God Save The King!


Ein Tag wie für mich gemacht: Schatz muss arbeiten, dass Wetter ist nicht terrassengeeignet und in London werden Charles und Camilla gekrönt – und ich kann stundenlang vor dem Fernseher sitzen und mir das Spektakel anschauen.

Ich habe mir das auf BBC angeschaut. Das Gelaber bei früheren royalen Übertragungen auf deutschen Sendern ging mir immer ziemlich auf den Keks. Was die Damen und Herren bei BBC erzählt haben, konnte ich zwar nicht alles verstehen, aber das ist nicht immer schlecht. Elphie gefiel es wohl nicht, dass ich auch mal was im Fernsehen anschauen wollte.

Während die geladenen Gäste in der Kirche eintrudelten, wurde zu deren Erbauung musiziert. Tolle Chormusik und Orchesterstücke, u.a. der Jupiter aus der Orchestersuite Die Planeten von Gustav Holst. Es sangen Tenöre und die Sopranistin Pretty Jende.

Charles sah zeitweise etwas unglücklich aus, wobei, unglücklich ist vielleicht nicht das richtige Wort. Oder war er genervt von dem Rummel? Camilla wirkte viel lockerer, auch trug sie die Krone mit aufrechter Haltung während Charles eher gebeugt stand. Nun, so eine Krone wiegt schwer und die ganzen Gewänder, die er tragen musste, lasteten sicher auch schwer auf seinen Schultern.

Der König musste zwei Unterschriften leisten. Es könnte sein, dass der Füller wieder gekleckst hat. Bei der ersten Urkunde sah ich einen dicken schwarzen Punkt. Vielleicht hab ich mich auch geirrt. Jedenfalls hat er nicht so unwirsch reagiert wie bei seiner Proklamation zum König.

Nachdem Charles die Krone auf dem Haupt hatte und Zepter und Reichsapfel in den Händen hielt, wurde Camilla gekrönt. Die Zeremonie war viel einfacher. Dafür wurde sie mit einer grandiosen Krönungshymne entschädigt, die eigens zu diesem Anlass von Andrew Lloyd Webber komponiert wurde. Der Komponist zählte auch zu den geladenen Gästen.

Nach der Prozession von Westminster Abbey zum Buckingham Palast wurden die beteiligten Truppen im Garten des Palastes aufgestellt. Ich weiss nicht, wieviele Menschen dort Aufstellung bezogen hatten, die Rede ist von mehreren Tausend. Dort wurde dem König mit einem dreifachen „Hip Hip Hooray“ gehuldigt als dieser und Camilla in vollem Krönungsornat auf die Veranda traten. Das war ein sehr beeindruckender und bewegender Moment, ich bekam tatsächlich leicht feuchte Augen.

Später, auf dem Balkon des Palastes, wo das Königspaar die Huldigungen des Volkes entgegennahm, wirkte Charles endlich viel lockerer. Vielleicht konnte er inzwischen seine Blase entleeren, seinen Hunger mit etwas Fingerfood stillen und dazu vielleicht ein Glas Champagner trinken.

Wenn ich das in den englischen Kommentaren richtig verstanden habe, wird Camilla jetzt auch als Queen genannt und nicht mehr „nur“ Queen Consort.

In London hat es geregnet. Mir tun die vielen Soldaten leid, die jetzt ihre Waffen ordentlich reinigen und ölen müssen damit sie keinen Rost ansetzen. Auch die Uniformen und Musikinstrumente bedürfen sicherlich eingehender Pflege.

Vor der Zeremonie sendete BBC ein Interview mit Erzbischof Welby, der die Krönung vollzog. Der Kirchenmann machte auf mich einen sehr sympathischen und lockeren Eindruck. Er wurde auch nach der Zeremonie gefragt und wie die Krone sich handhaben lässt. Seine grösste Sorge war, dass er sich richtig herum aufsetzt und alle Juwelen zur richtigen Seite zeigen. Als er für die Krönung das Ding in die Hand nahm, war ganz deutlich zu erkennen, dass er sehr genau hinschaute.

Nun haben wir das also auch überstanden. Grosse royale Hochzeiten sind nicht mehr zu erwarten. Des Königs Enkelkinder sind noch nicht in einem entsprechenden Alter.

