Ungarn!

Bereits vor 3 Jahren habe ich in einem Blogbeitrag die Frage gestellt: Was ist nur in diese Menschen gefahren? Es ging seinerzeit um einen Gesetzentwurf, der u.a. öffentliches Händchenhalten von zwei Männern unter Strafe stellen soll. Ich weiss nicht, was aus diesem Gesetzentwurf geworden ist.

Was zurzeit in Ungarn passiert ist eine Schande. Da werden Menschen schlimmer als Vieh behandelt, Menschen, die es gerade unter Strapazen geschafft haben, Europa zu erreichen weil sie aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Das, was ihnen in Ungarn angetan wird, verfestigt meine Meinung, welche ich mir vor drei Jahren gebildet habe und ich stelle wieder die Frage: Was ist nur in diese Menschen gefahren?!

Ungarn sollte als Reiseland boykottiert werden!!!

8 Gedanken zu „Ungarn!

  1. ossi1967

    Schon vor drei Jahren habe ich Dir ja auch zugestimmt, was das Regime von Viktor Orbán betrifft. An meiner Meinung zu ihm und seiner Politik hat sich grundsätzlich nichts geändert.

    Aber:

    Ich kann die Hetze nicht nachvollziehen, die derzeit in Sachen Migrationspolitik über Ungarn hereinbricht. Sehr wohl nachvollziehen (im Sinne von: objektiv belegen) kann man leider mittlerweile, daß in Medien gezielt Falschinformationen über den Umgang der ungarischen Behörden mit den Einwanderern gestreut werden. Da muß ich doch glatt an das böse Wort „Lügenpresse“ denken, das aus einer mir sonst sehr fernen Ecke immer wieder zu hören ist.

    Beispiel: Eine wirtschaftsliberale Tageszeitung in Österreich hat in ihrem Internet-Auftritt eine Fotostrecke gebracht, die den menschenunwürdigen Umgang mit Syrern im Bahnhof Bicske belegen soll. Die Bilder waren tatsächlich abstoßend: Polizisten prügeln mit Schlagstöcken auf Frauen mit Babys ein… widerlich. – Ein paar Stunden nach der Veröffentlichung ist einem Leser aufgefallen, daß alle Frauen exakt die gleiche Kleidung tragen. Er hat das im Kommentarbereich unter dem Artikel angemerkt. Bald war klar: Tatsächlich war es nur eine einzige Frau, die mehrmals so fotografiert war, daß man ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Schlimmer noch: Die ganze Fotostrecke bildete nicht, wie behauptet, „die Zustände in Bicske“ ab, sondern einen ganz kurzen Vorfall, der vielleicht 1-2 Minuten gedauert hatte. Im Internet war nämlich ein Video genau dieser Szene aufgetaucht, das eine völlig andere Sicht auf die Dinge eröffnete: Ein Mann (vielleicht der Familienvater, vielleicht auch nicht) stößt das Baby und die Mutter auf die Gleise. Polizisten rufen einander zunächst ratlos zu, was denn nun zu tun sei. Dann holen sie den Mann (der sich heftig wehrt) vom Gleiskörper weg, um schließlich die Frau und das Kind aufheben zu können. Keine 50cm daneben knien zig Fotografen, die in aller Seelenruhe ihre Kameras draufhalten und den Weg versperren.

    Was mich so verärgert hat: Einen ganzen Tag lang hat die Zeitung jeden Kommentar gelöscht, der einen Hinweis auf dieses Video enthielt. Man wollte den Schein aufrecht erhalten, daß diese 15-20 Fotos repräsentativ für den Tagesablauf in Bicske sind und die systematische Gewalt des Regimes gegen die Zuwanderer beweisen. Ich habe immer wieder 4-5 Kommentare gelesen, die auf den wahren Hergang verwiesen haben… 30min später waren sie alle wieder weg. Da beginnt man sich schon auch zu fragen: Warum? Wem nützt das? Und warum werden nicht auch die Bilder gezeigt, in denen die angeblich so geschundenen Menschen die ihnen von ungarischen Behörden gereichten Wasserflaschen und Lebensmittel demonstrativ ausgießen bzw. auf den Boden werfen?

