Die Götter waren einsichtig

Morgens bin ich noch ohne Regen ins Büro gekommen. Irgendwann vormittags begann es dann wieder: Regen – Regen – Regen! Und heute Abend sollten wir nach Eutin! Jede Stunde schaute ich mir das Regenradar bei www.wetteronline.de an. Ein Regengebiet lag über Hannover. Das interessierte mich weniger. Eine andere Regenfront verlief wie in schmales Band von Hamburg Richtung Norden nach Schleswig-Holstein. Dieses Regengebiet machte mir Sorgen, grosse Sorgen, insbesondere deshalb, weil es seine Lage überhaupt nicht veränderte.

Das Problem war: Was zieht man an? Was nimmt man mit? Ich entschied mich für Jeans, Hemd, Pullover und Jacke. Entsprechend der aktuellen Wetterlage am Abend ist alles kombinierbar. Dazu Müllsäcke um sie bei Regen über die Beine zu legen und Handtücher, um damit die Sitze abzuwischen. Für die Pause durfte eine Flasche Sekt nicht fehlen. Bernd hatte den Auftrag, Sandwichs zu machen.

Ich verliess das Büro um 15.30 Uhr, vorher noch ein kurzer Blick auf das Regenradar: Keine Veränderung! Obwohl hier in Hamburg hatte es inzwischen aufgehört zu regnen. Ein gutes Zeichen? Abwarten!

Wir packten unsere Sachen zusammen, die 2 Rucksäcke füllten, und das nur für einen Abend. Als wir zum Auto gingen, begann wieder ein leichter Nieselregen. Es war 16.15 Uhr. Dir Vorstellung sollte um 20.30 Uhr beginnen. In 4 Stunden kann sich noch viel ändern. Ausserdem liegt Eutin ca. 100 Km nördlich von Hamburg. Dort kann das Wetter ganz anders sein.

Unser Ausflug begann mit einem Stau auf der Autobahn! Um 17.00 Uhr wollten wir Oliver und Melli in Lübeck treffen und mitnehmen. Na, das fängt ja gut an. Ca. 15 Minuten haben wir verloren. Per Handy verständigten wir uns, dass es später werden würde. Auf der Fahrt nach Lübeck verstärkte sich der Regen. Ich sah die Aufführung heute Abend schon ausfallen. Kurz vor Lübeck war die Autobahn plötzlich trocken. Ein Hoffnungsschimmer! Auch die Weiterfahrt nach Eutin verlief ohne Regen.

Wir hatten uns vorgenommen, in einem Chinarestaurant, dass in der Nähe der Waldbühne liegt, zu essen. Wir hatten nicht reserviert, aber es war noch ein Tisch für uns frei. Das Essen und der Service war gut, so wie ich es in Erinnerung hatte. Es ist bestimmt 6 Jahre oder länger her, dass wir in Eutin gewesen sind. Plötzlich bemerkten wir, dass der Regen wieder eingesetzt hatte! Wir machten uns gegenseitig Mut: Es wird schon stattfinden!

Es war soweit, auch wir mussten uns auf den Weg zur Waldbühne machen. Und es regnete nicht mehr. Aus dem Wagen holten wir unsere Rücksäcke. Meinen Pullover liess ich im Wagen. Die Jacke reichte mir. Von allen Seiten strömten die Leute herbei, bepackt mit Taschen, Decken, Kissen und Körben. Der Weg zur Bühne war teilweise mehrere Zentimeter tief aufgeweicht. Es war noch hell und man konnte ausweichen. In Gedanken war ich aber schon auf dem Rückweg. Das würde schwierig werden.

Schnell fanden wir unsere Plätze. Sie Schalensitze waren natürlich nass. Die Handtücher kamen zum Einsatz bevor wir uns hinsetzen konnten. Dann beobachteten wir das Treiben um uns herum. Langsam füllte sich die Tribüne. Die Zuschauer säuberten die Sitze, bereiteten Matten und Folien aus. In der Reihe vor uns wurde Kaffee ausgeteilt. Es herrscht in Eutin immer eine sehr ungezwungene, ja fast familiäre, Atmosphäre. Das Beobachten der Leute ist für mich ein Teil des Abends, der das Erlebnis „Oper in Eutin“ ausmacht.

Die Aufführung begann pünktlich. Die Musik wurde durch eine Plane, die den Orchestergraben abdeckte, etwas gedämpft, was aber dem Genuss nicht schadete. Die Sänger waren durchweg gut bei Stimme. Lieber Leser, Du musst bedenken: Hier wird nichts technisch verstärkt! Die Stimme muss also schon ein gutes Volumen haben, um in freier Natur den Zuschauer zu erreichen.

Interessant ist die Darstellerin der Königin der Nacht. Sie hat eine der schwierigsten Arien der Opernliteratur zu singen. Ihre erste Arie, „O zittre nicht, mein lieber Sohn“ war etwas unsicher.
Meine Aufmerksamkeit galt den Sängern, die die Bühne seitlich über den abschüssigen, nassen Rasen betraten oder verliessen. Sie mussten wohl Spikes an den Schuhen haben, keiner rutschte aus! Oder haben die das geübt?

In der Pause knallten um uns herum die Sektkorken – unser auch – und Snacks wurden verteilt. Die wenigsten Zuschauer verliessen die Tribüne. Nur wenige versorgten sich am Getränke- bzw. Imbissstand.

Nach der Pause beginnt der für mich schönste Teil der Oper. Die Königin der Nacht brachte ihre Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ mit Bravour und ohne Fehler über die Runden. Die Koloraturen waren klar und ohne Fehler. Eine tolle Leistung! Auf der Tribüne war es still, kein Rascheln von Regenkleidung, nichts. Selbst der Wind war für ein paar Minuten nicht zu spüren, das Laub der Bäume raschelte nicht. Es war, als wenn die Natur diesen wunderbaren Tönen zuhörte.


Die Zauberflöte ist eine der wenigen Opern mit Happyend, durch die Unterstützung der Götter. Die Götter hatten einen sehr positiven Einfluss auf diesen Abend. Während der ganzen Aufführung fiel kein Tropfen Regen! Der Regengott hatte wohl mal Kaffeepause gemacht.

Nach der Vorstellung strömte eine dichtgedrängte Menschenmasse durch den spärlich beleuchteten Park über schlammige Wege zu Bussen und Autos. Wie ich befürchtet hatte, war es kaum möglich, den Pfützen auszuweichen. Wehe den Damen, die mit leichtem Schuhwerk unterwegs waren, und es waren einige unterwegs! In der Eutiner Oper kommt es nicht auf Schönheit an sondern auf Zweckmässigkeit!

Kurz vor Lübeck begann ein leichter Nieselregen. Ich verdrängte die Frage, ob es in Eutin jetzt auch wieder regnen würde. Wir hatten jedenfalls einen schönen Abend – ohne Regen. Unser Müllsäcke konnten im Rucksack bleiben.

Wir setzten Oliver und Melli in Lübeck wieder ab und verabschiedeten sie in den Urlaub. Sie fliegen morgen für 2 Wochen nach Fuerteventura. Dort ist es sicher wärmer und trockener als in diesem Sommer hier in Norddeutschland.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert