Totengedenktage

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag – gibt es noch mehr derartige Tage? Ich weiss es nicht, und ich brauch sie auch nicht um derer zu Gedenken die ich kannte, die mal ein Teil unserer einst grossen Familie waren. Es bringt mir nichts, zum Friedhof zu pilgern um dort ein Lämpchen aufzustellen, nur weil „man das eben so macht“. Unsere Familie ist eh evangelisch und hat noch nie rote Lämpchen aufgestellt. Aber ich hörte von Freunden, dass es so ist und die Nachbarn könnten ja sonstwas denken, wenn man das nicht täte. Rote Lämpchen auf einem Grab? Das ist doch kein Puff!

Die Erinnerung an ALLE Familienmitglieder, die nicht mehr unter uns weilen, trage ich im Herzen. Während eines Jahres gibt es viele viele kleine Momente, und sei es nur eine Uhrzeit – 22:22 Uhr z.B. – die Erinnerungen an meine Altvorderen hervorrufen. Das ist für mich viel viel wichtiger, als an vorbestimmten Tagen zum Friedhof zu gehen.

Ich vergess es leider immer, wenn ich mit meiner Mutter zum Friedhof gehe, wo in unserem Familiengrab die Asche meines Vaters, die sterblichen Überreste seiner Schwester und ihrer Eltern ruht: Ich möchte ein Fläschen Schnaps und Gläser mitnehmen und auf die, die unter der Erde liegen, ein Schlückchen trinken. Und einen Schluck würde ich auf das Grab giessen. Die nächste Gelgenheit bietet sich im Januar zu Vaters Geburtstag. Meine Tante würde sich vermutlich im Grabe umdrehen. Ihre Beerding war eh filmreif. Meinem Vater und meiner Oma würde das gefallen. Hoffentlich denk ich daran.

Nachtrag:
Was hat das Bild oben mit dem Totensonntag zu tun?
Nun, es spiegelt meine Gedanken an meine verstorbenen Verwandten wieder, nicht trauerndes Gedenken sondern fröhliches Gedenken. Das Foto wurde übrigens gestern, am 22. November 2014, auf unserer Terrasse aufgenommen, und nicht im Hochsommer.

19 Gedanken zu „Totengedenktage

  1. marianne

    Hallo Hans-Georg,
    Du sprichst mir aus der Seele. Auch ich lasse mir nicht vorschreiben, wann ich an meine lieben Verstorbenen zu denken habe. Das mache ich ohnehin das ganze Jahr über.
    Das mit dem Schnaps macht man tatsächlich in Russland so. Ich war schon öfters privat in Weißrussland und wenn wir zum Friedhof gingen, wurde Wodka und Gläser mitgenommen und Jeder bekam einen Wodka und ein Schnapsglas voll wurde auf das Grab gegossen. War für mich sehr befremdlich.
    Liebe Grüße Marianne

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    1. Hans-Georg

      Hallo Marianne!
      Du bist aber früh – oder noch spät? – in der Blogrunde unterwegs. Dieser Beitrag wurde doch man gerade um 1 Minute nach Mitternacht freigeschaltet.
      Auf den ersten Blick mag es für uns befremdlich sein, am Gram Wodka auf unsere Verblichenen zu trinken. Aber irgendwie sagt mir das, dass sie dadurch weiter am Leben teilnehmen. Es gibt so gar Kulturen, die veranstalten ein Picknick auf dem Grab. Gibt es etwas schöneres, unsere Lieben an unserem Leben teilnehmen zu lassen?
      Unser Familiengrab ist kein Reihengrab sondern eines, welches sich ziemlich gut in die Vegetation eingliedert. Da wäre so ein Picknick sogar fast möglich. Ich stell mir nur vor, was andere Friedhofsbesucher solchenfalls denken würden und ob die nicht sogar die Friedhofsverwaltung vorbeischicken würden. Störung der Totenruhe oder irgendsowas.

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  2. karin

    ja, jeder macht das, was ermöchte, ist ja gottsei dank ein freies land, was mich stört, dass eben von diesen, also von dir auch, kritik an denen durchschaut, die anders denken, die gedenktage haben doch mit denen nichts zu schaffen, die sie nicht wollen oderr bauchen, sondern mit denen, die sie brauchen und die die GEMEINSCHAFT brauchen, mit anderen zusammen zu sein und zu gedanken und zu beten in diesem fall, das ist für ganz viele menschen wichtig, kann ich nur sagen: bitte etwas respekt dem mitmenschen gegenüber, mein wunsch, sorry

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    1. Hans-Georg

      Karin, das ist meine ganz persönliche Meinung und keine Kritik an anderen Menschen, die das anders sehen als ich. Wenn sich jemand durch meine Meinung verletzt fühlt, bitte sehr, das ist nicht mein Problem. Ich sage meine Meinung offen und ehrlich.
      Natürlich kann jeder diesen Tag – und alles andere in seinem Leben – halten wie er mag. Da hab ich auch kein Problem mit. Nur muss jeder, der hier in meinem „öffentlichen Wohnzimmer“ liest, damit fertig werden, dass ich möglicherweise eine andere Sicht auf viele Dinge habe.

