Donnerstag, 29. Mai 2003
Früh waren wir wach, viel zu früh, um 5 Uhr morgens. Der Wecker sollte uns erst um 6 Uhr wecken. Da wir nicht mehr schlafen konnten standen wir auf und trafen die letzten Vorbereitungen. Bernd machte ein paar Sandwichs als Reiseproviant und ich verpackte die Dinge, die wir für die Morgentoilette noch benötigt hatten und mit auf die Reise mussten.
Um 07.30 Uhr sollte Harald uns abholen, was er natürlich nicht ganz schaffte, um mit Werner und uns nach Berlin zum Flugplatz zu fahren. Harald fährt einen Ford Fiesta. Mit 4 Personen, die alle nicht unbedingt die kleinsten und schmalsten sind, war der Wagen voll. Im Kofferraum lag schon Haralds Koffer. Unsere Reisetasche passte dort nicht mehr drauf, aber unser und Werners Rucksack fanden dort noch Platz. Bernd, der längste von uns, nahm auf dem Beifahrersitz platz. Werner zwängte sich dahinter, ich zwänge mich hinter Harald. Unsere Reisetasche diente uns als Mittelkonsole. Den 2. Rucksack mit den Sandwichs verstaute Bernd im Fussraum.
Die Autobahn nach Berlin war erfreulich leer, das Wetter war gut. Die Klimaanlage sorgte dafür, dass es im Wagen nicht heiss wurde. Die ersten Sandwichs wurden nach ca. 1 Stunde Fahrt verspeist. Bernd hat die wirklich lecker hinbekommen: Kochschinken, Käse, ein Salatblatt und Remoulade sorgten für einen herzhaften Geschmack. Nur das Toastbrot klebte am Gaumen und an den Zähnen.
Nach ca. 2-1/2-stündiger Fahrtzeit trafen wir am Flugplatz Berlin Tegel ein. Schnell fanden wir einen Parkplatz in der Nähe des Abfertigungsgebäudes. Unsere Reisetasche war dann doch ziemlich schwer zu schleppen (ca. 18 kg). Harald mit seinem Rollkoffer und Werner mit dem Rucksack hatten es da einfacher.
Am Lufthansaschalter stellten wir fest, dass wir viel zu früh waren. Bis zum Abflug waren noch ca. 3 Stunden Zeit, der Schalter zum Einchecken war noch gar nicht geöffnet. Die freundliche Frau Lufthansa gab uns die Auskunft, dass wir frühestens 90 Minuten vor dem Abflug einchecken könnten. Das hiess dann für uns, dass wir noch ca. 90 Minuten mit unserem Gebäck schleppen bzw. uns irgendwo aufhalten mussten. Nachdem wir die restlichen Sandwichs verspeist hatten begaben wir uns vor das Gebäude an einen Platz, von dem wir einen Blick auf das Flugfeld hatten.
So wurde die Wartezeit nicht so langweilig.
Nach dem Einchecken war es wesentlich einfacher, durch den Flughafen zu cruisen. Ich stellte fest, dass der Flughafen insgesamt einen eher provinzionellen Eindruck macht, jedenfalls einer Bundeshauptstadt nicht angemessen.
Endlich war die Zeit gekommen, um an Bord gehen zu können. Für Werner war es der Jungfernflug. Seinen Rucksack hatte er als Handgepäck dabei. Ein paar Utensilien hielten der Sicherheitsprüfung nicht stand. Deshalb musste er den Rucksack doch noch aufgeben. Ich bekam einen Rüffel vom Personal weil ich im Sicherheitsbereich fotografiert hatte.
Unsere Maschine war ein Flugzeug des Typs Canadair 100/200, eine etwas grössere Version des 3-Wetter-Taft-Fliegers mit ausklappbarer Treppe, die in der Tür integriert ist. „Berlin, 13.00 Uhr, sonnig und heiss, die Frisur hält!“.
An Bord gab es …… ein Sandwich, wahlweise mit Schinken oder Käse, dazu ein Getränk nach Wahl. Bernd und ich nahmen ein Glas bzw. ein Plastikbecher Sekt. Dazu musste die Saftschubse eine ganze Flasche öffnen. Unser Wunsch nach Sekt inspirierte wohl noch ein paar der anderen ca. 50 Passagiere. Es musste noch eine zweite Flasche geöffnet werden.