19 Gedanken zu „God Save The King!

  1. • DS •

    Mich würde interessieren, was von all dem, was uns die ganzen Adelsexperten und -expertinnen heute in ihren Kommentaren zur „Familie Windsor“ als Fakten verkauft haben, wirklich stimmt. Mein Tipp: Nicht einmal die Hälfte.

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    1. Hans-Georg

      Um mir das Gerede von den „Experten“ nicht anhören zu müssen, schau ich das ja auf BBC. Wie ich schon schrieb, ich krieg zwar nicht alles mit, auf englisch bin ich ein Fachidiot auf die Schifffahrt bezogen, aber ich vermute, dass bei der BBC mehr Fakten zu hören sind.

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      1. Heike

        Mein Mann hatte am 6. Mai 50. Geburtstag und statt großer Party (alle hatten schon andere Pläne) wurde es nun also ein Lunch mit 8 Gästen, dafür dekadent mit Unmengen an Spargel und später Kaffee und Kuchen. Im Fernsehzimmer lief die Krönung, im Esszimmer war gedeckt wie bei Königs, draußen konnte man am Teich sitzen, es war eine Geburtstagsfeier mit Bonus und die Gäste blieben laaaaange. Es ist und war nunmal ein Jahrhundert Ereignis.

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          1. Heike

            Ich habe so viele royale Hochzeiten, Feierlichkeiten in meinem Leben gesehen, ich denke das werde ich nicht nochmal erleben, inklusive der Trauerfeiern. Es ist halt Zufall, wann man geboren wurde. Also das beste draus machen und das eigene Leben (mit)zelebrieren… wir waren mit einigen der Gäste mehrfach in uk, im Urlaub, insofern auch Erinnerungen pur. Und das zählt im Leben.

          2. Hans-Georg

            Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es so eine „üppige“ Krönung noch mal geben wird. Die Zeremonie selbst ist wohl so, wie wir sie gesehen haben, immerhin ist der König auch das Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Aber die Parade zur Westminster Abbey und zurück wird vermutlich kleiner ausfallen.

  2. Frau Momo

    Ich gestehe, dass wir auch das geguckt haben. Nicht ohne uns dauernd über dies und jenes lustig zu machen. Die Sopranistin hatte eine Wahnsinns-Stimme.
    Das am Rande friedliche Demonstranten verhaftet hat, wirft allerdings kein gutes Licht auf die britische Politik und Polizei

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    1. Hans-Georg

      Pretty Jende hat auch kürzlich in der Hamburgischen Staatsoper gesungen. Ich bin auf sie aufmerksam geworden bei der Übertragung des Neujahrskonzerts 2022 aus dem Teatro La Fenice in Venedig.
      Von Demos habe ich nichts mitbekommen bei BBC. Ich schau mir auch keine „Nachbereitung“ der Veranstaltung on, wo sowas vielleicht erwähnt wird.

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      1. Frau Momo

        Wir haben ARD geguckt und das Geschwafel war durchaus erträglich. Der Umgang mit friedlichen Demonstranten hat aber doch befremdet. Die BBC steht ja inzwischen auch mächtig unter Druck. Die Regierung hat nicht nur Polizeigesetze verschärft, sondern will auch die BBC zu mehr Staatsnähe zwingen. Scheint ja zu funktionieren, wenn darüber nicht berichtet wurde.

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        1. Hans-Georg

          Na ja, was will man machen wenn vom Einzug der Gäste in die Westminster Abbey bis zum Verlassen des Balkons ununterbrochen die Coronation gezeigt wird. Man hätte die Sendung für eine Sondermeldung unterbrechen müssen.

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  3. Der Wilhelm

    Ja, Pretty Yende hat mir auch wirklich gut gefallen – genau wie der Barriton, der direkt vor Beginn der Krönung singen durfte… (weisst Du, wie der heisst?)

    Ansonsten, meine Liebste schrieb es schon, war das Geschehen durchaus für einige etwas abseitige Überlegungen gut – vor allem in der Szene, wo Charles III plötzlich im Hemde dastand und dann das weisse Nachthemd und den güldenen „Bademantel“ angezogen bekam. Da hatte ich dann tatsächlich Assoziationen an einige abendliche Pflegesituationen bei älteren Herren, die rein optisch betrachtet durchaus ähnlich abliefen – Gang zum Porzellanstudio inklusive….. (was Ch. vorher in dem Kabuff aus Stellwänden gemacht hat ????)

