Aus Rücksicht oder aus Angst?

Die Hamburger Finanzbehörde hat die lokale Künstlerin Sabine Reyer ausgwählt, ihre Werke im Rahmen der Ausstellung „Kunst im Gange“ in eben dieser Behörde zu zeigen. Das Kuratorium hat zwei ihrer Werke abgelehnt. Es „befürchtet Irritationen bei Muslimen“.

Müssen wir wirklich auf jeden und alles Rücksicht nehmen? Wir leben in einem freien Land – denken wir jedenfalls. Wenn ich jedoch sehe, dass Künstler zensiert werden, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren, bezweifel ich sehr, dass dieses Deutschland wirklich noch frei ist. Wenn Künstler gegängelt werden, wenn die Öffentlichkeit nicht mehr alle Werke dieses Künstlers sehen dürfen – dann ist etwas falsch im Staate Deutschland. Sowas hatten wir doch schon mal vor vielen vielen Jahren. Und ich möchte nicht, dass sowas nochmal passiert – egal aus welchem Beweggründen.

Muslime oder Anhänger sonstiger Kulturen und Religionen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – in Deutschland aufhalten, haben eine Entscheidung getroffen, nach Deutschland zu kommen. Also haben sie bitte unsere Kultur zu akzeptieren!!! Wir Deutschen müssen doch nicht Rücksicht auf Menschen nehmen, die aus fremden Kulturkreisen zu uns kommen. Es ist unser Land und hier bestimmen wir, wie Leben wollen, hier bestimmen wir, was unsere Kultur ist.

Sollte das Kuratorium die Entscheidung aus Rücksicht auf Muslimische Kreise getroffen haben, ist das ganz eindeutig der falsche Weg, eine falsche Entscheidung. Ich möchte in einem freien Land leben ohne Rücksicht auf andere Kulturen nehmen zu müssen!!!

12 Gedanken zu „Aus Rücksicht oder aus Angst?

  1. Jane Blond

    Das denke ich auch. Je mehr Beachtung man einer Sache von außen schenkt, umso wichtiger lässt man sie werden, und umso unwichtiger wird der Rest. Und je wichtiger ich mich selbst nehme, umso unwichtiger ist der Rest.
    Beides enthält eine Wertung, die mir nicht gefällt, und die hier das Problem ist.
    Gleichheit geht anders …

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  2. Patrick

    Abgesehen davon das man sich fragen sollte ob Barbies in Burkas Kunst sind oder nicht, finde ich schon das man auch im eigenen Land anderen Kulturen und Lebensweisen Rücksicht und Respekt zollen sollte. Wie würdest du dich fühlen wenn du in einem fremden Land leben würdest und deine Lebensweise mit Füßen getreten werden würde? Ich möchte mich hier auf keine Seite stellen, ich möchte hier nur mal zum Nachdenken anregen. Du verlangst ja von deiner Umwelt auch, dass sie deine Art zu Leben respektiert.

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    1. Hans-Georg

      Patrick, ich bin ganz und gar nicht deiner Meinung.
      Wenn ich in anderen Kulturkreisen zu Gast bin, habe ich mich damit abzufinden, dass dort eventuell vieles anders ist. Und das habe ich zu akzeptieren und zu repsektieren. Warum um Himmels Willen müssen wir Deutsche nur immer Rücksicht auf andere nehmen?
      Ich verlange von niemandem, dass er meine Lebensart respektiert . Wem es nicht passt, dass ich schwul bin und mit einem Mann verheiratet bin – das habe ich zu respektieren, den werde ich nicht bekehren können, genausowenig, wie diese Menschen mich nicht umpolen können und werden, mich wieder den Frauen zuzuwenden.

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  3. ossi1967

    Die Frage, die Du in der Überschrift stellst, ist genau die richtige. Genau das frag ich mich bei solchen Dingen auch immer… und ich find keine Antwort.

    Im ersten Moment ist meine Reaktion nämlich: „Von wegen Rücksicht. Der Behörde sind die Muslime völlig egal. Die haben nur Angst, daß bei ihnen die nächste Bombe hochgeht, das ist alles.“ Auf Basis dieser Überlegung kann ich die Zensur nicht gutheißen. Wir dürfen unsere Freiheit nicht der Angst vor möglicher Gewalt opfern.