Nach etwas mehr als einer Stunde Flugzeit landeten wir in Zürich. Es dauerte eine Ewigkeit bis die Parkposition erreicht war. Wir hatten den Eindruck, wir würden direkt mit dem Flieger in die Stadt fahren. Wir stiegen die eingebaute Gangway hinab. „Zürich, 14.20 Uhr, heiss und sonnig, die Frisur hält.“
Empfangen wurden wir von Peter, unserem Chorbetreuer, oder auch Chorgötti. Er informierte uns auf den weiteren Ablauf des Tages und vergass nicht, darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsproben mit den anderen Chören „obligatorisch“ sind. 2 Werke sollten auf dem Abschlusskonzert mit allen Chören aufgeführt werden, davon eine Uraufführung. Chorgötti Peter führte uns zum unter dem Flugplatz gelegenen Bahnhof. Der nächste Zug kam und wir stiegen ein. Peter erzählte uns gerade noch ein paar Dinge als kurz vor Abfahrt des Zuges eine Lautsprecherstimme die Fahrtroute durchgab und dazu den Hinweis, dass dieser Zug nicht über Zürich Hauptbahnhof fährt. Peter war so in eine Ausführungen vertieft, dass er es gar nicht hörte. Wir mussten ihn erst darauf aufmerksam machen. Innerhalb weniger Sekunden standen wir alle mit unserem Gepäck wieder auf dem Bahnsteig. Der nächste Zug brachte uns dann zum Hauptbahnhof. Peter verteilte an jeden eine Fahrkarte, die für den gesamten Zeitraum des Festivals gültig war.
Vom Hauptbahnhof ging es mit der Tram zum Volkshaus. Dort erfolgte die Registrierung der Teilnehmer, dort fanden ein Grossteil der Proben sowie 2 Konzertabende statt. Wir trafen ein, als es gerade eine Pause der laufenden Probe gab. Als Imbiss gab es ….. Sandwichs. Bei der Registrierung erhielten wir einen Ausweis, der uns berechtigte, alle Konzerte anzusehen, an allen Veranstaltungen teilzunehmen und den Backstagebereich zu betreten. Ausserdem eine Tüte mit Informationsmaterial über die Veranstaltung und über Zürich. Bernd nahm am zweiten Teil der Probe teil, die ich mir vom Zuschauerraum aus anhörte. Geleitet wurde die Probe vom Direktor des Zürcher Konservatorium, Daniel Fueter. Er musste einspringen für den kurz vorher an einem Herzinfarkt erkrankten Leiter des Schwulen Männerchors Zürich Schmaz, Karl Scheuber.
Nach der Probe hatten wir endlich die Gelegenheit, ins Hotel zu fahren. Frank, unser Freund vom Schwulen Männerchor München Philhomoniker, hatte bereits eine Verbindung mit Bus und Tram herausgefunden. Im Bus unterhielten wir uns über die Fahrtstrecke. Ein mitfahrender Herr hatte unsere Unterhaltung wohl verfolgt. Unaufgefordert klärte er uns auf, wo wir umsteigen sollen und mir welcher Linie wir weiterfahren mussten. Sehr freundlich. Leider waren es von der Haltestelle bis zum Hotel ca. 10 Gehminuten, die wir mit unserer schweren Tasche zurücklegen mussten. Auf unserem Zimmer befreiten wir uns erst von unseren durchgeschwitzten Klamotten und liessen uns auf das Bett fallen, einfach nur so daliegen und erholen.
Doch das Programm für diesen Tag war noch nicht zu Ende. Am Abend fand das erste Konzert im Rahmen des Chorspektakels statt. Das hiess also duschen, neue Klamotten anziehen und wieder los zum Volkshaus. Wir fanden einen angenehmen Fussweg von ca. 30 Minuten. Da wir uns nicht so ganz auskannten und etwas unsicher über den Verlauf des Weges waren, fragten wir einen Passanten nach dem Weg. Sehr freundlich ging er mit uns ca. 50 Meter zurück in die Richtung aus der er gekommen war und zeigte uns, wie wir weitergehen sollten. Das war schon die zweite freundliche Begegnung mit einem Zürcher an diesem Tag.
