Was für ein Abend! Das Musical Liebe Stirb Nie, die leider beim Publikum nicht beliebte Fortsetzung des Musicals Phantom der Oper, feierte eine glänzende Derniere im Operettenhaus Hamburg. Glänzend? Das sagt man doch nur bei einer Premiere, oder? Ich glaube die Aufführung am gestrigen Abend stand einer Premiere in nichts nach. Ausser das Phantom selbst, aber dazu komme ich noch.
Vor dem Beginn der Aufführung wurden die Namen derer Verlesen, die, nachdem der Vorhang gefallen sein würde, das Operettenhaus verlassen müssen. Bei vielen Namen brandete Beifall auf im Parkett und auf dem Rang, nicht deshalb, weil diese Menschen nun endlich das Haus verlassen, nein, der Beifall war Ausdruck der Zuneigung und der Leistung der vielen Menschen, die Teil dieser wunderschönen Inszenierung waren. Ein erstes Tränchen stahl sich in meine Augen. Jetzt schon?! Das kann ja noch was werden, dachte ich.
Dann erfolgte die obligatorische Ansage, dass keine Fotos und Mitschnitte erlaubt und die Handys bitte auszuschalten sind, mit dem abschließenden Hinweis: Die heutige Aufführung wird musikalisch geleitet von Bernhard Volk. Bei der Erwähnung des Namens wieder Beifall und Jubel, der sich bis in die ersten Takte der Ouvertüre hinzog. Wow!
Beifall und Jubel auf offener Szene sollte es noch reichlich während der Aufführung geben, sowas ist sonst nur üblich bei einer Premiere, so denn die Leistungen dies rechtfertigen. Bei dieser Aufführung war es sowas wie ein „Adieu“.
Bei aller Tragik der Handlung verstanden es die Akteure, die Aufführung hin und wieder mit ein paar spaßigen Einlagen aufzulockern, wie es halt bei einer Derniere üblich ist. Besonders die Rolle des Raoul Vicomte de Chagny bot dazu reichlich Anlass, greift er doch gern mal zu einem Drink.
Am Ende der Pause wurden von einem Fanclub Knicklichter an die Zuschauer verteilt um damit eine melancholische Stimmung am Ende der Vorstellung zu erzeugen. Mein Mann schaffte es, gleich schon beim ersten Beifall seine Lichter zu knicken. Um unerwünschte Lichteffekte während der Fortsetzung der Aufführung zu vermeiden, legte er sie auf den Boden und stellte seinen Fuß drauf.
Als Rachel Anne Moore in der Rolle der Christine Daaé das die Handlung entscheidende und gleichzeitig Titellied gesungen hatte, sprang das Publikum fast synchron auf, spendete frenetischen Beifall, vermischt mit Jubelrufen. Die Frau ist auch wirklich toll.
Kurz darauf war das Stück dann zu Ende. Christine lag, durch einen Pistolenschuss, der eigentlich gar nicht ihr galt, niedergestreckt auf dem Steg am Wasser und starb in den Armen vom Phantom. Raoul, ihr Mann konnte sie nur tot in seine Arme schließen, er war schon unterwegs zum Schiff gewese, welches ihn von Amerika nach Frankreich zurückbringen sollte. Das Phantom wollte sich vom Steg in die Fluten stürzen, aber der kleine Gustave, Sohn von Christine und Raoul (oder wessen Sohn?) ging zu ihm hin und legte ihm eine Hand auf die Schulter – für mich der einzige Moment, der mir feuchte Augen bescherte.
Und dann war das Phantom II endgültig Geschichte im Operettenhaus. Geschlossen stand das Publikum auf, Beifall, Jubel für die Darsteller (mein Mann ist heute noch heiser). Blumen wurden auf die Bühne geworfen, Blumen wurden auf der Bühne verteilt. Bernhard Volk, der Dirigent, kam zur Feier des Tages im Frack auf die Bühne, was beim Musical ganz und gar unüblich ist. Alle Kinderdarsteller, die für Rolle des kleinen Gustave mal auf der Bühnen gestanden haben, wurden auf die Bühne geholt um noch einmal ihren Applaus entgegenzunehmen, ebenso wie Zweitbesetzungen. Roul kam mit einer Flasche Alkohol auf die Bühne und prostete dem Publikum zu. Eine Abschiedsstimmung kam eigentlich gar nicht auf, es war eher eine fröhliche Abschiedsparty. Während aus dem Orchestergraben nochmal ein Medley der Melodien erklang, war durch den Gazevorhang zu sehen, wie die Darsteller miteinander sprachen und sich umarmten. Da gab es ganz sicher ein paar feuchte Augen.
Und jetzt unsere persönliche Meinung zu den Akteuren:
Da ist Christine Daaé, wunderbar gespielt und toll gesungen von Rachel Ann Moore, einfach grandios.
Ebenso grandios spielt Yngve Gasoy-Romdal in der Rolle des Raoul Vicomte de Chagny, Ehemann von Christine Daaé. Yngve hatte durch sein schauspielerisches Talent einen großen Anteil am Gelingen des Abends.
Und wo bleibt das Phantom? Tja, leider unter „ferner liefen“. Mathias Edenborn spielt das Phantom ohne Tiefgang, seine Stimme hat nicht das diaboilische, das diese Rolle haben sollte. Sein Spiel ist eher farblos – wie auch seine Stimme. Mein Fazit: Mathias Edenborn spielt ein x-beliebiges Phantom – der Isländische Tenor Gardar Thor Cortes IST das Phantom. Wir hatten das große Glück, diesen großartigen Protagonisten 2 Mal in diesem Musical auf der Bühne erleben zu dürfen. Wir hatten gehofft, dass er in der Derniere ein letztes Mal auf der Bühne stehen würde. Er hat wohl schon ein anderes Engagement. Mit seinem Können muss er sich keine Sorgen um Aufträge machen.
Trotz des Wehrmuttropfens: Es war ein wahrhaftig toller, ein besonderer Abend, den wir noch lange in Erinnerung behalten werden.