Ehe für alle?

Wie ich befürchtet habe, ist die Kuh noch nicht vom Eis, wenn man das Interview von Hans-Peter Uhl hört. Seine Aussagen sind zum Teil hanebüchen. Allein beim Spruch, dass sich die Ehe „seit menschengedenken“ auf eine Verbindung zwischen Mann und Frau bezieht, kommen mir die Nackenhaare hoch. Vor menschengedenken war die Erde auch noch eine Scheibe!

Weiter bezieht sich Herr Uhl auf Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Auch aus dem weiteren Wortlaut des Artikel 6 lässt sich nicht ableiten, dass mit „Ehe“ und „Familie“ eine Ehe zwischen Mann und Frau gemeint ist. Sobald die heute vom Bundestag beschlossene „Ehe für alle“ rechtlich wirksam ist, fällt auch eine Ehe zwischen homosexuellen Paaren „unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“, so einfach ist das!

In Artikel 1, Absatz 1 steht übrigens:
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Wenn man also den Artikel 6 so hinbiegt, dass nur Mann und Frau eine Ehe eingehen können, dann lässt sich auch Artikel 1 so hinbiegen, dass Schwulen und Lesben eine Ehe nach dem Gesetz eingehen können. So einfach ist das!

Ich befürchte, dass uns dieses Thema noch etwas länger beschäftigen wird, und das nicht gerade positiv.

Nachtrag:
Die Liste der Abgeordneten ist veröffentlicht worden, wer welcher Partei wie abgestimmt hat. Erstaunlich, dass von der CSU auch einige Abgeordnete bei den Jasagern dabei waren. Das hätte ich nicht gedacht.

28 Gedanken zu „Ehe für alle?

  1. Ralf

    Du weißt doch, wie es ist. Für Schwule und Lesben gilt das Grundgesetz, gelten die Grundrechte nicht. Sie stehen immer unter Ausnahme- und Sonderrecht. Was in zivilisierten Staaten Gleichheit vor dem Gesetz heißt, ist in Deutschland verfassungswidrig. Diese Sch…parolen müssen wir uns doch anhören, seit wir denken können. – Aber ich glaube nicht, dass die Ewigvorgestrigen noch was ausrichten können. Erst mal brauchen sie 158 Unterschriften aus der Unionsfraktion. Ob sie die kriegen, ist schon zweifelhaft. Wer da unterschreibt, beschuldigt 75 Abgeordnete der eigenen Fraktion, darunter zwei Bundesminister, zwei Staatsminister und den eigenen Generalsekretär, des Verfassungsbruchs und wendet sich aktiv gegen die Mehrheit der eigenen Wählerschaft, insbesondere in den Großstädten. Da werden viele sehr lange überlegen und lieber nicht unterzeichnen. Schon unter dafür viel günstigeren Umständen (weil die Union voll abgelehnt hatte) scheiterte der berüchtigte Norbert Geis bei der Unterschriftensuche gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz erster Fassung. Und wenn doch: Das Bundesverfassungsgericht hat bei seinem Urteil in der Aktion Standesamt in den Neunzigern gesagt, dass das Wesen der Ehe dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen unterliege. Die hat sich seither kräftig gewandelt mit nach Umfragen bis zu über 80% der Deutschen, die die Ehe nicht mehr von der Geschlechtsverschiedenheit abhängig machen wollen. Alle Staaten des „alten“ Westens (westlich des ehem. Eisernen Vorhangs) außer Österreich, der Schweiz und Italien, dazu der überwiegende Teil des amerikanischen Kontinents, Taiwan, Südafrika, Neuseeland und Israel haben seit Beginn des Jahrhunderts die Ehe geöffnet, manche auf Urteile ihrer Höchstgerichte hin, die das Eheverbot als menschenrechtswidrig verworfen hatten. Die meisten evangelischen Landeskirchen akzeptieren gleichgeschlechtliche Ehen. Viele Kirchen im Ausland tun das ebenfalls. Der Europarat und das EU-Parlament bewerten sie positiv. Im abendländischen Kulturraum und Rechtskreis von der Ostgrenze Finnlands bis zur Südspitze Argentiniens ist die Ehe nicht mehr exklusiv heterosexuell. Nur religiöse Extremisten, Nazis, deutschsprachige Konservative und sozialistische Diktaturen sehen das heute noch anders. Über all das kann das Bundesverfassungsgericht sich nicht hinwegsetzen. Wer eine solche Klage einreicht, stellt sich auf eine Stufe mit den nicaraguanischen Sandinisten, dem venezolanischen Pleitediktator Maduro, den Rechtsextremisten der nordirischen DUP und dem gerade erst wieder als Hort sexuellen Missbrauchs entlarvten Vatikan. (So tief sinkt nicht mal Donald Trump.) Und er muss sich als nächsten Koalitionspartner die AfD aussuchen, denn das ist die einzige Partei außer der NPD und den Bibeltreuen Christen, die die Eheöffnung ablehnt. By the way: Für mich war heute Vormittag das schönste Bild, als das Abstimmungsergebnis verkündet wurde und ein schwules Paar auf der Besuchertribüne sich umarmte und küsste – und unmittelbar davor Beatrix von Storch saß, die Mundwinkel bis zu den Knien heruntergezogen.