Das erste Konzert bestritten die Chöre Schwuler Männerchor Kiel, Frauenchor Unerhört aus Bern, Mainsirenen Frankfurt a.M. und Die Fetten Koketten Soubretten aus Köln. In der Puase kam es zu einem kleinen Eklat: Werner eröffnete uns, dass er morgen ja viel Zeit hätte sich die Stadt anzusehen. Bernd wies in darauf hin, dass er als mein Assistent für die Tontechnik doch wohl an der Probe um 18.00 Uhr teilnehmen sollte. Seine Antwort „Das mach ich nicht, es hat mir niemand gesagt, dass ich das soll“ haute uns um. Gerade in diesem Konzertsaal war es wichtig einen Assistenten zu haben da die Tontechnik aus dem Saal gesteuert wurde und Licht aus einem speziellen Raum. Ich sah mich um und entdeckte Ulli mit seinem Freund Edgar. Edgar ist Fördermitglied im Chor, er hätte also Zeit machen. Ich fragte ihn und er erklärte sich spontan bereit, mir aus der Patsche zu helfen. Den Ablaufplan für unser Konzert hatte ich dabei. Er erhielt davon eine Ausführung um sich, wenn er dazu die Zeit hat, damit vertraut zu machen. Die Situation war gerettet.
Von den jeweiligen Darbietungen der einzelnen Chöre ist nicht viel hängen geblieben. Nur soviel sei gesagt: Die Kieler traten wieder im Fummel auf, der Frauenchor aus Bern überzog die jedem Chor zugestandenen 30 Minuten gewaltig (ich erfuhr später, dass der Regisseur des Abends ihnen schon den Ton abschalten wollte). Alles in allem ein durchschnittlicher und langweiliger Abend.
Nach dem Konzert machten wir uns auf den Weg ins Hotel. Da es ein lauer Sommerabend war, entschlossen wir uns, zu Fuss zu gehen. Frank glaubte, eine Abkürzung entdeckt zu haben. Nun gut, warum nicht. Aber da war was, was mir sehr merkwürdig vorkam. Und mein Gefühl war nicht verkehrt, wir landeten mitten im Rotlichtviertel. In den Eingängen standen tiefdekolltierte „Damen“, auf den Strassen standen viele Leute, es reihte sich Bar an Bar. Mein Orientierungssinn sagte mir, dass wir nach links mussten. Dabei passierten wir eine Nebenstrasse aus der uns eine Leuchtreklame „Wurstshop“ entgegenleuchtete. Hatten wir Hunger – oder doch nicht? Wir entschieden uns für Hunger. Von der aushängenden Karte wollten wir uns etwas aussuchen. Doch es gab nur noch eine Sorte Wurst mit Burli. Wie die Wurst hiess verstand ich nicht, nur die Frage nach dem Senf (scharfer Senf?). Der Typ sprach so, dass wir Touris das nicht verstehen konnten. Aber die Wurst schmeckte, der Senf war scharf und das Burli war eine Art Brötchen. Und weiter führte uns der Weg ins Hotel wo wir nach einem langen Tag nach Mitternacht todmüde und kaputt ins Bett fielen.
Freitag, 30. Mai 2003
Für heute war eine 3-stündige Probe für alle Chöre angesetzt mit einem Imbiss in der Pause. Den Imbiss wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, spart man dadurch doch ein paar Fränklis. Also setzte ich mich in eine der hinteren Reihen und beobachtete die Probe, die von Daniel Fueter souverän geleitet wurde. Zwei Stücke sollten zum Abschluss des Chorspektakels von den ca. 300 Schwulen und Lesben gesungen werden: „Abendzauber“ von Anton Bruckner und ein von Daniel Fueter für das Festival komponiertes Werk „Au bord de l’eau“, ziemlich modern, ziemlich schräg, begleitet von 4 Hörnern und einem Flügel. Daniel Fueter vertonte ein Gedicht von René-Francois Sully-Prudhomme. Ich war gespannt, wie es auf dem Konzert klingen würde.
Der Imbiss bestand aus …. Sandwichs – was wohl sonst. Nach der Pause machte ich mich auf den Weg in die Stadt um den Film „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ auf DVD zu kaufen. In der Ausgabe, die es in der Schweiz zu kaufen gibt, gibt es ein paar Szenen, die in der deutschen Fassung der FSK zum Opfer gefallen sind. Quirliges Leben füllte die Einkaufsstrassen. Ich fand ein Kaufhaus und dort auch den gesuchten Film. Und dann wurde es auch schon wieder Zeit, Bernd beim Konzertsaal abzuholen. Am Abend sollte unser Chor auftreten. Das hiess treffen um 17.00 Uhr mit den Beteiligten. Bernd hatte sein Kostüm im Rucksack dabei weil wir nicht wussten, ob wir noch Zeit hatten, ins Hotel zu fahren. Wir suchten uns zuerst ein Café um dort ein Eis zu essen. Danach war noch Zeit genug ins Hotel zu fahren um uns ein wenig auszuruhen und zu duschen.
