Darf man das?

Darf man Kritik an den Vertretern eines Staates üben, der sich in einem grausamen Krieg befindet? Ich bin der Meinung, dass man das darf. Worauf will ich hinaus?:
Botschafter Andrij Melnyk aus der Ukraine behauptet, dass viele Flüchtlinge aus seinem Land Deutschland den Rücken kehren weil sie sich hier nicht willkommen fühlen. Ich frage mich, woher das wissen will. Hat er mit den Flüchtlingen gesprochen? Wir sollten uns darüber Gedanken machen, warum die Leute hier nicht bleiben wollen.

Ich finde das ziemlich anmaßend von Andrij Melnyk, wie auch einige andere Dinge, die er Deutschland vorwirft, wie z.B. die Feststellung, dass wir keine schweren Waffen liefern. Bundeskanzler Scholz hat sich ja jetzt bereiterklärt, in die Ukraine zu reisen. Der Herr Botschafter erklärt „Die Ukrainer erwarten, dass der Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Kiew ein neues Hilfspaket deutscher Rüstungsgüter verkünden wird …“. Ich störe mich an dem Begriff „erwarten“.

Und während Selenskyj um moderne Flugabwehr bittet, pocht Klitschko auf Deutsche Hilfe.

Bei allem Verständnis für die Lage in der Ukraine, woher nehmen Politiker das Recht, Forderungen zu stellen und Erwartungen zu haben. Angemessen wäre es, von Wünschen zu sprechen. Außerdem gibt es internationale Vereinbarungen, dass Deutschland bestimmte Waffen gar nicht direkt in die Ukraine liefern darf. Daher gibt es ja das Modell des Ringtausches, d.h. andere Ländern liefen diese Waffen und Deutschland füllt den Bestand dort auf.

Und eins darf man nicht außer acht lassen: Wir hoffen zwar alle, dass Russland den Krieg nicht gewinnen wird. Aber was wenn doch, trotz der geforderten Waffenlieferungen? Dann freuen sich die Russen darüber, dass sie ihren dezimierten Waffenbestand mit Waffen aus dem Westen aufstocken und ergänzen können. Das Szenario, was daraus entstehen könnte, mag ich mir gar nicht vorstellen.

11 Gedanken zu „Darf man das?

  1. Der Wilhelm

    Tatsächlich hege ich gerade in Bezug auf einige ukrainische Politiker die gleichen Gedanken wie Du.
    Und zwar aus folgender Überlegung heraus:

    Natürlich ist der Wunsch der Ukraine nach Hilfe in Form von Waffenlieferungen durchaus verständlich, zumal sich dieser Krieg in gewisser Weise ja auch als Stellvertreter-Krieg präsentiert, in dem der Konflikt zwischen Nato/EU und Putins Russland sich immer mehr manifestiert. Soweit ist dieser Wunsch also durchaus in Ordnung.

    Auf der anderen Seite schiessen die Ukrainer dabei aber auch in manchen Punkten weit übers Ziel hinaus. Denn würde man alle Wünsche so erfüllen, wie sie das fordern, würde eine Ausweitung des bisher noch begrenzten Konfliktes auf Terretorien der Nato-Mitglieder an der russischen Grenze immer wahrscheinlicher. Erst recht, wenn Staaten wie Deutschland da nicht so vorsichtig agieren würden…..
    Und ich denke , im Grunde sollte das auch den Herren Klitschko und Melnyk klar sein, die mit ihrer Argumentation ohnehin schon stark polarisieren und auch spaltend auf die Diskussion über das Thema bei uns wirken.

    Persönlich bin ich zwar durchaus dafür, dass die Ukraine bekommt, was sie braucht, aber wenn, dann auch zu Konditionen, die nicht noch zusätzliches Konfliktpotential bergen oder gar zu einem Gesichtsverlusst des in dieser Beziehung sehr sensiblen Herrn Putins führen und damit in eine Kurzschlusshandlung münden könnten….

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    1. Hans-Georg

      Wenn Putin tatsächlich ein totkranker Mann ist, was niemand genau weiß, es gibt nur Vermutungen, dann ist ihm alles zuzutrauen, nach dem Motto: Kann mir doch egal sein.

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  2. Anne

    ja, das darf man durchaus. Und gerade Herr Melnyk ist mir schon länger unangenehm aufgefallen.
    Mit welchem Recht stellt er diese Forderungen? Bitten wäre da angebrachter – und ich habe auch noch nie gehört oder gelesen, das er seine Forderungen in diesem teilweise unverschämten Ton an andere EU Länder gestellt hat.
    Als Diplomat und Vertreter seines Volkes ist dieser Mensch – bei allem Respekt für die Situation in seinem Heimatland – einfach untragbar.

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    1. Hans-Georg

      Mit Diplomatie hat das jedenfalls nichts zu tun, was die Herren da verlauten lassen. Die Ukraine ist ja nicht mal in der EU, wobei ich die Verträge nicht kenne und nicht weiß, was im Militärfall gefordert werden darf.

