Finger verbrannt?

Es ist sicher für diverse Bereiche gut, dass es die EU in Brüssel gibt. Das mal voraussgeschickt. Was allerdings nicht gut ist und oft ziemlich lächlerlich ist, ist der Regulierungswahn, den die EU betreibt. Wie lang und wie krumm Bananen und Gurken sein müssen, um in den Handel kommen zu dürfen, dieses Problem kennt man ja seit Jahren. Das Glühlampenthema ist eine Sache aus der jüngsten Vergangenheit, ebenso wie die Leistung von Staubsaugern oder das Abschalten der Warmhalteplatten bei Kaffeemaschinen nach einem Zeitraum X.

Irgendeiner der für den Regulierungswahn zuständigen Beamten ist wohl Hobbykoch und hat sich wohl kräftig die Finger verbrannt. Jetzt soll es nämlich den Topfhandschuhen an den Kragen gehen. Es geht beleibe nicht nur um den Topfhandschuh in gewerblichen Küchen. Dafür hätte ich ja noch ein gewisses Verständnis. Nein, auch der Topfhandschuh, den du und ich in der Küche zu benutzen pflegen, soll mit Vorschriften seitens der Ausstattung bedacht werden. Das ist in etwa so wie die Idee, Immigranten sollen in ihren eigenen 4 Wänden gefälligst Deutsch sprechen. In meiner KÜche bestimme nämlich immer noch ich, was ich dor benutze.

Der britische Handelsminister Matthew Hancock hat es erkannt, was er von der Idee mit dem regulierten Topfhandschuh hält: „Das ist meschugge!“ soll er gesagt haben.

In Brüssel is wohl so einiges meschugge. In erster Linie wohl die Tatsache, dass es dort zu viele Beamte gibt, die mit meschuggen Ideen versuchen, ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen.

3 Gedanken zu „Finger verbrannt?

  1. ossi1967

    Huch! Du hast mein Lieblingsthema entdeckt! 🙂
    Was für ein schönes Weihnachtsgeschenk. <3

    Wenn es etwas gibt, was mich mittlerweile mit höchstem Mißtrauen erfüllt, dann ist es Medienkritik an der angeblichen (!) Überregulierung durch die EU. Die war mir nämlich früher auch immer ein Dorn im Auge früher. Stichwort Gurkenkrümmung: Ich hab regelmäßig den Kopf geschüttelt drüber. Wie fad im Schädel muß einem sein, wie unterbeschäftigt kann man sein, daß einem sowas einfällt? Wer braucht das?

    Und dann hab ich irgendwann gecheckt: Hoppla! Die Geschichte mit der Gurkenkrümmung stimmt ja so gar nicht. Die ist ja von A bis Z erlogen. Da gibts offenbar politische Kräfte, die massives Interesse daran haben, die EU ins Lächerliche zu ziehen und die mangels echter Angriffspunkte irgendwelche Kaninchen wie die Gurkenkrümmung aus dem Hut Zaubern. Und dann bin ich draufgekommen, daß auch der empfundene „Regulierungswahn“ in anderen Bereichen im freundlichsten Fall als nicht ganz vollständige Information der Bevölkerung zu werten ist.

    Bleiben wir bei den Gurken, weil sie ein so gut dokumentiertes und griffiges Beispiel sind:

    Der Großteil der Bevölkerung (zumindest hier in Ö) glaubt, daß die EU vorschreibt, wie stark Gurken gekrümmt sein dürfen. Das halten die Menschen für lächerlich. So.

    Faktum 1: Es gibt diese Verordnung nicht. Sie wurde 2009 abgeschafft und existierte nur von 1988 bis 2009. (Interessantes Details am Rande: 16 der damals 27 EU-Staaten waren strikt gegen die von der Kommission geforderte Abschaffung, ebenso wie die Vertreter der Bauern sowie der Obst- und Gemüsehändler. Dieser Widerstand zeigt schon: Nur ein bedeutungsloses Papiermonster kann die Verordnung nicht gewesen sein.)

    Faktum 2: In der Verordnung war *nicht* geregelt, wie stark Gurken gekrümmt sein durften. Es waren einfach nur bestimmte Handelsklassen definiert, wie es sie ja für viele Lebensmittel gibt. Zu den Qualitätsmerkmalen der oberen Handelsklassen gehörte unter anderem eine gewisse Maximalkrümmung, was im Interesse der Händler war.