Um 17.00 Uhr trafen wir uns zur Stellprobe und zum Einsingen in dem uns zugeteilten Raum, der uns auch als Garderobe diente. Peter, unser Chorgötti, erklärte den Ablauf des Konzertabends. Wir würden den Abend eröffnen. Dann wurden wir von Peter auf die Bühne geführt. Edgar setzte sich zum Tontechniker, ich ging zum Beleuchter und erklärte ihm, wann wir welche Lichteffekte benötigen. Nach exakt 30 Minuten mussten wir die Bühne verlassen, der nächste Chor war an der Reihe. Alles war minuziös vom Veranstalter geplant.
Als wir in die Garderobe zurückkehrten war für Verpflegung und Getränke gesorgt. Der Imbiss bestand aus …… Sandwichs, was wohl sonst. Es wurden noch ein paar Einzelheiten für unseren Auftritt besprochen, einige Stücke wurden ein letztes Mal geprobt.
Dann wurde es Zeit, mit dem Umziehen zu beginnen. Michael, unser Stuckateur, begann mit dem Schminken der Piraten.
Kurz vor 20.00 Uhr führte Peter die Piraten zur Bühne, Edgar nahm seinen Platz beim Tontechniker ein um unsere Geräusche von CD zum richtigen Zeitpunkt einzuspielen. Ich setzte mich zum Beleuchter um ihm die Einsätze für Lichteffekte zu geben. Nach einer kurzen Anmoderation von Dominik Flaschka, derzeit Leiter des Theaters am Hechtplatz, betraten die Piraten aus Hamburg die Bühne. Matthias gab den Einsatz und unsere Show begann. Gekonnt und problemlos wurde unser Programm über die Bühne gebracht. Leider hatte der Beleuchter die Übersicht verloren und hatte eine Lichtstimmung vergessen. Er machte das aber wieder wett mit einem phantastischen Effekt am Schluss des letzten Liedes. Jubelnder Beifall geleitete Schola Cantorosa von der Bühne. Edgar machte seinen Job, den er so kurzfristig übernommen hatte, perfekt.
Wir trafen uns alle in der Garderobe wieder. Eindrücke und Meinungen über unseren Auftritt wurden ausgetauscht. Die Piraten schminkten sich wieder ab und zogen sich um. Hier ein Eindruck wie man aussehen kann, wenn man sich die Schminke aus dem Gesicht wäscht. Hajo sieht aus wie eine Wasserleiche:
Die uns folgenden Rheintöchter aus Köln konnten wir leider nicht sehen. Doch zum Auftritt der Philhomoniker aus München waren wir im Saal auf den für uns reservierten Plätzen. In der Pause brauchten wir ein Glas Prossecco um auf unser erfolgreiches Konzert anzustossen. Ich erhielt zwei sektglasartige Plastikbecher über den Tresen geschoben und verstand über den Preis irgendwas mit „acht“. Ich zückte einen 10-Franken-Schein. Nein, achtzehn Franken (ca. 12 Euro) sollte ich bezahlen. Hui, ein stolzer Preis für Prossecco aus einem Plastikbecher. Na ja, was soll’s, wir sind sozusagen im Urlaub und da schaut man nicht immer so sehr auf die Preise. Nach der Pause standen der Neue Berliner Damenchor auf dem Programm. Unbestreitbar waren sie besser als wir. Verdientermassen ernteten sie tosenden Applaus und standing ovations. Jetzt folgten noch Die Zauberflöten aus Köln. Nach dem vorherigen Beitrag würde es für sie nicht leicht werden, kannten wir doch ihr Programm von ihrem Gastauftritt bei uns in Hamburg. Aber das Publikum war fair und bedachte auch die Jungs aus Köln mit starkem, lang anhaltenden Beifall.
Nach dem Konzert machten wir uns mit Frank auf den Weg ins Hotel, heute ohne den Umweg durch das Rotlichtviertel.