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    1. Hans-Georg

      Ja, das war schon merkwürdig, Charles im Hemd zu sehen. Hinter den Stellwänden wurde Charles gesalbt. Er ist ja auch das Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Es sollte durch die Stellwände eine „intime“ Situation erzeugt werden, also nur er und Gott, und natürich der Erzbischof, der wohl die Salbung vornahm.
      Nein, ich weiss nicht, wie der Bariton heisst. Die Namen und Musiktitel wurden zwar kurz eingeblendet, aber so schnell konnte man gar nicht gucken. Von der Sopranistin hatte ich schon vorher gelesen, dass sie auftreten wird.

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    2. Trulla

      Der Bariton war Sir Roderick Williams, der Bassbariton Sir Bryn Terfel.

      Diese ganze Umkleideaktion hatte für mich etwas absolut Lächerliches. Charles selbst schien sich auch sehr unbehaglich zu fühlen, vor aller Augen im Hemde und – wenngleich güldenen Morgenmantel – wirkte wie Ausgeliefertsein.

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      1. Hans-Georg

        Ich habe mich während der Zeremonie ab und zu gefragt, wie Lissy das über sich ergehen lassen hat. Ich glaube, sie hat das stoisch ertragen, ohne eine Mine zu verziehen, wie sie auch ihre gesamte Regentschaft ertragen hat. Sie war dazu bestimmt und sie hat es gemacht. Punkt! Charles wirkt menschlicher. Vielleicht wäre er gern mal aus sich herausgekommen und hätte die Augen verdreht oder sonstwas gemacht. Aber in der Weltöffentlichkeit konnte er das nicht tun.

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  4. Trulla

    Ich habe auch geschaut und bin fasziniert von der „Verstaubtheit“ des Geschehens. Im Grunde ist es ja ein Tag der Kirche und des Militärs gewesen! Wenn auch mit der Hauptrolle des „King“ (and Queen). Zu sagen hat er nichts, dennoch kann er bescheidene Möglichkeiten nutzen dort, wo sein Öko- usw. herz schlägt.
    Charles machte auf mich einen angeschlagenen Eindruck, wogegen Camilla frisch wirkte.
    Da mein Herz immer für Kinder schlägt, fand ich deren Verhalten in dieser extremen Situation bewundernswert.
    Harry war anwesend und das war gut so.
    Solche Ereignisse sind – neben der historischen Dimension – ein Fest fürs Auge und für mich als Augenmensch daher interessant
    Egal, wie man zur Monarchie steht, es gibt sie noch und wir kennen deren Vertreter und deren Geschichte/n. Durch ihr Verhalten beeinflussen sie die Gesellschaft. Allein deshalb sind sie schon noch von Wichtigkeit.

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    1. Hans-Georg

      Durch die lange Regentschaft von Elizabeth ist diese Krönung wohl für viele Menschen eine einmalige Gelegenheit gewesen, sowas zu erleben. Charles ist 74, der älteste je gekrönte König. Päpste und Royals werden ja meistens sehr alt, sie werden wohl gut gepflegt und versorgt, manche vielleicht auch eher „am Leben erhalten“. Ich bin ein wenig jünger als Charles. Vermutlich werde ich eine weitere Krönung nicht erleben. Insofern war es für mich gut, dass ich das mal sehen durfte.
      Für mich war es eher ein kirchlicher als ein militärischer Akt. Das Militär habe ich in den bunten Uniformen eher als Beiwerk und als Füllsel wahrgenommen.

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  5. Trulla

    Ach ja, Hans-Georg, das wollen wir doch mal hoffen für King Charles, dass wir die Krönung seines Nachfolgers in UK nicht mehr erleben. Obwohl… es ist nicht gänzlich ausgeschlossen.

    Für mich als zwar nicht religiösen, aber immer um Toleranz bemühten Menschen war es eine schöne Geste des Königs, die Vertreter der Weltreligionen eingeladen zu haben. Was ich auch buche unter „eigene Akzente“ setzen.

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