    Dummerweise ist da noch eine zweite Stimme in meinem Kopf: „Was, wenn die Behörde andere Kunstwerke abgelehnt hätte mit der Begründung, sie könnten die Gefühle schwuler Männer verletzen?“ Da wär ja dann doch aufgrund der Erfahrungswerte nicht mit gewalttätigen Attacken kreischender Tunten zu rechnen gewesen. Man hätte dem Finanzamt selbstverständlich geglaubt, daß es nur rücksichtsvoll sein wollte. Vielleicht hättest Du hier sogar drüber berichtet und Dich gefreut, daß heutzutage eine gewisse Sensibilität gegenüber schwulenfeindlichen Kunstwerken entstanden ist, die es früher nicht gegeben hat.

    Im Moment bin ich für mich zu dem Schluß gekommen: Einerseits glaub ich der Finanzbehörde kein Wort. Denen gings nicht um Rücksicht, die hatten Angst. Punkt eins. Punkt zwei aber: Was wär so schlimm dran, ganz ohne Angst Rücksicht zu zeigen? Ich formuliers jetzt bewußt auf Österreich bezogen, nicht auf Deutschland: Ich bin nicht der Meinung, daß „unsere“ Kultur quasi mit dem Boden verbunden ist, also aus dem Acker wächst. Unsere Kultur ist die Kultur der Menschen, die zusammen mit mir innerhalb der Grenzen dieses Landes leben. Das ist heute eine andere als 1975, das ist in Wien eine andere als in Tirol, das ist in einer glücklichen und liebevollen Familie eine andere als in einer , die von Streit und Alkohol geprägt ist. Alles zusammen, so verschieden es auch ist, ergibt in seiner Mischung die österreichische Kultur. Da fällts mir dann schwer, eine verschleierte Türkin nicht auch als Teil dieser Kultur zu begreifen, obwohl sie mit ihrer Familie ebenfalls hier lebt. Vielleicht habe ich nicht das Gefühl, daß ich mit ihr viel gemeinsam habe und daß mir ihre Ansichten fremd erscheinen – aber ganz ehrlich: der streng katholische Bergbauer aus Tirol, dessen Dialekt ich kaum verstehe, steht mir auch nicht näher als sie. Warum also bei ihr die Grenze ziehen und ihn aufs Tourismus-Plakat drucken? Und: Warum nicht ihr gegenüber das gleiche gute Benehmen an den Tag legen, das ich ihm entgegen zu bringen versuche? Es würd ja auch in Tirol keine Behörde Kunstwerke ausstellen wollen, die die Bauern beleidigen.

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    1. Hans-Georg

      Ossi, ich denke, es ist schon ein Unterschied, ob ich mit möglicherweise beleidigender Kunst in einen Kultukreis gehe, in dem diese Kunst als beleidigend angesehen werden könnte oder ob diese Art von Kunst dort gezeigt wird, wo eventuell Leute kommen, die davon bleidigt sein könnten.
      Frau Reyer würde ihr Barbieinstallation sicher nicht in muslimisch geprägten Ländern zeigen. Sie würde das gern in Hamburg machen, in einer Stadt, in der es Muslime gibt, die eventuell auch ins Finanzministserium gehen. Die Muslime haben in Hamburg nicht ihren traditionellen Wohnsitz – so wie die Heimat der Tiroler Bauern Tirol ist. Meine Meinung ist, und da rücke ich keinen Deut von ab: Wer sich in ein anderes Land, in ein anderen Kulturkreis begibt, welcher Nationalität oder Religion auch immer, sollte sich dort, wohin er geht, den örtlichen Gepflogenheiten anpassen und eben da respektieren, dass es dort halt mal anders sein kann als zu Hause. Er muss es nicht akzeptieren – aber respektieren.

