich jetzt weitere Überreste der Menzerwerft: Mehrere Betonbahnen, die ins Wasser führen und früher mit Schienen versehen waren. Sie dienten wohl auch dem Zweck, Neubauten dem nassen Element zu übergeben. In den Jahren seit der Aufgabe der Werft wachsen zwischen den Bahnen Gräser, Büsche und kleine Bäume. Das ganze sieht recht idyllisch aus, erzeugte in mir aber auch einen Hauch von Wehmut. Alles, was mit Wasser und Schiffen zu tun hat, lässt mich einfach nicht kalt.

Als ich auf einer der Bahnen zum Wasser hinunterging um ein Foto von den Schienen zu machen, die noch aus dem Wasser ragen und sich noch unter Wasser befinden, überkam mich ein merkwürdiges Kribbeln. War es Einbildung oder war es der Geist von vielleicht hunderten von Schiffen, die auf diesen Bahnen ins Wasser glitten? Für viele Menschen mag der Anblick dieser Reste einfach nur Technik sein, Reste, Schrott. Sie fühlen nichts, wenn sie mal so eine Betonbahn betreten um ins Wasser schauen zu können. Sie wissen womöglich gar nicht, welchem Zweck sie dienten. Man mag mich vielleicht für ein wenig spinnert halten, aber ich bin nun mal bei einigen Dingen sehr sensibel.

Heute dient der Menzerwerftplatz, der Rote Platz, als Veranstaltungsfläche. Es gibt einen Beachclub, Tischtennisplatten, ein Beachvolleyballplatz und jetzt wird auch noch ein Pacour für Mountainbikes gebaut. Manchmal, wenn dort Musikveranstaltungen stattfinden, wird es im Elbe-Penthouse recht laut. Die Niethammer wurden von Musikbeschallung abgelöst.

Das Schwarzweissfoto habe ich von einer Infotafel abfotografiert. In etwa der Mitte des Fotos ist deutlich ein in Bau befindliches Binnenschiff zu erkennen, welches quer zum Wasser auf den Betonbahnen liegt.

Es ist Zufall, dass ich gerade heute, am Tag der Arbeit, über eine Werft schreibe, waren doch die Werftarbeiter sicherlich Teilnehmer an einer 1.-Mai-Demo.

4 Gedanken zu „Auf den Spuren des Schiffbaus

  1. Ina

    das ist ja spannend! das möchte ich mir auch mal anschauen, habe ich bisher noch nicht gefunden. liegt das auf dem stück, wo sich die schiffe sammeln zur schleuseneinfahrt? oder bin ich da total falsch?
    liebe grüße!

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    1. Hans-Georg

      Moin Ina!
      Das ist direkt gegenüber dem Platz, wo die Aurora immer liegt. Schau mal bei GoogleMaps die Satellitenansicht an, da sind die alten Betonbahnen zu sehen.

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  2. Gerrit

    Tolle Fotos – ich liebe Lost Places Fotografie.

    Für einer meiner nächsten Hamburg-Trips habe ich mir mal wieder die Ruine der Hochbahnstation Beimoor auf die Liste gesetzt. Die erste Fotoserie, die ich vor sieben oder acht Jahren dort geschossen habe, war mit so einer vollautomatischen Kleinkamera – das Ergebnis war entsprechend langweilig. Diesmal nehme ich meine Spiegelreflexkamera mit, da werden die Bilder garantiert besser.

    Ansonsten will ich mich generell mal schlau machen, welche anderen Lost Places in und um Hamburg besonders tolle Motive bergen. Der Schellfischtunnel würde mich auf jeden Fall mal interessieren.

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    1. Hans-Georg

      Ich habe diesen Platz eher zufällig entdeckt. Und ich denke, dass viele Einheimische gar nicht wissen, dass es da noch die Reste einer Werft gibt.

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