Samstag, 31. Mai 2003
Am Vormittag waren keine Termine angesetzt. Erst um 12.00 Uhr trafen wir uns zu einer 2-stündigen Schiffstour auf dem Zürichsee mit Verpflegung. Frank, Bernd und ich machten uns rechtzeitig auf den Weg.
Wir suchten den Schiffsanleger und sahen dort ein Ausflugsschiff, auf dem Vorbereitungen für eine Extrafahrt getroffen wurden. Auf meine Nachfrage bestätigte mir eine der fleissigen Personen, dass es das Schiff für das Chorspektakel sei. Wir hatten noch Zeit und machten einen Spaziergang am See entlang. Der Aussenbereich auf dem Schiff war sehr klein. Da wir bei dem schönen Wetter keine Lust hatten, 2 Stunden in einem geschlossenen Raum zu verbringen, fanden wir uns recht bald wieder am Anleger ein um hoffentlich einen Aussenplatz zu ergattern. Wir wurden sofort an Bord gelassen und machten es uns auf den bereitstehenden Deckchairs aus Teakholz bequem.
Schnell füllte sich das Schiff mit ca. 100 Lesben und Schwulen. Der Ausflug begann. Es gab alkoholfreie Getränke und …. keine Sandwichs sondern Kartoffelsalat und Würstchen. Vorbei an zahllosen kleinen Booten ging es an den Ufern des Sees entlang.
Da oben das Haus von Tina Turner. Dort, in der Nähe der Schokoladenfabrik von Lindt & Sprüngli, hat Thomas Mann die letzen Jahre seines Lebens verbracht.
Sebastian, unser Pianist, ist früher ein Mal in dem Haus von Tina Turner gewesen. Er hat uns erzählt, dass das Badezimmer grosse, bis auf den Boden reichende Fenster hat, durch die man direkt auf den Zürichsee schauen kann.
Bernd und ich genossen die Ausfahrt. Es war schön, einfach nur so dazusitzen, die wunderbare Luft und die Aussicht zu geniessen, nichts tun zu müssen, in diesem Moment an keine Termine gebunden zu sein. Nach 2 Stunden war die Fahrt zu ende und der nächste Termin, eine letzte Probe aller Chöre für das am Abend stattfindende Abschlusskonzert, stand in Aussicht. Die < href="https://www.tonhalle-orchester.ch">Tonhalle, in der das Konzert stattfinden sollte, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Anlegers. Eine Stunde Zeit hatten wir noch. Edgar und ich beschlossen uns abzusetzen und das „Damenprogramm“ zu machen. Die Sänger lösten sich in kleinen Gruppen auf und gingen ihrer Wege.
Mit Edgar und Ulli bummelte ich durch die Bahnhofstrasse. Im unteren Bereich in der Nähe des Sees findet man die exklusivsten Geschäfte, unter anderem Dior, Chanel, Tiffany. Die kleinen Schaufenster von Tiffany hatten es mir besonders angetan: Eine aufwendige Dekoration in der nur ein Schmuckstück lag, in einen Fenster ein Ring und in dem anderen ein Paar Ohrringe. Preise standen nicht dabei.
Wir bummelten weiter zur Confiserie Sprüngli. Im Strassencafé sassen Bernd, Richard und Peter.
Ulli wollte sich im Geschäft nach Spezialitäten umsehen und hat tatsächlich in der ungeheuren Vielfalt der süssen Köstlichkeiten was gefunden. Matthias und Aref trafen wir auch dort. Auch ich spielte mit dem Gedanken, etwas zu kaufen, verwarf das aber wieder. Bei den herrschenden Temperaturen war es einfach zu schade, die kostbaren Dinge eventuell verkommen zu lassen.
Ulli verliess uns jetzt um zur Probe zu gehen, Edgar und ich bummelten weiter durch die Bahnhofstrasse. Auf einem Platz entdeckten wir Martin und Christian. Sie sassen dort und labten sich an einem sehr gesund aussehenden Salat.
Ein paar Schritte weiter hockte Hajo die Wasserleiche unter einem Baum. Wir gingen weiter zum Bahnhof um uns dort nach der Verbindung und dem notwendigen Zuschlag für die Fahrt am Sonntag zum Flugplatz zu erkundigen. Nett und freundlich wurden wir informiert und erhielten noch ein Kärtchen mit dem Abfahrtzeiten.