    Ganz generell gilt:

    Ungarn verhält sich (bis auf wenige Ausnahmen) korrekt. Es ist verpflichtet, die Schengen-Grenze vor illegaler Zuwanderung zu schützen. Ob das mit einem Zaun oder durch Militäreinsatz oder Wachhunden passiert, muß der Regierung überlassen bleiben. Es ist auch verpflichtet, die Einreisenden zu registrieren und das Asylverfahren durchzuführen. Das Problem liegt nicht auf der Seite der ungarischen Behörden, sondern auf der Seite der Migranten, die aus raffiniertem Kalkül einer Registrierung in Ungarn zu entkommen versuchen. Und da wirds halt jetzt schon spannend, sowohl rechtlich als auch moralisch:

    Kann ich mich dem Gesetz und der Behörde entziehen und durch lautstarke „Allahu akbar“-Rufe die (ebenfalls illegale) Durchreise nach Deutschland erzwingen, wo Asyl praktisch ohne Prüfung von Asylgründen gewährt wird und der anschließende Familiennachzug reine Formsache ist? Entbindet mich die Tatsache, daß ich irgendwann – vor Wochen, Monaten, Jahren – in einem Land gelebt habe, das nun vom Bürgerkrieg zerstört ist, vom Befolgen der Gesetze? Die Genfer Flüchtlingskonvention regelt in Artikel II nicht ohne Grund:

    „Jeder Flüchtling hat gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, Pflichten, zu denen
    insbesondere der Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.“

    Das tun die Menschen nicht, die derzeit Ungarn (und Österreich, so ganz nebenbei) überrennen.

    Schließlich muß man auch sehen: Ein Großteil dieser Menschen fliehen nicht (mehr) vor unmittelbarer Bedrohung. Die haben schon ein paar Monate (manche sogar Jahre) in Ägypten, der Türkei oder dem Libanon hinter sich. Wer vor unmittelbarer Verfolgung flieht, freut sich auch über einen sicheren Platz in Ungarn. Wenn jemandem Ungarn nicht gut genug ist und er unbedingt zu Muddi nach Deutschland will, dann unterstelle ich ihm ganz andere Motive. Nicht falsch verstehen, das ist nicht unlauter und auch ich würde eine gepflegte Bleibe auf Usedom einem Flüchtlingslager im Libanon vorziehen. Völlig verständlich so etwas, noch dazu wenn Muddi Merkel eine so weit gefaßte Einladung ausspricht, die sich innerhalb weniger Stunden übers Internet verbreitet. Man muß aber mit den Begrifflichkeiten aufpassen in so einem Fall. Das ist keine Flucht mehr, und wer das in die dafür vergesehenen Bahnen zu lenken versucht, ist kein Verbrecher und handelt nicht unmoralisch.

    Auf der emotionalen Ebene würd ich auch gerade im Fall Syrien einen Gang zurück schalten: In Syrien spielts nicht nur „Böser IS gegen arme Zivilbevölkerung“. Das ist ein seit Jahren tobender Bürgerkrieg zwischen drei großen Blöcken, von denen zumindest einer wieder inhomogen und untereinander zerstritten ist. Wer von dort abhaut, ist nicht notwendigerweise ein von IS-Kämpfern Verfolgter… Es kann auch ein IS-Kämpfer sein, den seine Freunde an der falschen Stelle allein gelassen haben. (Die Videos und Fotos aus Ungarn zeigen mehr als einmal junge Männer mit dem IS-Zeichen.) Die Grundannahme „Alle Syrer sind verfolgt und brauchen bei uns Schutz“ halte ich für brandgefährlich.

