Solidarität

Glocken werden geläutet, die Menschen gehen auf die Straße, es wird gesammelt (Geld- und Sachspenden), blau/gelb schreit einem von überall entgegen. Und das ist auch gut so! Kritik aus dem Volk, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine hier nicht willkommen sind, habe ich noch nicht vernommen. Niemand muss sich hinstellen und sagen „Wir schaffen das!“. Es ist selbstverständlich, dass wir Kriegsflüchtliche aufnehmen. Sie kommen nämlich aus Europa, kleiden sich so wie wir, sehen so aus wie wir. Und der böse böse Russe hat die Schuld an allem.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich Deutschland in diesem Umfang mit den Flüchtlingen aus Syiren, aus Afghanistan, aus dem Irak solidarisiert haben. Ja, es wurde gespendet, Sachspenden, Zeugs, das keiner mehr haben wollte. Und es wurden Stimmen laut: Warum kommen die hierher, die sollen dableibe und ihr zerstörtes Land wieder aufbauen.

Das, was in ihren Heimatländern passierte, war weit weg, war nicht Europa. Die Menschen sehen anders aus, sie sind nicht so wie wir. Sie kleiden sich anders, sie haben einen anderen Glauben, sie essen andere Speisen – mit einem Wort: Sie sind fremdartig. Deshalb haben sie nicht die Solidarität erfahren, die ihnen ebenso zusteht wie den Menschen aus der Ukraine.

Aber jetzt passiert der Krieg vor unser Haustür und ein Teil der Deutschen hat Angst vor den bösen Russen, besser vor dem einen bösen Russen. Man zeigt seine Solidarität: Seht, wir sind an eurer Seite. Aber Putin interessiert das eh nicht. Er hat die Möglichkeit, die Ukraine plattzumachen.

Ich sage nicht, dass die Solidariät für die Ukrainer falsch ist. Aber es hätte uns Deutschen gut zu Gesicht gestanden, sie auch für die anderen Länder so intensiv zu zeigen.

9 Gedanken zu „Solidarität

  1. Ralf

    Ich erinnere mich sehr gut, mit welchem Jubel die ersten Ankömmlinge aus Syrien einst am Münchner Hauptbahnhof vom bayerischen Volk empfangen wurden. Ich weiß auch, wie groß regelmäßig beim Münchner CSD der Applaus ist, wenn gefüchtete Schwule aus aller Verfolgerherren Länder (egal wie sie aussehen, wie sie sprechen und sich kleiden) in der Parade auftauchen. Gar so finster sieht es nicht aus, wie Du es wahrnimmst. Ansonsten gilt, was Joachim Gauck sagte: „Unsere Herzen sind weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Und wenn -wie auch in München geschehen- Einwanderer aus Vorderasien am Sendlinger Tor kampieren und Bäume besetzen (was Einheimische auch nicht dürften), um auf Teufel komm raus ihre Forderungen erfüllt zu kriegen, dann verengen sich Herzen nachvollziehbarerweise.

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    1. Hans-Georg

      Ich sage ja nicht, dass es keine Solidarität, keine Sympathiekundgebungen gab. Aber die waren eben nicht so dermaßen massiv wie das, was zurzeit in Deutschland passiert. Und wer sagt uns, dass die Flüchtlinge, die jetzt zu uns kommen, keine Protestaktionen starten?
      Und ein CSD repräsentiert sicher nicht die Meinung der Deutschen.

