Keine edlen Reste


Mit der sprichwörtlichen Erkenntnis „Es ist nicht alles Gold was glänzt!“ – Silber übrigens auch nicht – doch um einem erklecklichen Betrag mehr in meiner Geldbörse, verließ ich gestern frohgemut das Ladenlokal der Firma Schiefer & Co. in Hamburg St. Georg. St. Georg?! Da gehen bei eingeweihten Hamburgern alle roten Lampen an. Stricher, Dealer, Nutten, Stundenhotels, Obdachlose – diesen runtergekommenen Ruf hat der Stadtteil St. Georg. Und ausgerechnet da befindet sich eine alteingesessene Firma, die mit Gold und Silber handelt?! Kann man denen denn trauen? Man kann, denn Schiefer & Co. gibt es schon seit 1923, also seit 93 Jahren. Und wenn selbst die Bundesbank empfiehlt, dort gesetzliche Zahlungsmittel aus Silber einzutauschen, kann man ruhigen Gewissens da hingehen und sein Erbe verscherbeln.

Bevor man das kleine Ladenlokal betritt, passiert man eine Glasschiebetür, die geräuschlos beiseite schwebt und den Eingang freigibt. Ich denke, dass das eine Tür aus Panzerglas ist, die sich auf Knopfdruck verriegelt sollte jemand versuchen, Geld, Gold oder Silber zu rauben.

Das Geschäft allein ist schon sehenswert. Viel Stuck, alte Bilder, Dekogegenstände aus Silber und eine alte Waage, vielleicht eine Goldwaage, verleihen dem Raum etwas geheimnisvolles. Es besteht Ähnlichkeit mit einer alten Apotheke.

Meine Präziosen hatte ich getrennt nach Gold und Silber in 2 kleine Tütchen gepackt, u.a. auch die 10-DM-Münzen, welche vor vielen Jahren mal die Bundesbank herausgegeben hatte. Die nette Dame sortierte die gleich aus und erklärte, dass ich bei der Bundesbank dort 5 Euro bekäme, sie könnte mir dafür nicht so viel geben. Aber wann komm ich schon zur Bundesbank? Also entschied ich, dass ich die dort verkaufen wollte. Sehr sorgfältig wurden die anderen Stücke begutachet. An einigen wurde rumgefeilt und dann ein Katalysator aufgepinselt. Dann lagen da 2 Häufchen auf dem Tresen. Der eine wurde mir wieder hingeschoben, u.a. auch der große alte Serviettenring, der ist nämlich nur versilbert. Meine Altvorderen wussten also auch, wie man den Schein wahrt.

Dann ging es an das Gold. Mein altes Esszimmer wurde erstmal eingeschmolzen während sich die Dame über die anderen Sachen hermachte. Ein Paar Manschettenknöpfe kam auf den Silberhaufen, die waren nämlich aus Silber aber vergoldet (siehe Serviettenring). Von meinem Siegelring wurde mittels einer Zange die Onyxplatte entfernt. Auch andere Teile wurden mit der Zange bearbeitet. Die Frau weiß sehr genau, auf was es ankommt! Inzwischen war aus meinem Esszimmer nur noch ein kleiner Klumpen übrig.

Alles wurde dann gewogen, natürlich nicht mit der Goldwaage sondern mit einer Digitalwaage, von der es auch ein Display auf dem Tresen gibt. Der Kunde kann also die Ergebnisse kontrollieren.

Und dann bekam ich die Gutschrift, auf welcher akkurat aufgeführt ist, welche Edelmetalle ich da nun verkauft hatte:
Feingold / Zahngoldbruch / Bruchgold 585 / Bruchgold 333 / Feinsilber / Bruchsilber 800 / AG-haltige Münzen

Inzwischen waren noch weitere Kunden gekommen. Diskret wurde mir das Geld vorgezählt, also nicht einhundert, zweihundert usw., sondern 1, 2, 3. Aus Gründen der Diskretion möchte ich hier jetzt nicht veröffentlichen, welchen Betrag ich am Ende ausgezahlt bekommen habe. Der Besuch bei Schiefer & Co. hat sich jedenfalls gelohnt. Das Geld habe ich gar nicht erst nach Hause gebracht sondern bei der Bank eingezahlt.

Und was mach ich nun mit dem Kram, der nichts Wert ist?

7 Gedanken zu „Keine edlen Reste

  1. Danny

    Das klingt spannend.
    Man wirft wohl bei einer Wohnungsauflösung viel zu viele Sachen weg, die man eigentlich noch „gewinnsteigernd“ verkaufen könnte…

    Antworten
    1. Hans-Georg

      Wer hat schon so viel Platz, alles aufzubewahren bis es verkauft ist. Die Wohnung musste leer. Und wir können uns hier nicht auch alles vollstellen. Wobei – soviel Zeugs ist es nicht, was übrig geblieben ist. Ein Familienerbstück ist gut verwahrt untergebracht.

      Antworten
  2. Elke

    Mensch, was bist Du doch für ’n Materialist 😉. Ich würde den“ wertlosen“ Kram einfach zwecks Erinnerung behalten. Gib Dir ’nen Ruck und polier den Serviettenring mal schön und gut ist. Man kann eben nicht alles „versilbern“ . Ist das ovale goldfarbene Teil eine Geldklammer? Mir gefällt sie. Ich schick Dir meine Anschrift 😉. LG Elke

    Antworten
    1. Hans-Georg

      Es hat nichts damit zu tun, dass ich alles zu Geld machen möchte. Ich möchte nur keine Leichen in den Schränken haben, die zu nichts nütze sind als nur Erinnerungen wach zu rufen. Ich habe keine Erinnerung an den Serviettenring. Er kann 3 Personen mit dem gleichen Vornamen zugeorndet werden: Mein Ur-Großvater, Großvater oder Vater. Den Ersteren kenn ich nicht. Der Ring hat unter meinen Augen nie Verwendung gefunden. Ich würde ihn auch nicht benutzen. Aber ich werde ihn, vorerst jedenfalls, auch nicht wegwerfen.
      Auf eine Geldklammer bin ich nicht gekommen, dachte eher an ein Lesezeichen. Vermutlich ist das Ding versilbert, ich könnte es mal putzen und dann schauen, wie es aussieht.

      Antworten
      1. Elke

        Ich bin gespannt! Putz es mal vorsichtig bis es blinkt, und dann machste ein Foto, bitte! Und, ich denke, dass es eine Geldklammer ist, schließlich steht DM drauf. LG Elke

        Antworten
        1. Hans-Georg

          Hab’s eben mal in die Hand genommen. Für ein Lesezeichen ist es auch zu starr, die Buchseiten könnten beschädigt werden.
          Es gibt durchaus Situationen, in denen mir ein „Portmonää“ zu dick ist und ich nur ein paar Scheine mitnehme. Ha!

          Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert