Zimmer frei!

Gestern besuchte ich meine Mutter im Seniorenheim. Ich hatte ihre Lieblingspflanze für die Weihnachtszeit mitgebracht, eine Amaryllis. Bei den Dingern kann man ja zusehen, wie sie minütlich wachsen. Und die Blüten sind ja enorm.

Auf der Fensterbank musste ich ein wenig neu arrangieren um Platz zu schaffen. Und wie ich da so am Fenster stand, sah ich draußen 2 Herren, die ein Gestell schoben, auf dem ein blauer Sack mit Reißverschluss lag. Erst beim zweiten Gedanken wußte ich, was da geschoben wurde und dann entdeckte ich auch den schwarzen Wagen von „Pietät und Takt“.

Erst wollte ich meine Mutter zum Fenter rufen, sie soll sich doch mal anschauen, wie sie eines Tages hier abgeholt wird. Ich hab das dann lieber gelassen und ihr gar nichts von dem erzählt, was ich da draußen gesehen habe. Muss ja nicht sein.

Ich dachte immer, dass die Verstorbenen in einer Nacht- und Nebelaktion aus Seniorenheimen abgeholt werden. Das war hier nicht der Fall. Jeder, der zufällig am Fenster stand, hätte das beobachten können. Ebenso die Personen, die sich zufällig im Eingangsbereich aufgehalten hätten.

Im Heim gibt es gerade einen unangenehmen Virus (Magen und Darm). An einigen Zimmertüren ist ein Hinweis angebracht, dass man den Raum nur nach vorheriger Anmeldung beim Personal betreten darf. Dann wird man vermutlich in einen Einwegkittel gesteckt, bekommt einen Mundschutz und Handschuhe. Wenn die besagte Person von einer ansteckenden Krankheit befallen war, war es wohl besser, sie so schnell wie möglich abholen zu lassen. Ein weiterer Grund wäre, dass sie in einem 2-Bettzimmer wohnte. Da kann man dem anderen Bewohner ja wohl nicht zumuten, bis zum Dunkelwerden mit einer Leicher zusammen im Zimmer zu sein.

Ein wenig befremdlich war es schon, die Aktion zu beobachten. Angehörige waren auch nicht dabei.

7 Gedanken zu „Zimmer frei!

  1. Elke

    Hast Du gut gemacht, dass Du Deine Mutter nicht darauf hingewiesen hast. Sie weiss mit Sicherheit inzwischen selbst schon, wie in ihrem neuen Zuhause “der Hase läuft“. Und die Bezeichnung “Pietät & Takt“ habe ich bestimmt schon seit 20 Jahren nicht mehr gehört 😉. Meine Mutter erzählte manchmal einen Witz, in dem der Herr von P.&T. die Hauptrolle spielte. Ist Deine Mutter denn grundsätzlich dort zufrieden, wo sie jetzt lebt? Die beste Freundin meiner verstorbenen Mutter lebt ja nun auch seit einigen Wochen in einem Kölner Seniorenheim und verzweifelt, weil sie aufgrund ihres körperlichen Zustands nichts dran ändern kann. LG Elke

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    1. Hans-Georg

      Meine Mutter fühlt sich wohl und hadert nicht mit ihrem Schicksal. Sie bedauert nur, dass sie nicht mit allen Bewohnern kommunizieren kann weil die ja zum Teil aufgrund von Erkrankungen bzw. auch, weil sie kein Interesse haben, sich nicht unterhalten können oder wollen. Und doch sind ja ständig Menschen um sie herum (Pflegepersonal, Therapeuten, Heimleitung), mit denen sie sich gut versteht und sich unterhalten kann. Es gibt kleine Veranstaltungen, Ausflüge usw. (leider im Moment alles abgesagt), an denen sie teilnimmt. Es war ihre Entscheidung, in ein Heim zu gehen weil sie selbst eingesehen hat: Ich kann nicht mehr nach Hause, ihr könnt meine Wohnung auflösen. Und sie hat dort einen Platz bekommen, wo sie, falls notwendig sein sollte, gern hinwollte.

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      1. Elke

        Dann kannst Du ja zufrieden und glücklich sein, wenn Deine Mutti es auch ist! Glückwunsch! Bei mir war das genauso. Meine Mutter war dort, wo sie ihre letzten Wochen verbracht hat, sehr zufrieden – obwohl es immer wieder Kandidaten in meinem Umfeld gibt, die es anders interpretieren. Aber mittlerweile geht mir das an besagtem Teil vorbei. LG Elke

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        1. Hans-Georg

          Wir müssen uns kein schlechtes Gewissen einreden oder das Gefühl haben, sie abgeschoben zu haben. Es ist gut so, wie es ist. Und wir sehen ja auch, wenn wir sie besuchen, dass sie zufrieden ist.
          Sie hält auf sich, will sagen Hygiene und Kleidung, und lässt sich nicht hängen, das sagt doch schon viel aus.

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  2. Danny

    Mit dem Thema Tod im Pflegeheim meiner Oma auch sehr offen umgegangen. Im Eingangsbereich gibt es an der Info-Tafel einen Bereich „Wir nehmen Abschied“. Das hat mich bei meinem ersten Aufenthalt dort irritiert. Mittlerweile finde ich es gut. Das Sterben gehört zum Leben dazu.

    Karl Marx sagte: „Alle reden über den Tod, als ob es das Schlimmste ist, was passiert. Vielleicht ist es das Beste, was uns Menschen passiert.“ Wer weiß…

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