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      1. Patrick

        Ich stimme mit Ossies letztem Absatz völlig überein. Ich stimme auch deinem letzten Satz zu „Er muss nicht akzeptieren – aber respektieren“, aber genau das tust du nicht, zumindest wenn sich er/ sie „in deinem Land“ befindet. Deutschland ist ein Multikulti-Land und das ist auch gut so. Die Fremden Kulturen die auch Einfluss auf unsere Kultur nehmen, können uns gut tun. Wir Deutsche sollten nicht immer versuchen alle und jeden assimilieren zu wollen, vielleicht auch weil wir Angst vor allem Fremden haben. In anderen Ländern funktioniert das auch ganz wunderbar, weil man offener und nicht so verbohrt ist.

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        1. Hans-Georg

          Ich respektiere und akzeptiere Menschen aus anderen Ländern, anderen Religionen und anderen Kulturkreisen – auch wenn sie sich in Deutschland aufhalten. Aber ich akzeptiere nicht, dass wir uns deren Auffassung von Kultur, Religion – oder was auch immer – unterwerfen müssen.
          Wenn jemand seine Kunst präsentieren möchte, soll er das uneingeschränkt machen dürfen. Wenn jemand schwul ist, soll der das uneingeschränkt sein dürfen und nicht Stadtgebiete meiden müssen und Gefahr laufen, dort von Menschen eines anderen Kulturkreise bestenfalls beschimpft zu werden.
          Wenn ich ins Ausland reise, mache ich mich – gerade als schwuler Mann – vorher kundig, wie es sich dort verhält. Wenn Touristen z.B. in die Türkei reisen, wissen die Damen, dass sie sich züchtig bedeckt halten müssen, wenn sie eine Moschee besichtigen wollen. Wir passen uns woanders doch auch an. Ebenso erwarte ich von anderen Menschen, dass sie es hier auch machen. Das hat weder was mit Angst vor fremdem noch mit Verbohrtheit zu tun.
          ES KANN EINACH NICHT SEIN, DASS WIR HIER RÜCKSICHT AUF MENSCHEN NEHMEN MÜSSEN, DIE ZU UNS AUS FERNEN LÄNDERN KOMMEN, NUR WEIL ES SEIN KÖNNTE, SIE KÖNNTEN SICH DÜPIERT FÜHLEN.

          Das ist doch im kleinen privaten Kreis auch nicht anders: Wenn ich eingeladen bin, wo man z.B. gebeten wird, die Wohnung nicht in Strassenschuhen zu betreten, dann ziehe ich meine Schuhe aus und latsche damit nicht in der Wohung umher. Wenn ich meine, dass mit das missfällt, dann muss ich doch da nicht wieder hingehen.

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      2. ossi1967

        Ja, Deinen Standpunkt hab ich verstanden. Er ist ja auch gut argumentierbar… und gelegentlich vertrete ich auch eine leichte Variation davon in anderem Zusammenhang. Drum werd ich ganz sicher nicht sagen, daß Du Unrecht hast – es könnt mir bald auf den Kopf fallen. 🙂

        Andererseits: Von den paar Muslimen, die ich kenne, hat sich kaum einer „in ein anderes Land begeben“. Die sind alle bis auf einen entweder hier geboren oder wurden als 1-2jährige von ihren Eltern mitgenommen. In meinem Beispiel kann ich der hier geborenen Türkin nicht absprechen, daß Wien genauso ihre Heimat ist wie Tirol die des Bergbauern. Ich könnt mich auf einer theoretischen Ebene damit befassen, warum ihre Eltern sie nicht anders erzogen haben, ja… aber das bringt mich im Umgang mit ihr nicht weiter.

        Wenn ich heute durch Wien gehe: Rund 30% der Bevölkerung dieser Stadt sind nicht in Österreich geboren. Die größten ausländischen Bevölkerungsgruppen zusammen (Ex-YU, Türken, Deutsche, Polen, Rumänen) machen schon 15% der Stadtbevölkerung aus. Von den übrigen 70%, den gebürtigen Österreichern also, kommen viele eben nicht aus Wien. Andere sind zwar als österreichische Staatsbürger geboren, aber tief mit der Kultur ihrer Familie verbunden, egal woher die ursprünglich kam. Angesichts dieser Zahlen fallen mir zwei Dinge ein:

        1.) Wenn etwas schön ist in Wien und mir gefällt, dann besteht eine Chance von 30%, daß es aus einer anderen Kultur stammt. Ein Kniefall vor all denen, die sich nicht einfach nur angepaßt haben, sondern uns ein bißchen etwas von ihrer Lebensart genießen lassen. (Genau genommen – und das wissen wir alle – besteht in Wien eine Chance von annähernd 100%, daß positive und negative Dinge aus fremden Kulturen importiert wurden. Man muß nur in die Zeit der Monarchie zurückgehen. Von wegen „Wiener“ Schnitzel…) – Natürlich gilt das fürs Häßliche und Negative genauso, aber man darf sich eben nicht immer nur darauf konzentrieren.

