Also ein verfrühter Aprilscherz ist es sicher nicht, ob es allerdings Kunst ist? Das ist wohl Ansichtssache. Im Hamburger Abendblatt stand folgendes zu lesen:
Einmaliges Konzert: 4 Minuten und 33 Sekunden Stille
Von Joachim Mischke
Hamburg –
„Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden“, hat schon Wilhelm Busch gekalauert. Doch was es bedeutet, wenn man diesen Scherz für 4 Minuten und 33 Sekunden ernst nimmt, weiß die Musikwelt seit dem 19. August 1952. Damals setzte sich der Pianist David Tudor in Harvard an ein Klavier und tat 273 Sekunden lang: nichts. Und die Zuhörer hörten: nichts. Zumindest nichts, was man im klassischen Sinn für Musik halten würde, von wegen Dur oder Moll, Melodie, Rhythmus und so. Dafür hörten sie alles, was in einem Konzertsaal passiert, wenn dort sonst nichts passiert.
John Cages „4’33“, ein Stück in drei Sätzen mit je einem Pausenzeichen in den Noten, ist eines der radikalsten Meisterwerke der Moderne, denn hier wird der Sound der Stille als Kunst verstanden und zugelassen. Enorm praktisch an „4’33“ ist, dass es in vielen Varianten aufführbar ist: Man kann es auf Blockflöte nicht spielen oder auf einer Ukulele, und falls kein Instrument zur Hand ist, kann man es auch auf einem Regenschirm nicht spielen.
Morgen wird Cages Klassiker erstmals von einem kompletten Orchester interpretiert, die BBC überträgt das Stück live aus London. Eigens dafür muss der Sender seine Technik ausbremsen, die normalerweise hinter einem Sendeloch einen Blackout wittern und Alarm auslösen würde.
Doch es geht auch einfacher, denn jeder kann mit Cage zum Künstler werden. Einfach viereinhalb Minuten nichts sagen. Nichts spielen. Nur sein. Der Rest findet sich. Klingt gut, oder? Na bitte. Einzige Bedingung: Sehen Sie bloß genau auf die Uhr – der Pop-Produzent Mike Batt wurde kürzlich von Cages Musikverlag wegen Copyright- Verletzung mit einer Klage bedroht, weil er auf eine seiner Platten lediglich eine Minute Stille packte und sowohl sich als auch Cage als Autor angegeben hatte. Man einigte sich damals außergerichtlich auf eine Zahlung von rund 160 000 Euro. Schweigegeld, sozusagen.
Erschienen am 15. Jan 2004
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http://www.abendblatt.de./daten/2004/01/15/251465.html