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    1. Hans-Georg

      Ich habe die Abstimmung leider nicht verfolgen können. Aus Terminlichen Gründen musste ich gleich heute Morgen meine Schwimmstunde machen. Als ich dann im Wagen nach Hause fuhr, bekam ich das Ergebnis gerade vom Moderator präsentiert.
      Das Bild der Störchin geht ja schon durch die Sozialen Medien. Na ja, die sieht ja eigentlich immer so aus.

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      1. Ralf

        Das stimmt. Ein Gesichtsausdruck, von dem jede Milch sauer wird. Dafür seh ich jetzt anders aus. Ich war vorhin beim Friseur und hab jetzt eine Glatze. Ich hatte zu Beginn der Wahlperiode gewettet, dass die Eheöffnung nicht kommt. Trotzdem: lieber keine Haare, aber einen Trauschein, als umgekehrt. :-):-):-)

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  2. Jane Blond

    Ich hab so an dich, deinen Mann, Jan-Gerrit und seinen, an meine Lesbenfreundinnen gedacht und an alle, die absehbar dürfen, wie sie wollen, fühlen, lieben.
    Ich finde das so überdimensional grandios. Mir ist das Herz aufgegangen.

    Klar ist die Kuh noch nicht von Eis. Da aber das Verfassungsgericht den Schutz bei gleichgeschlechtlichen Paaren seit Jahren Peux a Peux an den der Heten angepasst hat, denke ich nicht, dass das am Ende doch noch scheitert. Alles wird gut, glaubs mir!

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      1. Jane Blond

        Wie die Abstimmung ausgeht, war ja an zwei Fingern auszurechnen. Als das Ergebnis dann aber bekannt gegeben wurde, hab ich eine Ganzkörpergänsehaut gehabt und ein Büschen mehr Pipi in den Augen.

        Wenn ich jetzt überall die Merkelschelte lese, weil sie dagegen stimmte … Ich sehe das anders. Sie hat das, entgegen ihrer ureigenen Meinung und wissend, dass der Antrag durchflutscht, freigegeben. Das nenne ich Demokratie. Dass das Jahre zu spät kommt ist dann wieder ein anderes Thema. Auch, welches ihre Beweggründe waren, das so kurz vor der Wahl zu machen, unter dem Druck etwaiger Koalitionspartner für die nächste Legistaturoeriode. Alles egal.
        Am Ende zählt nur das Ergebnis.

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        1. Hans-Georg

          Es gibt Gerüchte, dass sie das in dem Interview am Montag so gar nicht so sagen wollte. Es könnte sein, dass sie da die Worte verdreht hat oder ihr irgendwas gerade quer im Hals gesteckt hat und dass es dann so rausgekommen ist, wie sie es gesagt hat. Egal, es hat funktioniert, auch wenn sie es vielleicht so eigentlich gar nicht sagen wollte.

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  3. Elke

    Prinzipiell kommentiere ich ja nix Politisches 😉, aber ich muss wenigstens los werden, dass es mir sowas von Würstchen ist, welche sexuellen Neigungen meine Mitmenschen haben und ob sie heiraten oder nicht; das spielt doch gar keine Geige. Ich wünsche Euch, dass das Thema endlich mal abgehandelt wird ; und zwar zu Eurer Zufriedenheit. Und dann ist es hoffentlich endlich mal gut. Wer was mit wem macht, ist doch wirklich scheissegal. Vielleicht bin ich ja ein Exot, aber im Freundeskreis meiner Eltern waren immer auch homosexuelle Paare, sodass das für mich Normalität war/ist. Und später im Berufsleben – ich habe einige Jahre beim WDR gearbeitet – war das auch nie irgendeine Bemerkung wert. Also, OMMMM…, irgendwann wird alles gut. LG und schönes Wochenende – Elke

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    1. Hans-Georg

      So einen ähnlichen Kommentar habe ich gerade auf einer News-Seite gelesen, nämlich dass es einem Großteil der Bundesdeutschen Einwohner egal ist, was wir so treiben und was wir möchten.
      Nach vielen Jahren ist es nun endlich gelungen, von der 2. in die 1. Klasse aufzusteigen, nicht mehr rechtlich/gesetzlich diskriminiert zu werden.
      Normal wird es für viele Menschen noch lange nicht sein, wenn 2 Väter mit einem Kind auf einem Spielplatz auftauchen oder verreisen. Sie werden noch viele Jahre schief angeschaut werden und man wird sich im Stillen fragen, ob die nicht pädophil sind. Normalität im täglichen Miteinander ist mit der „Ehe für alle“ noch längst nicht eingekehrt.