        2.) Wenn heute ein Fremder in Wien ankommt und sich hier niederläßt: Was ist denn die angebliche „österreichische Kultur“, der er sich anpassen sollte? Wie findet und erkennt er sie? Selbst wenn er wollte: Die 30% lassen sich nicht von den übrigen 70% trennen. Sie sind nur in Summe zu haben. Der Neuankömmling erlebt die Stadt und ihre Kultur so, wie sie nun mal ist: Mit McDonald’s und Kebab, mit Kopftuch und Dirndl, mit Opernball und Balkan-Disco.

        Das mit der „österreichischen Kultur“ wird mir immer wieder vor Augen geführt, wenn ich bei meinen Eltern bin. Mein Vater weigert sich, Pizza zu essen und zum McDonald’s zu gehen. Beides entspricht seiner Meinung nach nicht der mitteleuropäischen Tischkultur. Aus seiner Perspektive hat er Recht. Ein Schüler von heute, der nie eine Zeit ohne Pizza oder Burger erlebt hat, wird ihn nicht verstehen. Was zu unserer Kultur gehört und was nicht, das ändert sich eben laufend mit den Menschen, die ins Land kommen und etwa mitbringen.

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        1. Hans-Georg

          Natürlich ist Kultur wandelbar. Und dass sie sich wandelt, ist auch ok. Vielleicht hätte ich statt von Kultur von Meinungsfreiheit schreiben sollen? Kunst ist doch eine Art von Meinungsfreiheit.

          Übrigens: Wir haben sonntags überhaupt keine Tischkultur. Wir essen Pizza vom Lieferservice an unserem Arbeitsplatz während ich nebenbei über Kultur diskutiere – und das zu einer Zeit, während der Leute mit Kultur an der Kaffeetafel sitzen. Eine Flasche Rotwein steht in der Mitte zwischen uns. Vielleicht hebt das ein wenig unsere sonntägliche Esskultur.

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  4. Inge

    Hallo Hans-Georg,
    ich glaube, es ist weder Angst noch Rücksicht, sondern Verunsicherung. Wir stehen erst am Anfang vieler Aufklärungen.
    Einen Sonntagsgruß für dich von Inge

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  5. CeKa

    Es geht inzwischen schon lange nicht mehr um Muslime und Christen. Es geht um das Verbieten und Leisetreten im Allgemeinen. Das Individuum soll unsichtbar und leise werden, nur noch im erlaubten Rahmen laut sein. Feiern nur noch in Discotheken und dann bis zum Umfallen. Daheim und vor der Türe wieder brav sein. Satire ja, aber bitte nur im geschlossenen Kreis bei Lesungen und bitte auch nur von sehr prominenten Menschen, die selbst betroffen sind. Also Türkenwitze nur von Bülent Ceylan, bitte.

    Es ist ein Gesellschaftsding, das von einigen wenigen Kuschern bestimmt werden will. Und dagegen gilt es sich aufzulehnen. Nicht mitmachen, laut bleiben und den Finger darauf zeigen. Nicht diese Typen wählen und laut darüber sprechen.

    Ich schreibe Satire und ich werde mich gerade jetzt an einem Buch beteiligen, das religöse Kurzgeschichten enthält, die nicht ernst gemeint sind. Ich werde gerade jetzt laut werden. Gegen alte Männer, die gegen Selbstbestimmung und Freiheit sind. Die Stockschläge verabreichen lassen und die kleine Kinder missbrauchen. Die Zeit der Kreuzzüge ist vorbei! Vielleicht begreifen das endlich auch mal die Machtinhaber von eigenen Gnaden auf dieser Welt.

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