    Faktum 3: Die Verordnung wurde überhaupt nicht von der EU „erfunden“, sondern einfach nur übernommen. Ursprung war eine Handelsnorm der in Genf ansässigen UNO-Wirtschaftskommission für Europa (ECE), die z.B. für Österreich bereits 1967 (also Jahrzehnte vor unserem EU-Beitritt) in nationales Recht übernommen wurde. Treibende Kraft war damals bereits der Handel, der einfach nicht bei jeder Obst- und Gemüselieferung die Kartons einzeln öffnen und begutachten wollte. Es sollte eine klare Übereinkunft geben, daß man eben nur „Klasse I“ bestellen mußte, um Ware mit bestimmten Eigenschaften zu erhalten.

    Spätestens wie ich erfahren habe, daß es sich bei der angeblichen „EU-Gurkenkrümmungs-Verordnung“ in Wahrheit um eine UNO-Empfehlung handelt, die schon 1967 österreichisches Gesetz ist, wurde ich hellhörig. Warum hat von 1967 bis 1995 niemand jemals das Thema Gurkenkrümmung aufgegriffen (keine Zeitung, kein Kabarettist, kein Politiker)? Warum war es ab 1995 (dem Zeitpunkt unseres EU-Beitritts) in aller Munde? Die gesetzliche Regelung war ja inhaltlich exakt die gleiche geblieben, die EU hat nur wiederholt, was die ECE empfohlen hat und was auch das österreichische Parlament 1967 beschlossen hat. Ist das seriöse Kritik an einer übermäßigen Regulierung? Oder wird hier auf Theaterdonner und bewußte Desinformation gesetzt, um Brüssel gegenüber den Regionalkaisern zu schwächen?

    Daß die Regelung nicht unsinnig war, zeigt ja allein die Tatsache, daß die nationalen Umsetzungen (teilweise aus der Zeit vor dem EU-Beitritt der Länder) entweder noch bestehen oder durch die großen Handelsketten schlichtweg vertraglich erzwungen werden. Es gibt einen Bedarf nach einer einheilichen Sprache bei der Beschreibung von Qualitätsklassen… und es wäre weder dem lieferndem Landwirt noch dem Lebensmittelhändler gedient, wenn „Klasse I“ bei Rewe etwas anderes bedeuten würde als bei Edeka. Man hat die „Gurkenkrümmungsverordnung“ 2009 geopfert auf dem Altar des Populismus, um „Bürokratieabbau“ zu signalisieren. (Das war tatsächlich das Motiv. ) Die schlechteste Art von Politik.

    Tja, und wie ich das Beispiel Gurkenkrümmung dann mal verdaut hatte (was ein kleines bißchen an meiner Weltanschauung gerüttelt hat), hab ich andere populäre „Bürokratisierungsthemen“ aus den Medien lieber mal genauer erforscht, statt mich unnötig drüber aufzuregen. Bei den Glühlampen z.B. geht das Verbot um die Welt, die großen Volkswirtschaften (Europa, USA, China, Australien,…) springen auf den Zug auf. Aber uns hier wird weisgemacht, die Glühbirne sei nur in Brüssel in Ungnade gefallen, weil den Bürokraten langweilig war.

    Jeder hat vor dem Glühbirnenverbot ganz selbstverständlich gewußt, daß dieses Leuchtmittel aus dem 19. jahrhundert veraltet ist und eine Verschwendung von 95% der eingesetzten Energie eigentlich untragbar ist im 21. Jahrhundert. Erst durch den gesetzlichen Eingriff in den Markt wurden Alternativen wie LED-Lampen erschwinglich; früher mußte ich mich mit diesen entsetzlichen „Energiesparlampen“ herumquälen, wenn ich eine Alternative zur leuchtenden Raumheizung gesucht habe. Gut fürs Umweltgewissen, schlimm fürs Auge. Nur haben jetzt alle ehemaligen Glühbirnen-Feinde die Seiten gewechselt und finden es aus Prinzip böse, daß ihnen ihr Reibebaum genommen wurde. Offenbar machts keinen Spaß mehr, Energie zu sparen, wenns eh alle tun.