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          1. Hans-Georg

            Was wir treiben, ist eigentlich nebensächlich, die Liebe steht im Vordergrund. Das verkennen leider immer noch viele Menschen, u.a. die, die sich das Wort „chrstlich“ auf ihre Fahnen geschrieben haben.

      1. Elke

        Oh nein, es ist mir bzgl. der Meinung zu dem Thema überhaupt nicht egal, für mich ist das einfach normal und nicht wert, permanent durchgekaut zu werden. Deshalb hoffe ich, dass das Thema bald vom Tisch. LG Elke

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          1. Jane Blond

            Naja, ich hatte das Pipi nicht wegen des „Treibens“ in den Augen … es geht auch um nichts anderes, als um Liebe und jetzt endlich auch Gleichberechtigung / Gleichstellung in allen Belangen.
            Willkommen in der ersten Klasse.

  4. Ute Plass

    „Ehe für alle“ wird sicherlich noch ein Thema bleiben, vor allem wenn es um das umstrittene Ehegatten-
    splitting geht, dessen Abschaffung in verschiedenen gesellschaftspolitischen Kreisen diskutiert wird.

    Denke, dass das heutige Rechtskonstrukt Ehe, (dem noch so etwas wie eine patriarchale Patina anhaftet),
    ein Auslaufmodell ist und die (auch steuerliche) Unterstützung denen zuteil werden sollte, die Sorgearbeit
    übernehmen, ob nun für Partnerinnen, Kinder, Pflegebedürfte….

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      1. Ute Plass

        Sehe ich auch so.
        Wollte damit sagen, dass sich die Diskussionskreise vergrößern dürften „und das ist gut so“. 🙂

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  5. Lotta

    Nach vielen Jahren ist es nun endlich gelungen, von der 2. in die 1. Klasse aufzusteigen, nicht mehr rechtlich/gesetzlich diskriminiert zu werden.

    Also dieser Satz hat mich sehr traurig gemacht.
    Wenn man bedenkt was Menschen bis zu diesem Tag schon ertragen mussten.
    Wem und was Sie allem ausgesetzt waren.

    Nun soll aber endlich Ruhe sein und jeder seinen Lieblingsmenschen heiraten dürfen.
    Mit allen Rechten und Pflichten. Nicht davon ein bissel und davon etwas weniger.
    Wir sind doch alles nur Menschen…dann wollen wir uns doch auch so miteinander benehmen.

    Ganz liebe Grüße und tausend Sterne für Euch…Lotta

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    1. Hans-Georg

      Liebe Lotta, mit diesem Entscheid ist noch nicht alles gut. Wir werden weiterhin mit Inakzeptanz und Intoleranz konfrontiert werden, das ist sicher. Wir müssen weiterhin darauf achten, in welchen Gegenden wir Hand in Hand gehen oder auch mal Zärtlichkeiten austauschen können, wie z.B. ein kleiner Kuss.
      Außerdem ist eine Klage beim Bundesverfassungsgericht noch immer möglich.

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  6. Ute Plass

    Diskussions-Sendung jetzt im Deutschlandfunk:
    Gleichstellung oder Gleichmacherei?
    Wie sinnvoll ist die „Ehe für alle“?
    Gesprächsgäste:

    Volker Beck, Bündnis90/Die Grünen, MdB, Migrations- und religionspolitischer Sprecher, ehem. Parlamentarischer Geschäftsführe
    Johannes Kahrs, SPD, MdB, Haushaltspolitischer Sprecher, Fraktionsbeauftragter für Belange von Lesben und Schwulen
    Martin Patzelt, CDU, MdB, Mitglied des Bundestags-Ausschusses für „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ sowie für „Menschenrechte und humanitäre Hilfe“, ehem. Oberbürgermeister in Frankfurt/Oder

    http://www.deutschlandfunk.de/kontrovers.1768.de.html

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  7. Ute Plass

    „Endlich, endlich, endlich – Halleluja!“
    Die Geschichte der Ehe sei auch eine des Wandels, sagt die evangelische Theologin Isolde Karle im Dlf. Die Öffnung für Homosexuelle habe nicht nur eine politische Dimension, sondern auch eine seelsorgerliche, „weil wir wissen, dass viele Schwule und Lesben darunter leiden, dass sie nicht wirklich anerkannt sind.“

    Isolde Karle im Gespräch mit Christiane Florin

    http://www.deutschlandfunk.de/ehe-fuer-alle-endlich-endlich-endlich-halleluja.886.de.html?dram:article_id=389970

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