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  3. Ralf

    Kein Land hat sich so eng mit Putins Russland eingelassen (außer China) wie Deutschland. Trotz des Eroberungsgkrieges gegen Georgien. Trotz der Annexion der Krim. Trotz dem Schwelbrand in der Ostukraine. Trotz den zahlreichen Morden und Verfolgungsmaßnahmen an Regimegegnern (auch außerhalb Russlands, sogar in Deutschland). Alles lief nach Hitler’schem Vorbild ab. Österreich, SudetenIand, Tschechien – Georgien, Krim, Ukraine. Wir dürfen uns fragen, wen Putin ausgewählt hat, um demnächst die Rolle Polens zu spielen. In Nibelungentreue standen die Regierungen Schröder und Merkel (welch letzterer auch Scholz angehörte) zu Russland. Den Großteil unserer Gasversorgung samt Anlagen haben diese Regierungen an Russland verschachert. Unsere militärische Wehrhaftigkeit haben sie gleichzeitig auf fast Null heruntergefahren. Motive sind teilweise bekannt. Schröder hat sich schlicht von Putin kaufen gelassen mit üppiger Versorgung im Ruhestand. Früher nannte man so was Landesverrat. Bei Merkel kennen wir das Motiv (noch) nicht. Beide sind unbelehrbar, haben keine Fehler gemacht, wie Merkel gerade erst öffentlich getönt hat. Scholz verspricht zwar unter öffentlichem Druck immer mehr Waffen – aber wann sollen sie geliefert werden? Heute meldet Rheinmetall, dass sechs Marder überholt und lieferbereit sind. Und wann rollen sie? Das entscheidet die Bundesregierung, die unter den Bündnispartnern hauptsächlich als Bremser auffällt und anfangs ernsthaft glaubte, mit 5000 Helmen davonzukommen. Ebenso ernsthaft wird immer wieder „argumentiert“, dass die Ukraine im 2. Weltkrieg Deutschlands Hauptopfer war, soll uns hindern, ihr jetzt gegen einen anderen Aggressor zu helfen. Welch ein boden- und charakterloser Schwachsinn. Und man darf Putin nicht reizen. Hätte Churchill gefürchtet, Hitler zu reizen, wäre der Planet, mindestens aber Europa heute ein braunes Imperium. Wir bewegen uns derzeit irgendwo zwischen Herbst 1938 und Sommer 1939. Wer da immer noch den Putinversteher und Russlandfreund macht, wird in Kürze merken, dass russische Panzer nicht mehr nach Kiew und Odessa rollen, sondern nach Warschau und Berlin. Als später Nachzügler fährt Scholz vielleicht doch noch nach Kiew, und nur wenn Macron und Draghi ihn mit sich zerren. Und diesem Deutschland sollen Russlands Opfer jetzt mit Zurückhaltung und Respekt begegnen? Nein, wer Penner aufwecken will, muss Ohrfeigen verteilen. Melnyk ist genau der richtige Mann auf seinem Posten.

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    1. Hans-Georg

      Die letzten Umfragen besagen, dass die Deutschen der Kritik aus der Ukraine nicht gerade positiv gegenüberstehen.
      Der ehemalige Vertreter der USA, sprich Botschafter unter Trump, war ja ähnlich herb mit seiner Kritik gegen Deutschland. Und sowas kommt gar nicht gut an. Botschafter sind Diplomaten, sollten sie jedenfalls sein, aber wie ich schrieb, hat das mit Diplomatie nichts zu tun. Das ist wüstes Gerede aus der Holzklasse.

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      1. Ralf

        Ja, auch mir fallen in der Zeitung immer mehr Leserbriefschreiber auf, die sich die Welt dahin zurechtlügen, dass nicht Putin, sondern Biden hinter dem Krieg steht, und die die Souveränität freier Völker abschaffen wollen zu Gunsten sogenannter Interessenzonen totalitärer Diktaturen. Die nutzen das 9-Euro-Ticket als Freifahrtschein ins 19. Jh. Unser koreanischer Mitbewohner hat mir ein schönes Denkmodell aus seiner Heimat erklärt: Der Hund unterwirft sich dem Tiger als Diener und glaubt, so kommt er mit dem Leben davon. Aber wenn der Tiger alle anderen gefressen hat, wird er auch den Hund fressen. – Und zum Vergleich mit Grenell – der gebärdete sich wie Deutschlands US-Militärstatthalter, aber Melnyk vertritt ein völkerrechtswidrig überfallenes Land, das gerade um sein Überleben kämpft. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge, die ganz verschieden beurteilt werden müssen, auch in Bezug auf das Auftreten. (Und zähneknirschend gibt ja wohl inzwischen jeder, der seinen Verstand wiedergefunden hat, zu, dass Grenell nicht in der Form akzeptabel war, aber in Sachen Nord Stream 2 vollkommen recht hatte.)

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  4. Frau Momo

    Mal ganz unabhängig von den Forderungen, ich finde eine solche Äußerung wie „dass viele Flüchtlinge aus seinem Land Deutschland den Rücken kehren weil sie sich hier nicht willkommen fühlen“ auch eine unerträgliche Klatsche in Richtung der vielen Menschen, die sich engagieren, Menschen bei sich aufnehmen, Spenden sammeln, die Geflüchteten unterstützen, wo sie nur können, sogar private Konvois organsieren, um die Menschen aus der Ukraine zu holen.
    Ich glaube, nicht willkommen fühlen sich hier andere und das leider auch zum Teil berechtigt.

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  5. Trude

    Ich weiß gar nicht wo die Ukraine das Recht hernimmt etwas zu fordern?
    Sie ist weder in der EU, noch in der NATO und Deutschland somit zu nichts verpflichtet.
    Trotzdem wird geholfen. Sowohl militärisch, als auch politisch. Und vor allem humanitär.
    Was würden all die Flüchtlinge ohne die Hilfsbereitschaft hier machen? Angefangen mit kostenlosen Bahnfahrten, bis zur Aufenthaltserlaubnis?

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