Edgar verabschiedete sich danach. Er wollte sich für die am Abend stattfindende Party noch ein wenig ausruhen. Ich ging durch die Bahnhofstrasse zurück zur Tonhalle um mir den Rest der Probe anzuhören. Vor der Tonhalle wurden gerade die Fahrzeuge für den Shuttle Service bereitgestellt. Renault war ein Hauptsponsor des Festivals. Nach dem Konzert sollte es die Möglichkeit geben, mit Fahrzeugen des Modells Velsatis zur Abschlussparty gebracht zu werden. Ein weiteres Auto fand ich später im Foyer ausgestellt.
Es war gerade Pause …. ohne Sandwichs. Der Konzertsaal ist ein wunderbarer alter Raum mit Deckengemälden und riesigen Leuchtern. Die Rückwand des Sängerpodiums wird von einer grossen Orgel beherrscht.
Im Anschluss an die Gesangsprobe gab es eine Aufstellprobe. Die Chöre Schmaz aus Zürich und MELO’MEN aus Paris sollten heute Abend hier ihre Auftritte haben. Im Anschluss daran sollten dann von allen teilnehmenden Chören die beiden geprobten Stücke aufgeführt werden. Hierzu war es notwendig, dass alle Sänger auf das Podium mussten was natürlich geprobt werden musste. Nach den Proben fuhren wir zurück ins Hotel um uns für den Abend vorzubereiten (ein wenig ausruhen, duschen und überlegen „was zieh ich an?“).
Bernd und ich hatten uns vor ein paar Jahren vorgenommen, in jeder Stadt die wir besuchen, chinesisch essen zu gehen. Bisher war noch keine Gelegenheit gewesen, dies in Zürich zu machen. Doch heute Abend sollte es so weit sein. Wir hatten an den Tagen vorher ein günstig gelegenes Restaurant entdeckt. Und es war lecker, es war genial, es war phantastisch. Dieses chinesische Restaurant liegt jetzt auf Platz eins unserer persönlichen Liste.
Von dort waren es nur ein paar Minuten mit der Tram um zur Tonhalle zu kommen. Wenige Minuten vor dem Konzertbeginn nahmen wir unsere Plätze ein.
Die beiden Chöre aus Zürich und Paris zeigen ein eher konservatives Programm, d.h. Chorgesang in herkömmlichen sinn: Lieder im Originaltext gesungen, auf der Bühne stehend, ohne Show oder Choreographie. Die Herren von Schmaz aus Zürich traten in dunklen Anzügen auf. MELO’MEN aus Paris in dunklen Hosen und bunten Hemden. Sie wagten es, die Formation zwischen den Liedern ein wenig umzubauen. Einige ihrer Lieder wurden von einer Sopranistin begleitet.
Dann kam der grosse Moment. Alle Chöre versammelten sich auf der Bühne zu den beiden Abschlussstücken. Es begann mit „Abendzauber“ von Anton Bruckner. Es war gewaltig, dieses Werk von ca. 300 Menschen gesungen zu hören, es war ein einziger „Gänsehauteffekt“. Danach dann die Uraufführung von „Au bord de l’eau“, ein beeindruckendes Werk, auch wenn es nicht meinen Geschmack trifft. Als Zugabe wurde noch Mal der „Abendzauber“ gesungen.
Wir hielten uns nach dem Konzert noch eine Weile im Foyer auf, tranken ein Bier und liessen den Abend Revue passieren. Für Bernd war es ein imposantes Erlebnis, mit den vielen Menschen auf der Bühne zu stehen und diese beiden Werke aufzuführen, dabei sein gewesen zu sein. Aber jetzt wollten wir zur Party, und wenn es geht mit dem „VIP Shuttle“. Auf dem roten Teppich mussten wir ein paar Minuten warten bevor das nächste Auto kam. Zu viert stiegen wir in die Limousine. Der Fahrer war sehr nett und erzählte uns über das Auto während er uns zum Volkshaus fuhr, wo die Party stattfinden sollte. Dort wieder ein roter Teppich. Von jedem eintreffenden Gast wurde ein Foto gemacht. Wir fühlten uns wie die Stars. Leider wurde das Foto von Bernd nicht veröffentlicht. Die Aufnahmen wurden freundlicherweise vom Hauptsponsor des Festivals, der Firma Renault/Schweiz, zur Verfügung gestellt.