    Mir kanns ja wurscht sein. 99,9% der Menschen sitzen in den Zügen nach Deutschland, weil Muddi sie eingeladen hat. Nur ganz wenige bleiben in Wien. (Und das ist auch OK so: Österreich versorgt relativ zur Einwohnerzahl jetzt schon deutlich mehr Flüchtlinge als Deutschland.) Ihr werdet Euch damit herumschlagen müssen, wenn alle syrischen Bürgerkriegsparteien mit ihren Splittergruppen in Euren Städten wieder aufeinandertreffen. (Insofern hat Orbán Recht: Es ist ein deutsches Problem, kein europäisches.) Ich würd nur nicht Ungarn die Schuld daran geben, weil es das zu verhindern sucht.

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      1. Wolfgang

        Mir ist der Atem gestockt, als ich über die Umleitung des Zuges voller Flüchtlinge in ein Auffanglager gelesen habe. Die Menschen wurden bewusst in die Irre geführt, haben ihr Ticket nach Deutschland in der Hand gehalten und wurden dann nach 30 Kilometern wieder aus dem Zug rausgeholt, eine unglaubliche Schande.
        Orban ist ja – neben Putin – eine furchtbare Plage. Diese Populisten schüren nur Hass und mir wird immer schlecht, wenn ich von ihnen lese oder sie sehe. Egal, ob es um Flüchtlinge oder um Schwule geht. Diese Art von Politikern steht für Spaltung und nicht für Einigung.
        (P.S.: Gerade wieder läuft im Radio ein Bericht über die Welle von Hilfsbereitschaft der Österreicher, die dieses Wochenende am Wiener Westbahnhof über 25.000 Flüchtlinge herzlich empfangen hat… das macht wieder Hoffnung. 🙂 )

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        1. Hans-Georg

          Die neueste Aussage von Orban (das „Herr“ vor dem Namen kann man bei diesem Typen ruhig weglassen): „Wir werden nicht auf Flüchtlinge schiessen!“
          Das wäre ja noch schöner und müsste den sofortigen Ausschluss aus der EU zur Folge haben. Trägt der eigentlich einen Schnäuzer?

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      2. ossi1967

        Es geht in erster Linie natürlich darum, ob sich das Land in seiner Flüchtlingspolitik korrekt verhält. (Österreich z.B. tut das nicht und verstößt gegen sämtliche internationale Abkommen.)

        Daß es unter anderem auch in Ungarn bei der Betreuung der Menschen zu Zuständen kommt, die alles andere als wünschenswert sind, steht außer Diskussion. Es ist aber die Schieflage in der medialen Berichterstattung, die mich stutzig macht. Die Kritik an den Zuständen innerhalb der Flüchtlingslager (nur die ungarischen nennt man bei uns „Lager“, für unsere eigenen haben wir so nette Begriffe wie „Aufnahmezentrum“ erfunden) ist berechtigt. Aber auch bzgl. der österreichischen Lager haben Organisationen wie Amnesty International ähnliche Kritikpunkte geäußert: Die Menschen müssen bei jedem Wetter unter freiem Himmel schlafen, weil nicht nur das Lager überfüllt ist, sondern auch keine Zelte mehr zur Verfügung gestellt werden. Medizinische Versorgung ist nicht vorhanden: Es wird bei der Aufnahme ins Lager eine kurze Untersuchung gemacht; wenn jemand nachher eine Infektion bekommt, hat er einfach Pech. Dabei ist die Infektion zwingend: Durch die mehrfache Überbelegung gibt es kaum noch Zugang zu den Toiletten, hunderte Familien machen dort in die Büsche. Geduscht wird auch nicht so gern, weil es für Männer und Frauen gemeinsame Duschen ohne jeden Sichtschutz gibt, was gerade bei Muslimen nicht so gut ankommt.

        Übrigens: Das Lager ist privatisiert, ein Erbe der schwarz/blauen Regierung in Österreich. „Mehr privat, weniger Staat!“ – Private können ja alles besser. Aber das nur nebenbei.

