Gestern Nachmittag haben wir uns das Musical Dr. Schiwago im Theater Lüneburg angeschaut, ein Weihnachtswunsch, den mein Schatz mir erfüllt hat. Im Publikum saßen überwiegend ältere Leute. Mit „älter“ will ich ausdrücken, dass die noch älter waren als ich mit meinen fast 70 Lenzen.
Wer Dr. Schiwago hört, denkt wohl zuerst an das Filmepos aus dem Jahr 1965. Der Film, wie auch das Musical, basiert auf dem Roman von Boris Leonidowitsch Pasternak, eine tragische Geschichte. Sie spielt in Russland zur Zeit des 1. Weltkrieges, der Oktoberrevolution und des bürgerkrieges danach. Wie bringt man das auf die Bühne, dramaturgisch und technisch?
Dem Theater Lüneburg ist dieser Spagat gelungen. Durch dramaturgische Tricks wurde die Handlung auf gute 2 Stunden gestrafft. Man musste allerdings schon etwas aufpassen, um zu begreifen, dass die Zeit plötzlich um ein paar Jahre vorgestellt wurde. Aber nach kurzer Zeit fand man sich in der Handlung wieder zurecht. Ob das bei dem überwiegend älteren Publikum auch der Fall war?
Die Inszenierung lebt von der dramatischen Handlung und der darstellerischen Leistung der Protagonisten. Das brutale Kriegsgeschehen ist allgegenwärtig, und ja, es wird auch gelegentlich jemand auf offener Bühne erschossen. Dr. Schiwago greift zur Pistole und erlöst eine Gefangene, die sich in seinem Beisein die Halsschlagader aufgeschlitzt hat. Strelnikov, der Anführer der Kommunisten, erschießt einen jungen Bauern. Lara schießt auf ihren Peiniger Komarovskij, verehlt ihn aber. Mehrmals wird eine Pistole an die Stirn dieser oder jener Rolle gesetzt – ohne abzudrücken.
Ein so kleines Haus, wie das Theater Lüneburg, kann so eine Produktion natürlich nicht ausschließlich mit eigenem Personal stemmen. Als Gäste unterstützten in den Hauptrollen Kristian Lucas (Dr. Schiwago), Dorothea Maria-Müller (Lara) und die bezaubernde Jeannine Michèle Wacker (Tonia) hervorragend das hauseigene Ensemble, von dem Ulrich Kratz (Viktor Komarovskij) besonders erwähnenswert ist.
Das Bühnenbild ist einfach aber wandelbar, tritt aber aufgrund der Leistung der Darsteller in den Hintergrund. Die Musik bleibt nicht so richtig im Ohr hängen, ist aber melodiös und der Dramatik und Tragik angemessen. Gelegentlich stellte sich ein Hauch von Gänsehaut bei mir ein. Ach ja, ein paar Tränen habe ich auch vergossen.
Alles in allem ist Dr. Schiwago in Lüneburg eine gelungene Produktion. Beim Schlussapplaus gab es Standing Ovations von einem Teil des Publikums sowie ein paar Jubelrufe aus dem Parkett. Das Theater Lüneburg werden wir auch in Zukunft auf dem Zettel haben um uns dort vielleicht das eine oder andere Stück anzuschauen.
Das Interesse an dem Musical scheint recht groß zu sein. Wie gerade veröffentlicht wurde, gibt es am 18.4.2020 einen Zusatztermin im Theater Lüneburg.