Beim Herrenausstatter


Ein grosses Ereignis wirft seinen Schatten voraus: Sohnemann heiratet und wir müssen uns dem Anlass entsprechend neu einkleiden. Warum grosse Ereignisse Schatten werfen, wenn die Ereignisse so positiv sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Der einzige Schatten ist das Geldausgeben für die neu zu erwerbende Kledage. Aber das sehen wir nicht als Schatten. Erstens waren eh neue Ausstattungsstücke notwendig und zweitens will man ja eine gute Figur machen.

Herrenausstatter, das Wort hat so einen teuren Anflug. Man stellt sich ein kleines gediegenes Geschäft vor in dem beanzugte Männer dem Käufer diverse Möglichkeiten anbieten während die Begleitung, auf einem Polsterstuhl sitzend, dem Treiben zuschaut und ab und zu die Meinung kundtut. Wenn man Glück hat, bekommt man noch ein Tässchen Kaffee oder ein Glas Wasser angeboten. Am Ende des Einkaufs bekommt Mann dann die saftige Rechnung präsentiert.

Dass es auch anders geht haben wir heute erlebt. Ich sag nur Policke! Von Policke habe ich schon viel gehört. Ich wollte schon immer mal dorthin. Bislang hatte ich es nur geschafft, dort mal vorbeizugehen, wobei ich mir gedacht hatte, dass ich nicht wirklich wüsste, ob ich das Geschäft jemals betreten möchte. Überzeugt hatte uns letztlich ein Nachbar, der von Policke erzählte und wie es da zugeht.

Die Firma Policke residiert in einem mehrgeschossigen Altbau im Stadteil St. Georg. Firmenparkplätze? Was ist das denn? Deshalb machten wir uns heute morgen recht früh auf den Weg in die grosse Stadt. Erstens gibt es dann noch Parkpläte und zweitens ist es dann noch nicht so voll im Geschäft und die VerkäuferInnen haben Zeit und sind ob der vielen Kunden noch nicht genervt.

Im kleinen Eingangsbereich wurde unsere Konfektionsgrösse taxiert. Bernd wurde in die 2. Etage geordert, ich sollte mich gleich unten neu einkleiden. Da wir zusammen aussuchen wollten, ging ich mit Bernd in die 2. Etage. Wobei „gehen“ bzw. treppensteigen der richtige Ausdruck ist, es gibt nämlich keinen Lift. Am Ziel angekommen wurde Bernd probeweise in Sakko verpasst, was aber nicht passte, wir mussten über die mit Linoleum belegten Treppen noch eine Etage höher.

Dort wurden wir von einer freundlichen Dame empfangen, die nach Bernds Wünschen fragte. Mittels eines Hakens am Stock hangelte sie aus der obersten Lage einen Anzug heraus. Sakko anpassen – nee, hier spannt es. Ein anderes Modell – jo, passt besser. Noch ein Sakko – ja das ist perfekt. Dann die Hose dazu – nee, geht nicht. Zum Glück gibt es das Bauchkastensystem, d.h. man kann für einen Anzug verschiedene Konfektionsgrössen für Sakko und Hose kombinieren – was von Vorteil ist, wenn Mann eben keine perfekte Konfektionsgrössenfigur hat. Schliesslich stand mein Mann vor mir, perfekt, nur die Ärmel müssen etwas gekürzt werden, dafür werden die Hosenbeine länger gemacht. Jetzt musste noch ein Sakko und eine Hose zum kombinieren ausgesucht werden. Auch das lief reibungslos ab. Auch bei diesem Sakko müssen die Ärmel gekürzt werden, die Hose passt. Ab zur Kasse. Fertig.

Nun war ich an der Reihe. Die schmalen Stiegen wieder nach unten. Ich bekam einen Verkäufer zugewiesen, der nach meinen Wünschen fragte. Ein Anzug sollte es sein. Ich schaute mich um und zeigte auf einen. Das erste Sakko war zu weit, das zweite zu eng, das dritte war ok. Auch ich bekam das Bauchkastensystem verpasst und eine dementsprechend passende Hose. Ärmel und Hose müssen gekürzt werden. Mit Aussuchen und Anprobe hat das maximal ca. 30 Minuten gedauert. Auch ich brauchte noch ein Sakko und eine Hose zum kombinieren. Damit war ich auch recht flott durch.

