Überwältigt

Heute war ein Tag des Abschieds: Vater war in den Räumen des Bestattungsinstituts im offenen Sarg aufgebahrt. Wir alle 3, d.h. meine Mutter, Bernd und ich wollten dieses sehr intime Zeremoniell nicht versäumen. Auf Anraten des Mitarbeiters des Beerdigungsinstituts hatte meine Mutter private Kleidung mitgegeben, d.h. dunkelblauer Blazer, graue Hose, weisses Hemd, Krawatte. Wir wussten also nur, was er anhaben würde, aber nicht wie sein Gesicht aussehen würde.

Wir betraten den kleinen, mit dunkelblauem Samt behängten und mit brennenden Kerzen geschmückten Raum … und ich war überwältigt von dem Anblick meines Vaters. Mutter und ich umarmten uns schluchzend, Bernd legte seine Arme um uns. So standen wir eine Weile da und betrachteten Vater, der so friedlich aussah, als würde er nur schlafen.

Auf der weissen Decke der Sarggarnitur lag eine Girlande aus roten Rosen, in seinen Händen hielt er einen kleinen Strauss roter Rosen. Der dunkelblaue Blazer in den weissen Kissen, das weisse Hemd, die blaue Krawatte – es war einfach perfekt, ein Bild von meinem Vater, dass ich gerne in Erinnerung behalte.

Mutter streichelte ihm noch mal die Wange bevor wir meinen Vater allein zurückliessen.

Danach erholten wir uns ein paar Minuten in einem Raum der Firma. Natürlich unterhielten wir uns über das eben Gesehene.

Die Spannung löste sich, als ich meinte, dass er gar nicht geschnarcht hat (das konnte mein Vater nämlich sehr laut und gut). Mutter sagte daraufhin, dass sie das auch gedacht hatte, es aber nicht sagen wolle, weil wir dann sicher alle dort in dem Raum gelacht hätten, worauf ich erwiderte, dass das sicher auch nichts gemacht hätte, war Vater doch auch ein sehr humorvoller Mensch.
Bernd sagte noch, dass er immer darauf wartete, dass doch irgendein Gesichtsmuskel zucken müsste.

Einhellig waren wir der Meinung, dass es so gut ist, wie es ist.
„F. ist jetzt zu Hause angekommen!“ waren die Worte meiner Mutter. Man darf ja nicht vergessen, er ist aus dem Haus gegangen und nicht heimgekehrt. Aber jetzt ist er da.

Zufrieden und – soweit man das in dieser Situation sagen kann – glücklich, machten wir uns dann auf den Heimweg.

Am Freitag nächster Woche findet die Trauerfeier statt und danach gibt es noch die Urnenbeisetzung. Heute war also erst der Anfang vom Abschied.

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