Das Volkshaus brodelte bereits, Partyvolk überall. Aufwendige Blumendekoration, Bars und Musik empfing uns. Im grossen Saal wurde Musik der 70er und 80er aufgelegt, na ja, 90er und aktuelles war auch dabei. Es machte einfach Spass, mitzumachen. Von wenigen Augenblicken abgesehen, war ich kaum von der Tanzfläche zu bekommen. Bernd war in seinem Element und konnte sich endlich mal wieder austoben. Es ist eine Lust, ihm beim Tanzen zuzusehen. Einer der Höhepunkte war wie Aref ihn aufs Podest holte und die beiden zu einem Song von Modern Talking Dieter Bohlen und Thomas Anders imitierten. Aref sang in eine Flasche als Mikro und Bernd spielte die Luftgitarre.
Gegen vier Uhr morgens machten wir uns mit Frank auf den Weg ins Hotel. Es wurde bereits hell, die Vögel begannen ihr Morgenkonzert. Leider gab es keinen Shuttle Service mehr und wir mussten zu Fuss gehen.
Sonntag, 1. Juni 2003
Zum Abschluss des Chorspektakels gab es in der Mensa der Uni ein Brunch. Da wir von dort direkt zum Flughafen wollten, mussten wir unser Gepäck mitnehmen. Bernd hatte die rettende Idee, das Gepäck im Bahnhof in einem Schliessfach zu deponieren, eine weise Idee wie sich herausstellen sollte.
Bei der Uni angekommen wusste dort Niemand, wo die Mensa ist. Es war auch keiner der Chorschwestern zu sehen, die normaler Weise in scharen hätten eintreffen sollen und sicher nicht zu übersehen gewesen wären. Wir irrten eine Weile umher bevor wir ein Paar trafen, das auch auf dem Weg zum Brunch war. Sie wussten wo wir hin mussten und wir schlossen uns ihnen an. Zum Glück hatten wir die Tasche nicht dabei – den Rucksack mit dem Fotoapparat leider auch nicht.
Auf der Terrasse unter Sonnenschirmen stärkten wir uns. Es gab keine Sandwichs, aber Rührei und viel Käse. Der Renner war wohl der Orangensaft, alle hatten nämlich Durst.
Es wurde Zeit, Abschied zu nehmen. Schola Cantorosa sagte danke mit „Servus – gruezi und hallo“, ein Lied aus dem so genannten Schweizprogramm, was in Zürich vor 10 Jahren auf dem europäischen SchwuLesbischen Chorfestival aufgeführt wurde. Wir verabschiedeten uns von unserem Chorgötti Peter und auf ging es Richtung Bahnhof. Dort trennten wir uns von Frank aus München. Vielleicht sehen wir ihn Ende August in Hamburg wieder zum Alstervergnügen. Und weiter fuhren wir zum Flugplatz. Im „3-Wetter-Taft-Flieger“ gab es auf dem Flug nach Berlin dann das allerletzte Sandwich.
Die Abfahrt vom Flugplatz gestaltete sich ein wenig kompliziert. Es gab zwar einen Wegweiser zur Autobahn nach Hamburg, aber entweder hatten wir dann einen Hinweis übersehen oder es gab ihn einfach nicht. Wir landeten jedenfalls nicht auf der Autobahn. Eine kleine Rundfahrt kostete uns ca. 30 Minuten Zeit bevor wir den richtigen Weg gefunden hatten. Endlich auf der Autobahn lief alles wie am Schnürchen. Ca. um 20.00 Uhr waren wir wieder zu Hause, ein wenig kaputt, aber doch glücklich über das schöne Wochenende. Wir bestellten uns Pizza und machten es uns auf dem Sofa gemütlich.
Montag, 2. Juni 2003
Auf dem heutigen Probenabend gab es vor der Generalprobe für die nächsten beiden Konzerte am kommenden Wochenende eine Nachbetrachtung des Chorspektakels. Ausnahmslos alle Mitwirkenden hatten positive Eindrücke. Zwei unser Jungs waren mental besonders stark beeindruckt, einer konnte bei der Schilderung seiner Eindrücke die Tränen nicht zurückhalten. Dazu ist eigentlich nichts mehr zu sagen als: Es war eine wundervolle, tolle Zeit, die wir in Zürich hatten. Leider haben wir auf Grund der vielen Proben wenig Gelegenheit, uns die Stadt etwas näher anzusehen.