Am vergangenen Montag wären meine Eltern 62 Jahre verheiratet gewesen, ein Anlass, einen Friedhofsbesuch zu machen. Da der Tag auf einen Montag fiel, musste dieser Besuch nachgeholt werden. Zum Glück ist Mutter verständnisvoll und akzeptiert, dass ich deswegen nicht einen Urlaubstag opfern wollte.
Heute besuchten wir also die „Familiengruft“, in der meine Grosseltern väterlicherseits, meine Tante und mein Vater ihre letzte Ruhe gefunden haben. In einer Gärtnererei liessen wir uns 2 Schalen pflanzen, die wir auf dem Grab in Position drapierten.
Anschliessend fuhren wir mit Mutter „über Land“ nach Niendorf/Ostsee. Niendorf gehört zur Gemeinde Timmendorfer Strand, ist aber ein kleiner beschaulicher Fischerort während Timmendorf mondäner und moderner ist. Dort sitzt man im Winter mit Sonnenbrille und Pelz draussen unter dem Heizstrahler und guckt wie die anderen gucken, und das möglichst gelangweilt.
Das einzig mondäne in Niendorf war früher das Café Keese, tatsächlich ein Ableger des berühmten Café Keese von der Reeperbahn in Hamburg. Die Niendorfer Dependence hatte etwas verruchtes an sich, jedenfalls konnten meine Cousine und ich das heraushören, wenn die Erwachsenen sich darüber unterhielten. Aus heutiger Sicht vermute ich, dass es sich um ein Abschlepplokal handelte. Dort gab es nämlich den sogenannten Ball Paradox, d.h. es ist absolute Damenwahl. Die Herren müssen so lange warten, bis sie von einer Dame zum Tanz aufgefordert werden. Ball Paradox, so prangte es auch in bunter Leuchtschrift an der Fassade des Cafés, das ja eher eine Tanzbar war. Kaffee und Kuchen gab es dort nämlich sicher nicht. Nachmittags war da ja auch geschlossen.
In Niendorf hatte meine Grossmutter ende der 50er Jahre ein kleines Sommerhäuschen erworben. Meine Cousine und ich verbrachten dort jeweils in den Sommer- und Herbstferien ein paar Tage. Ausserdem diente das kleine Häuschen im Sommer als Familientreffpunkt. Feucht-fröhliche Feste wurden dort gefeiert. Mein Vater ist bei einer Feier dertart ins Wanken geraten, dass er mit dem Kopf in die Glasscheibe der Haustür fiel. Eine kleine Narbe an seiner Wange zeugte noch viele Jahre davon. Die Tür bzw. die Scheibe wurde daraufhin von Oma derart gesichert, dass von innen eine dünne Sperrholzplatte vor der Scheibe montiert wurde. Diese Platte war noch an ihrem Platz als das Haus nach Omas Tod im Jahre 1978 verkauft wurde.
Ach ja, erwähnen wollte ich noch, dass wir heute im Alten Zollhaus, direkt am Niendorfer Hafen, mit Blick auf die Ostsee sehr lecker gegessen haben. Ein kleiner Spaziergang danach auf der Strandpromenade führte uns auch zur heruntergekommenen Ruine des einst so legendären Café Keese. Leider habe ich es versäumt, ein Foto davon zu machen.
So ein kleiner Ausflug weckt ganz plötzlich Erinnerungen an eine Zeit, die vor etwa 50 Jahren begann und etwa 20 Jahre dauerte und an Menschen, die schon lange nicht mehr unter uns weilen.
Ein wirklich schöner Blogartikel und deine Bilder machen extrem Lust auf Meer!