    Was Staubsauger, Kaffeeplatten etc. etc. angeht… Tja, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Wenn die EU-Staaten sich in schicken Hotels zu gemeinsamen Klimaschutz- und Energiespar-Zielen verpflichten, dann sind die Medien voll des Jubels und kritisieren höchstens, daß zu wenig vereinbart wurde und so fortgeschrittene Industriestaaten sich doch noch ehrgeizigere Ziele setzen könnten. Wenns dann um die konkrete Umsetzung geht, reagieren die gleichen Journalsten verständnislos darauf, daß der Energieverbrauch nicht einfach durch den Grundsatzbeschluß von selbst gesunken ist. Da müssen tatsächlich Maßnahmen getroffen werden, viele kleine, die in einem Markt von über 500 Millionen Menschen in Summe eine Einsparung ergeben. Plötzlich hängt das Herz der Boulevardzeitungen daran, daß die Warmhalteplatten der Filterkaffeemaschinen in europäischen Büros auch über Nacht durchheizen.

    Ich jedenfalls bin mittlerweile *sehr* vorsichtig, wenn heute so vordergründig Kritik an der „Bürokratie in Brüssel“ geäußert wird. Sehr vorsichtig. Auch wenn mich Topflappen nicht betreffen (ich habe mein Leben lang noch nie einen besessen): Mich würden eher die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte interessieren als der inhalt einer solchen Verordnung. Seltsamerweise hält das keine Zeitung für berichtenswert.

    Ein lesenswerter Artikel zur angeblichen Bürokratie in Brüssel findet sich hier:

    http://folio.nzz.ch/1992/oktober/die-gurkennorm-und-ihre-hintermanner

    Er ist zwar uralt (1992), hat aber von seiner Gültigkeit nichts verloren. Einige meiner Lieblingsstellen:

    „So gut wie immer kommen die Vorschläge der EG-Kommission nicht aus dem hohlen Bauch eines Beamten, sondern werden in den Mitgliedstaaten angeregt, wo Interessengruppen und Direktbetroffene aktiv sind: die Fischer an der Nordseeküste, die Whiskyhersteller aus Grossbritannien, die deutschen Bierbrauer, die französischen Winzer, die luxemburgischen Banken, die italienischen Spaghettifabrikanten oder die spanischen Sherrybarone. Und jedermann weiss, wie wichtig die Wählerstimmen und wie mächtig die Lobbyisten geworden sind.“

    „«Brüssel steht oft unter dem Zwang, nationalen Regelungsperfektionismus noch weiter zu perfektionieren und so gemeinschaftsweit kompatibel zu machen», sagt Reinhard Büscher aus dem Kabinett des deutschen Kommissars Martin Bangemann und verweist damit auf den Wettstreit zwischen den nationalen und den EG-Behörden, der so alt ist wie die Gemeinschaft selbst. Beispiel dafür ist etwa der «Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über hinter dem Führersitz montierte Umsturzvorrichtungen mit zwei Pfosten für Schmalspurzugmaschinen mit Luftbereifung» – zu deutsch: die Vorschrift für Sturzbügel an Kleintraktoren. Über 100 Seiten zählt diese Richtlinie, und sie dient vornehmlich dem Zweck, einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen für den Wettbewerb zu schaffen. «So gut wie immer geht es darum, Handelshindernisse abzubauen, die auf nationaler Ebene von massiven Wirtschaftsinteressen im Laufe der Jahre ganz grob bis höchst feinsinnig aufgerichtet worden sind», erklärt ein hoher Kommissionsbeamter. Dass sich freilich auch in nationalen Regelungen bürokratische Kleinodien zuhauf aufspüren lassen, sei hier denn auch nur am Rande bemerkt.“

    „Zweifellos wäre es wünschenswert, wenn auch der noch überschaubare Beamtenapparat auf demokratische Weise, durch Parlament und Wähler, viel stärker als bisher kontrolliert werden könnte. Doch das haben bisher eben nicht die Bürokraten, sondern ausschliesslich die Politiker verhindert.“

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  2. Nickeneck

    Also ich habe früher die Topflappen selbst gehäkelt. Und die haben lange gehalten und ich habe mir auch keine Finger verbrannt (höchsten mal einen Topflappen, als noch mit Gas gekocht wurde).

    Das war das! Best wishes.

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