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  3. Inge

    Hallo lieber Hans-Georg,
    lassen wir alle Feiertage wie sie sind. Gäbe es keine, wären auch viele unzufrieden. Aber so allgemein denke ich, dass deine Gedanken schon richtig sind. Meine aber auch und die der anderen ebenfalls.
    Hab einen schönen Sonntag, es ist wie es ist.
    Gruß von Inge

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  4. ossi1967

    Ich erinnere mich mit großem Schaudern an unsere Friedhofsbesuche zu Allerheiligen/Allerseelen. Das war in meiner Kindheit, so Anfang der ’70er. Die ganze Familie (Männer mit Hut, Frauen im schwarzen Pelzmantel, Kinder im schönsten Sonntagsgewand) inklusive aller Tanten und Omas und Onkeln pilgerte im geschlossenen Zug von Grab zu Grab. Dann wurde vor jedem dieser Beete angehalten, es wurden die Blätter runtergezupft, die der Herbstwind aufs Grünzeug geweht hatte, man Oma rückte die am Vortag aufgestellte Kerze mal mehr nach rechts, mehr nach links, man unterhielt sich über gärtnerische Maßnahmen („Das da vorn wird zu groß. Wir sollten es wegnehmen.“ – „Nein, das blüht immer noch so schön, vielleicht kann man es nach hinten versetzen?“), anschließend gabs wurmzerfressene Maroni. Das ganze bei Nebel und feuchter Kälte.

    Ich hab den Großteil der Menschen, deren Namen da auf Grabsteinen stand, nicht gekannt. Die, die ich gekannt und vermißt habe, konnte ich beim besten Willen (und den hatte ich) nicht mit der feuchten, kalten Erde unter ihren Grabsteinen in Verbindung bringen. Da war einfach nichts vom Opa an diesem Grab und ich vermißte ihn nicht mehr und nicht weniger als sonst, wenn ich davor stand.

    (Später bin ich dann draufgekommen, daß ich ja nur dem Höhepunkt beiwohnen durfte/mußte jedes Jahr. Der Bescherung sozusagen. Tatsächlich waren diese herbstlichen Friedhofsprozessionen der Abschluß von ein bis zwei Wochen intensivster Vorbereitung in Sachen Grabpflege. Da wurden Blumen ausgegraben, eingegraben, umgesetzt, Kerzen arrangiert, Kränze bestellt… es war irgendwie wie Weihnachten für Tote, nur ohne Geschenkpapier.)

    Irgendwann konnte ich mich dann davon lösen und hab meine Eltern allein wandern geschickt. Ich brauch, so wie Du, diese Totengedenktage nicht. Und ich brauch kein Grab, das mich daran erinnert, wer nicht mehr da ist. Für mich wirds keins geben, und ich werd mich um keins kümmern. Ist doch alles nur Geschäftemacherei mit Gedankenlosigkeit („Weils immer schon so war“) und schlechtem Gewissen („Das hat sich die Oma nicht verdient“).

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    1. Hans-Georg

      Bei uns „Evangelen“ ist dieser Kult nicht ganz so ausgeprägt wie bei den „Katholen“, aber er ist halt auch vorhanden.
      Ganz scheusslich finde ich ja diese extra für diese Tage angefertigten Grabgestecke, möglichst mit Engelchen oder Plastikblümchen. Wieviel schöner ist doch eine buntbepflanzte Schale.
      Die Grabpflege wird bei uns durch einen Gärtner erledigt. 2 x im Jahr (Frühling und Herbst) wir die Bepflanzung neu gestaltet. Und Der Gärtner sorgt auch dafür, dass bei Bedarf auch mal gewässert wird, was sicher auch die Vermoderung beschleunigt.
      Ich erinner mich zu gern an den Film „Die Buddenbrooks“ von 1959: Der Konsul war gestorben und wurde mir grossem Brimborium eingekuhlt. Corle Smolt, ein kleiner Angestellter der Kaufmannsfamilie, gespielt von Günther Lüders, ergänzte die Worte „Asche zu Asche, Staub zu Staub“ in seiner plattdeuschen Mundart mit „Moder to Moder“. Herrlich!