Jetzt brauchten wir noch passende Hemden und Krawatten. Der Hemdenladen von Policke befindet sich im Haus nebenan. Unsere Anzüge durften wir mitnehmen damit wir passende Hemden dazu bekommen. Uns wurde der Hals vermessen, die Figur wurde taxiert. Dann mussten wir uns mitten im Laden obenrum freimachen und ein ensprechendes Probehemd anziehen. Tja, passt. Die Verkäuferin brachte jedem von uns einen Stapel Hemden verschiedener Farben und Designs. Während wir noch überlegten, welche Hemden wir nehmen sollen, kam sie zurück mit einem Arm voller Krawatten. Die Endauswahl war dann auch recht einfach. Kasse fertig.

Policke hat auch eine Hochzeitsabteilung, die heute recht gut besucht war.

Nach 1-3/4 Stunden hatten wir 2 Anzüge, 2 Sakkos, 2 Hosen, 5 Hemden und 4 Krawatten gekauft. Schneller geht das wohl kaum.

Fazit: Das Personal ist freundlich und kompetent. Die Auswahl ist riesig. Und dass es dort nicht so aussieht, wie man sich einen Herrenausstatter vorstellt, spielt gar keine Rolle, auch dass es für die Begleitung keinen Stuhl und nicht mal ein Glas Wasser gibt. Die Umkleidekabinen sind recht eng. Direkt über meinem Kopf hing eine Reihe Sakkos. Auch das ist nebensächlich. Die Wände der vielen Verkaufsräume sind jeweils mit zwei übereinanderliegenden Reihen mit Anzügen, Sakkos oder Hosen bestückt. Selbst in den engen Fluren hängen Kleidungsstücke von der Decke. Wenn ich mal einen frechen Ausdruck benutzen darf: Policke ist der Aldi der Herrenausstatter – was die Geschäftsausstattung betrifft. Aber das ist wohl auch in Grund, weshalb man recht preisgünstig einkaufen kann.

Policke – jederzeit wieder!

Freundlicherweise wurden mit ein paar Fotos gestattet.

9 Gedanken zu „Beim Herrenausstatter

  1. Thommen

    Irgendwo habe ich gelesen, dass die Länge von Beziehungen und Karrieren in einem umgekehrten Verhältnis zur Ausstattung der Einweihungsfeiern stehen würden…

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  2. Frau Momo

    Die Bilder sind ja ganz nett, aber ich hatte jetzt wenigstens mal ein Bild von Euch beiden in neuer Kledage erwartet :-).
    Ich kannte den Laden bisher nicht, aber meinen Gatten krieg ich eh nicht zum Herrenausstatter und Anzug trägt er nur unter Androhung der Todesstrafe. Bei unserer Hochzeit wurde er das letzte Mal in einem solchen Möbel gesichtet.

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  3. Anne

    bei policke haben sich schon vor 30 jahren meine kollegen von hein gas eingekleidet lach
    die waren auch immer ganz begeistert.

    aber nun will ich euch auch in eurem neuen outfit sehen!
    wir machen dann zur nächsten blauen stunde eine session auf der brücke – kommt bestimmt gut!
    schönen sonntag, euch beiden
    die vom wald

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  4. Hans-Georg

    @CeKaDo:
    Sakko und Hose für je knapp 80 Euro, Anzug für knapp 250 Euro bekommt man womöglich woanders auch. Die Frage ist, ob es eine gute Qualität ist und ob man so einen guten Service bekommt. Bei einem Herrenausstatter, wie man sich ihn eigentlich so vorstellt, bezahlt man ganz sicher mehr.
    @Frau Momo und Anne:
    Da die Anzüge noch einer Änderung bedürfen, wird das mit der Fotosession noch nichts. In 2 Wochen ist Hochzeit, dann wird es sicher Fotos von uns geben.

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  5. Billigflüge

    Danke für den guten Tip. Ich werde im Sommer nächsten Jahres heiraten. Mein Mann muss sich deshalb natürlich auch einen Anzug kaufen. Wir werden bestimmt auch bei diesem Herrenausstatter vorbeischauen. Würde mich über Fotos freuen.

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  6. Andre

    So macht einkaufen richtig Spaß.
    Man tritt ein und schon ist ein freundlicher Verkäufer mit Scannerblick da, fragt nach dem Anlaß und zack hat man auch schon den richtigen Anzug in der richtigen Größe in der Hand.
    Anprobieren, bezahlen und fertig.
    Eine Tür weiter wieder rein um noch fix ein Hemd und eine Krawatte dazu aussuchen.
    Das ist so genial man könnte glatt gleich noch mal reingehen.
    Der ganze Einkauf dauerte gerade mal 20 männerfreundliche Minuten.
    Ich kann nur sagen probiert es selber aus und Ihr werdet begeistert sein.
    Für mich heißt das einmal Policke immer Policke.

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