        Was das mit Ungarn zu tun hat? Ich finde einfach, daß die Zustände dort für europäische Verhältnisse nicht so außergewöhnlich sind. Österreich habe ich beschrieben; Griechenland und Italien wurden im von Dir verlinkten Artikel kurz erwähnt, aber völlig ignoriert bzw. entschuldigt; Nordfrankreich ist eine Katastrophe, aber keiner redet drüber. Der einzige, über den geschimpft wird, ist Orbán… und schimpfen tut besonders laut unser Bundeskanzler, der für die gleichermaßen erschreckenden Zustände in Österreich verantwortlich ist!

        Ich finde außerdem, daß der Artikel auf n-tv.de hart an der Grenze zur Desinformation vorbeischrammt. Ja, die Lage vor Keleti war sicher nicht toll. Wenn ich vor der staatlichen Versorgung davonlaufe und demonstrieren gehe, darf ich mich aber nachher auch nicht aufregen, daß ich dort kein Bett und kein frisches Wasser vorfinde. (Abgesehen davon, daß die Bilder aus Bicske ja ohnehin beweisen: Die Ungarn haben die Versorgung zu übernehmen versucht. Wenn die Menschen das Trinkwasser literweise auf den Boden kippen, um ihre Verachtung für die ungarischen Beamten zu demonstrieren und ihre Weiterreise zu erzwingen, braucht n-tv nicht behaupten, daß es „kaum Wasser gab“. Das sind unseriöse Propagandamethoden.)

        Die Räumung von Keleti und die Verhinderung der Weiterreise war völkerrechtlich notwendig und wäre in jedem anderen Land irgendwann mit Wasserwerfern und Schlagstöcken erfolgt. (In jedem Land, das sich an Verträge hält… Österreich hat seine Paktfähigkeit verloren und wurde daher von Deutschland zu recht hart kritisiert.) Orbán hat die Leute stattdessen einfach freiwillig in den Zug steigen lassen. Das halte ich für ein durchaus respektables Mittel der gewaltfreien Lösung einer eskalierenden Situation. Natürlich darf das jetzt auch nicht gesehen werden. Ich hätt ja den internationalen Aufschrei gern miterlebt, wenn tatsächlich Polizei und Militär die Leut in die Lager geprügelt hätten. :/

        Was man auch nicht ganz außer Acht lassen darf: Man kann Orbán beim Flüchtlingsthema für seine Worte kritisieren und dafür, daß die Unterbringung und Versorgung ebenso schlecht abläuft wie in Österreich. Allerdings brennen in Ungarn keine Flüchtlingsheime (zumindest kenne ich keine derartigen Berichte). Auch das ist ein Aspekt der Flüchtlingspolitik, der dann gern übersehen wird.

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          1. ossi1967

            Wie gesagt, man zwar geteilter Meinung sein, welcher Aspekt der wichtigere ist. Trotzdem habe ich gerade genau dieser Frage – wie eben Migranten von den Regierungen und deren ausführenden Organen behandelt werden – einen langen Kommentar gewidmet. Bevor ich noch einmal irgendetwas glaube, was da zu Ungarn in deutschen oder österreichischen Medien veröffentlicht wird, geh ich vorsichtshalber lieber 2 Tage auf Recherche.

            (Interessant z.B., daß der schweizerische Sender SRF sich mittlerweile für die Veröffentlichung eines tendenziös geschnittenen Videos aus Ungarn entschuldigt und stattdessen die vollständige, ungeschnittene Fassung ins Netz gestellt hat. So ginge es auch, wenn man nur wollte.)

          2. Hans-Georg

            Videos und Fotos sind nur Momentaufnahmen und schaue ich mir gar nicht erst an. Mein Bild über das, was in Ungarn passiert ist, setze ich mir aus diversen Quellen zusammen.

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