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  2. Trude

    Hallo Hans-Georg,
    es ist nun einmal so, das der Mensch sich grundsätzlich vor dem fürchtet das anders und unbekannt ist.
    Das zeigt sich an deinem Beispiel sehr gut.
    Hier in Münster sind schon sehr viele Flüchtlinge aufgenommen worden. Ob in der deutschen Nachkriegszeit z.B. die Verwandtschaft meines Großvaters oder bei allen späteren Flüchtlingswellen. Sie wurden vom größten Teil der Bevölkerung mit offenen Armen aufgenommen und sind größtenteils integriert.
    Auch bei dieser neuen Flüchtlingswelle ist die Hilfsbereitschaft wieder sehr groß und der Oberbürgermeister hat schon angekündigt wieder mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als wir müssen.
    Im übrigen bin ich mir gar nicht sicher, ob diese Neuankömmlinge römisch katholisch oder evangelisch sind, oder nicht eher orthodox? Aber egal – wo neben den vielen Kirchen im Stadtgebiet auch vier Moscheen stehen, da kann auch noch eine weitere hin.
    Ich wünsche dir einen schönen Abend.
    Liebe Grüße
    Trude

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  3. Der Wilhelm

    Ich Denke, Du liegst nicht falsch mit Deiner Wahrnehmung, zu der ich noch etwas ergänzen möchte:

    Ich meine mich zu erinnern, dass am Anfang, kurz nach Frau Merkels „wir schaffen das!“, tatsächlich so etwas wie einen Euphorie zu spüren war, was Hilfsbereitschaft anging – nachdem ja vorher bezüglich der Lampedusa-Flüchtlinge eine deutliche Ablehnung der Übernahme aus Italien den Grundton der Disskussion bestimmte.

    Aber diese Euphorie hielt leider nur so lange an, bis die ersten Leute merkten, dass auch Flüchtlingslager in ihrer Nähe eröffnet werden sollten ( wie etwa in Pöseldorf und Blankenese) und dagegen opponierten (ich wähle beswusst mal nur Hamburger Beispiele, anderswo war es sicher genau so und sicher nicht nur auf die Hamburger Nobel-Stadtteile beschränkt)
    Da war dann plötzlich Schluss mit lustig und die Lage kippte.

    Und ich fürchte, das wird man bald auch in Bezug auf die Menschen aus der Ukraine erleben, wenn der Flüchtlingsstrom anhält und es wirklich mehrere Millionen werden, die das Land verlassen,um so mehr wenn sich irgendwann abzeichnen sollte, dass sie nicht wieder zurück können.

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  4. Elvira

    Ich weiß, das ist jetzt pauschal gesagt, aber mir scheint es so, dass, wenn etwas den Menschen zu nahe kommt, was ihren komfortablen Alltag stören könnte, Dinge wie Hilfsbereitschaft, Verzicht, Toleranz usw immer kleiner werden. Vielleicht stammt das noch aus unseren Urzeiten: Das ist meine Höhle, hier wohne ich und mein Clan. Corona hat uns das doch ganz deutlich vor Augen geführt, welche relativ kleinen Einschränkungen schon als persönlicher Freiheitsentzug gewertet werden. In der Klimapolitik ist das ja auch zu beobachten. Ein Windrad in der Nähe meines Hauses? Niemals! Das stört die Optik und mindert den Wert meiner Immobilie. Was erwartet man denn von Menschen, die über den teuren Sprit jammern und dabei spritfressende Monsterautos fahren?
    Was unseren Umgang mit Flüchtlingen betrifft, so ist es tatsächlich so, dass uns Menschen, die uns ähneln, deren Art wir meinen zu kennen, näher sind als andere Kulturen. Die finden wir vielleicht auf Reisen interessant, sind fasziniert von ihrer Andersartigkeit und loben deren Gastfreundschaft. Natürlich öffnen wir unsere Geldbörsen um zu spenden, aber die Herzen werden selten geöffnet. Also bleiben im übertragenen Sinn auch die Türen geschlossen. Wie heißt es doch?
    Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch. Das gilt zum mindesten solange, als man sich nicht kennt.

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  5. Hans-Georg

    @Alle: Wir sollten uns daran erinnern, dass damals viele Menschen aus dem Osten „vor den Russen“ geflüchtet sind und im Westen aufgenommen wurden. Es war sogar so, dass Flüchtlinge Leuten mit einer großen Wohnung zugeteilt wurden, wer nicht eh schon welche aufgenommen hatte (ich weiß das aus Erzählungen meiner Familie). Ich hoffe mal, dass du derzeitige Euphorie anhält.

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