Cabaret im Hansa-Theater


Als ich vor ca. einem Jahr entdeckte, dass das Musical Cabaret in Hamburg im Hansa-Theater aufgeführt werden würde, war mit sofort klar: Da muss ich hin. Erstens ist das altehrwürdige Haus wie gemacht für Cabaret und zweitens: Ich liebe dieses kleine Verzehrtheater, in welchem ich vor vielleicht 50 Jahren mehrmals mit Mama und Oma gewesen bin. Seinerzeit war es ein Varietetheater für Kleinkunst wie Jongleure, Bodenakropatik, Einradakrobatik, Zauberer, Clowns usw. Auch die legendäre Josephine Baker hat dort im Bananenröckchen getanzt, aber wohl eher abends. Man sitzt zu viert nebeinander an Tischen, an denen nachmittags Kaffee und Torten serviert wird. Mit seinen 491 Plätzen ist es ein eher kleines Theater. Die Reihen sind stufenweise angeordnet und durch die Tische mit den Messinggittern am Rand, damit dem Vordermann die Torte nicht auf die Föhnfrisur oder die Dauerwelle fällt, hat das Theater einen sehr intimen Charakter.


Cabaret spielt in Berlin in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der Nationalsozialismus blühte gerade auf, Fremdenhass, besonders der Hass auf Juden waren an der Tagesordnung. „Deutschland den Deutschen“ ertönte es dann auch von der Bühne. Wir befinden uns jetzt am Beginn der 20er Jahre des nächsten Jahrhunderts … – wir wissen alle, was in den letzten Tagen und Monaten hier passiert ist, welche Partei versucht ein Bein in der Macht auf den Boden zu bekommen, mit welchen Hassreden versucht wird, Wähler zu bekommen. Wir können nur hoffen, dass sich „der Schiss“ nicht wiederholt.

Cabaret hat 2 Handlungsstränge, die miteinander verwoben sind. Da ist der KITKAT CLUB, in dem Sally Bowles als leichtbeschürzte Tänzerin und Sängerin auftritt. Sie verliebt sich in Cliff Bradshaw – oder er in sie? -, ein Schriftsteller aus Amerika.

Fräulein Schneider, die Zimmervermieterin, eine alte Dame und Herr Schultz, der Obsthändler, ein alter Herr, schmieden Hochzeitspläne. Auf der Verlobungsfeier erscheint Ernst Ludwig, mit Hakenkreuz am Ärmel seines Mantels. Als er herausbekommt, dass Herr Schultz Jude ist, lässt er durch ein Gespräch mit Fräulein Schneider die Hochzeit platzen. Cliff Bradshaw, dem Schriftsteller, ist schon lange bewusst, was in Deutschland passiert und will nur noch weg.

Es gibt viele Gänsehautmomente, verursacht durch die Vergleiche mit der aktuellen Situation bei uns. Ernst Ludwig, den Parteimann, möchte man am liebsten von der Bühne zerren oder ihn anschreien, er solle endlich die Fresse halten.


Die Bühnenausstattung ist sehr sparsam. Viel mehr lässt sich wohl in diesem Theater mit der kleinen Bühne auch nicht herausholen. Aber das ist total nebensächlich. Die Handlung nimmt einen gefangen, die von großartigen Protagonisten getragen wird.
Tim Fischer steht als dämonischer Conferencier auf der Bühne.
Anneke Schwabe singt und tanzt als Sally Bowles im KITKAT CLUB und spielt überzeugend die Liebhaberin von Cliff Bradshaw. In dieser Rolle glänzt Sven Mattke, besonderst am Ende, als er versucht, Sally davon zu überzeugen, mit ihm nach Paris zu gehen.
Verdienten Jubel und Bravorufe beim Schlussapplaus ernteten Ilona Schulz als Fräulein Schneider und Peter Franke als Herr Schultz. Diese Rollen sind hervorragend besetzt.
Stattlich und überzeugend spielte Timo Klein den Parteimann Ernst Ludwig. Vereinzelnt ertönten aus dem Publikum Buhrufe, nicht wegen seiner Leistung als Schauspieler, die Missfallensbekundungen waren der Rolle als Parteimann geschuldet.

Cabaret im Hansatheater – eine großartige und beeindruckende Inszenierung, die begeistert, mich aber ziemlich bedrückt zurückließ. Denn das Thema ist doch sehr aktuell und präsent. Gehe ich sonst mit einem lächeln und beschwingt aus einem Theater, auch mal aufgewühlt mit einem Tränchen aus der Oper, war es gestern Abend ganz anders, so habe ich mich noch nie erlebt.

Die Veranstalter haben freundlicherweise eine Fotoserie der Inszenierung zum Download bereitgestellt. Die 4 von mir gezeigten Szenenfotos sind aus dieser Serie. Das Copyright liegt bei Kerstin Schomburg.

4 Gedanken zu „Cabaret im Hansa-Theater

    1. Hans-Georg

      Ich vergaß zu erwähnen, dass Fräulein Schneider und Herr Schultz dem Alter der Rolle entsprechend besetzt sind. Das wirkt sich stark auf die Ausstrahlung der Personen aus. Die großen Musicaltheater haben zwar die Möglichkeit eines tollen Bühnenbildes, aber die Rollen werden mit zu jungen Darstellern besetzt und mit viel Gips im Gesicht und Perücken auf alt getrimmt. In diesem kleinen Theater war das perfekt.

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  1. Trulla

    Danke für den Bericht. Bei mir hat es leider vor meinem derzeitigen, mehrmonatigen Auslandsaufenthalt nicht mehr geklappt mit Tickets. Den Film kenne ich und hätte die Theaterfassung gern gesehen.
    Ich schätze dieses Varietétheater sehr. Und finde großartig, dass es nun ganzjährig genutzt wird. Seit Wiedereröffnung gehen wir jedes Jahr in die Novembervorstellung. Die dort auftretenden Künstler haben internationalen Rang und ihre Kunst live zu erleben hat uns noch nie enttäuscht. Zumeist hatten wir auch Glück mit der durchs Programm führenden Conference, die bis zum Termin leider unbekannt bleibt.

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    1. Hans-Georg

      Ich habe eine Theaterfassung vor mehr als 20 Jahren mal in Lübeck gesehen. Da war das Thema noch gar nicht aktuell. Trotzdem war ich seinerzeit sehr beeindruckt. Es ist wirkilch schade, dass du diese wunderbare Inszenierung verpasst.

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