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  5. Wolfgang

    Ich denke, wir hatten da alle irgendwie die gleiche Kindheit… 😉
    Nun, müssig zu beschreiben, dass es bei mir detto war. Die ‚Friedhofs-Feiertage‘ waren in ihrem Ablauf ziemlich austauschbar, weil eben immer alles gleich ablief: Sonntags-Gwand anziehen, den Scheitel am Kopf schön ziehen, ins Auto und Verwandte abholen – auf Pummelzugtour. Dann zu den (zwei) Friedhöfen in Wien und danach zum Essen ins Wirtshaus. (Das war ja noch das Angenehmste, weil es ein wirklich gutes Gasthaus in Ottakring war und man sich bewusst sein konnte, dass die Erdarbeiten erledigt sind. 🙂 )

    Ich denke aber auch, dass dieser Totenkult am Friedhof eine eher generationsbehaftete Sache ist. Heute – in meiner/unserer Generation – beobachte ich das viel seltener. Natürlich: Wenn jemand erst kürzlich verstorben ist, wird noch öfter das Grab besucht. Aber das nimmt meiner Beobachtung nach ab.

    Auch der Hase2 und ich brauchen keine Stehbesuche am Grab, um unserer lieben Menschen zu gedenken, die nicht mehr sind. Wir machen das – so wie die meisten wahrscheinlich – an den unterschiedlichsten Zeiten und zu den unterschiedlichsten Anlässen.

    Ich finde den Satz von Dir wunderbar treffend:

    „Gibt es etwas schöneres, unsere Lieben an unserem Leben teilnehmen zu lassen?“

    Nun, ich weiß nicht, ob ich ein Glaserl Wodka am Grab trinken würde 😀 … (naja…wenn ich’s mir so überlege… kommt ganz auf denjenigen/diejenige an, derer ich gedenke. Vielleicht würde das ja wunderbar passen!! *gg*)

    Ich habe für mich folgenden Weg gefunden um (für mich) das stärkste und ehrlichste Andenken an liebe Menschen zu bewahren:
    Ich verhalte mich in manchen Situationen so, wie ich es bei diesem Menschen immer aufrichtig bewundert habe. Egal jetzt, ob es sich um Bezeugung von Respekt zum Mitmenschen, um Hilfsbereitschaft oder um das Hinterfragen von Situationen geht… ich hatte schon das Glück, einigen – für mich sehr vorbildhaften – Menschen in meinem Leben begegnen zu dürfen. Und ich denke, dass ich ihr Andenken am besten bewahre und sie in meinem Leben weiter Anteil haben lassen kann, wenn ich mich an ihren tollen Charakter erinnere und oft in ähnlicher Weise danach handle. Das ist für mich das schönste Kompliment, das man einem Menschen machen kann…

    Bannig schönen Sonntag noch!

    (Isses da oben auch so wunderbar sonnich? Hier in Wien: strahlendster Sonnenschein.
    Somit das absolut passende Thema. *gg*)

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    1. Hans-Georg

      Moin Wolfgang!
      Vielen Dank zu deiner/eurer Meinung zu dem Thema. Der Beerdigungskult hat sich hier, zumindest hier im evangelischen Norden, total verändert. Viele Menschen lassen sich anonym bestatten oder ihre Asche ins Meer streuen. Der Hauptgrund ist der, dass die Grabpflege entfällt. Anonyme Bestattungen sind auch noch viel preiswerte als die die herkömmliche Erdbestattung. Die Folge ist, dass auf Erweiterungen von Friedhöfen keine Bestattungen mehr durchgeführt werden und diese Teile über kurz oder lang wieder entwidmet werden weil kein Platzbedarf mehr vorhanden ist.

      Jo, ist recht schön hier heute in der kleinen Stadt an der Elbe. Haben eben die Weihnachtsbeleuchtung, eins der Akzente, ans Terrassengeländer gebummelt. Das Wetter ist genial für diese Tätigkeit.

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      1. ossi1967

        Ja, die anonyme Bestattung hat was Verführerisches. Eine unverschnörkelte und vernünftige Sache das. Eigentlich die einzige Alternative.

        (@Wolfgang: Ich weiß ja nicht, in welchem Wien Du grad bist, aber bei uns ist es grau in grau. Nebelig. Friedhöfelig. *gg*)

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  6. Gerrit

    Geht mir ganz genau so wie vielen von von Ihnen und euch. Ich gedenke jener, die fehlen, immer dann, wenn mir danach ist und nicht wann es mir andere Leute mit ihrem Kalender vorschreiben wollen.

    Und die Sache mit dem Wodka am Grab finde ich genial, wenn es – wie du sagst – etwas ist, dass deiner Oma und deinem Vater gefallen hätte. Das ist doch das viel schönere Gedenken – sich unseren Lieben so zu nähern, wie wir sie im Leben gekannt haben. Immer, wenn mein Mann und ich „Oma besuchen“, wie wir das nennen, erzählen wir uns auch die komischen Geschichten und lachen laut und herzlich. Ja, mitten auf dem Friedhof. Was kümmern uns die schiefen Blicke? „Scher di um die Lüüd, un du kunnst di jüst noch opbummeln (Sobald du anfängst, dich um andere Leute zu scheren, kannst du dich nur noch aufhängen)“, habe ich früher immer zu hören bekommen, und das stimmt!

    Sollen die Leute doch denken, was sie wollen – unsere Oma war ein lustiger, lebensfroher Mensch, und sie wäre verdammt füünsch mit uns, wenn wir mit Leichenbittermiene bei ihr stünden. Kann man das wirklich wollen?

    Im übrigen kann ich keine Kritik an anderen in deinem tollen Beitrag erkennen, Hans-Georg. Du schreibst, wie es bei dir ist, nicht mehr. Keine Spur von Wertung des Handelns anderer, im Gegenteil – *du* wurdest gemaßregelt. Merkwürdig. Unverständlich. Albern.

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    1. Hans-Georg

      Das ist natürlich ein kontroverses Thema. Aber wie du sagst: Ich habe nicht kritisiert sondern meine ganz persönliche Meinung dazu gesagt.
      Es muss ja nicht unbedingt Wodka sein, ein Likörchen ginge doch auch, welches man gemeinsam im Andenken an die Verblichenen trinkt. Unser Grab hat sogar Trittplatten. Da könnten wir mit 3 Personen auf dem Grab stehen und dann „hoch die Gläser“! Allein die Vorstellung lässt mich schmunzeln. Und wenn dann noch andere Friedhofsbesucher gerade vorbeikommen …. Das muss ein toller Anblick sein.

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  7. Heike

    Hallo Georg, lese immer nur „still“ mit, aber heute kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen: Das mit dem Schnaps am Grab, das praktiziere ich am Grab meiner Großeltern schon ewig so, zu Geburtstagen. Die beiden (geb. 1895 und 1912) waren ihrer Zeit aber immer weit voraus und ich weiß, solche Aktionen hätten ihnen gefallen…

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    1. Hans-Georg

      Hallo Heike!
      Schön, dass du dich mal zu Wort meldest, vielen Dank dafür.
      Ich hab mir diesen „Grabschnaps“ schon länger vorgenommen. Leider vergesse ich das immer wieder. Ich hoffe, die lebhafte Diskussion hier wird mich beim nächsten Mal daran erinnern.

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  8. marianne

    Nochmal etwas zum Schmunzeln. Man kann ja am Grab mit den Angehörigen anstoßen, aber man sollte nicht auf die Gesundheit trinken, jedenfalls nicht auf die Gesundheit des Verblichenen-)))

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  9. Jane Blond

    Danke für deinen Besuch bei mir 🙂
    Zu deinem Eintrag: ich denke, es ist nicht an erster Stelle wichtig, was wir meinen, dass den Toten gefallen würde. Viel wichtiger ist – sollte es irgendeine Form des Danach geben – dass wir ihrer Gedenken, wie wir es können.
    Warum keinen Schnaps auf sie trinken? „Mit ihnen“ trinken? Ist doch ein tolles Gefühl, dass sie es vielleicht doch mitbekommen. Wenn ich mal gehe, möchte ich eines. Dass die, die noch da sind, alles tun, damit es ihnen gutgeht. Dass sie Dinge tun, mit denen es ihnen gutgeht. Dass sie mich nicht vergessen, aber nicht nur in Trauer an mich denken, sondern lachen können, und dabei ihren Spaß haben. Könnte ich derartig daran teilhaben, fände ich das sicher ziemlich genial. Obwohl es für mich kein Grab geben wird. Ich will ins Wasser 😉

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    1. Hans-Georg

      Moin Jane Blond!
      Danke auch für den Besuch bei mir!
      Ein Onkel von mir, der bereits seit über 20 Jahren nicht mehr unter uns weilt, hat mal gesagt: Trauer ist eine Form von Selbstmitleid. Womit er nicht ganz unrecht hat.
      Ins Wasser möchte ich nicht. Ich möchte eh nicht in den Ofen. Eine kuschelige Kiste, eine sonnige Grabstelle, das wäre ok für mich.

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