Vom Allerheiligen

Heute ist Allerheiligen, ein Feiertag, nein, wohl eher ein Gedenktag, der uns hier im Norden ziemlich fremd ist, sind wir doch überwiegend evangelischen Glaubens statt katholischens.

Traditionell, oder dem katholischen Ritual entsprechend, geht man an diesem Tag zu den Gräbern seiner Altvorderen, stellt eine Kerze auf, tut ganz traurig und geht wieder heim – oder so ähnlich. Und es gibt Gegenden in Deutschland und in Österreich, in denen man das halt so macht weil andernfalls die Leute ja reden könnten: Das Grab von denen von Familie X, da ist ja gar nichts! Böse böse!

Ich hatte heute vormittag einen netten Chat mit einem jungen Mann aus einer katholischen Gegend, in der heute Allerheiligen zelebriert wird. Im Laufe des Gesprächs erzählte er mir, dass seine Mutter mit 61 Jahren vor 2 Monaten gestorben sei. Die Familie geht also heute erstmal zur Kirche, anschliessend zum Friedhof zum Grab der Mutter und dann ist bei denen zu Hause auch noch Kaffeekränzchen angesagt. Er meinte dann zu mir, dass sie auf das Spektakel verzichten könnten weil sie den Tod der Mutter noch gar nicht richtit verarbeitet haben. Meine Erwiderung, dass sie es eben tun müssten und Präsenz zeigen müssen, bestätigte er auf’s kräftigste.

Ich frage mich, was für ein Glauben das ist, der die Leute mehr oder weniger dazu zwingt – wohl eher mehr – etwas zu tun, was sie im Grunde gar nicht möchten. Sie tun es nur, weil es von ihnen erwartet wird.

Zum Gedenken an meinen Vater, Großeltern, Onkel und Tanten benötige ich keinen Extratag. Ich habe mehr davon, wenn ich sie nicht vergesse weil ich in verschiedenen Situationen an sie erinnert werde. Ich muss deshalb nicht traurig tun und an deren Grab stehen.

Mein Vater hat Mitte Januar Geburstag. Mit meiner Mutter werde ich sicher zum Friedhof fahren, weil SIE es möchte. Ich habe mir vorgenommen, Grappa oder etwas anderes alkohlische mitzunehmen und Gläser und mit Mutter auf meinen Vater zu trinken (nicht auf meinem Vater!). Ich weiss, dass Vater das gutheissen und sich amüsieren würde.

In anderen Kulturen sitzen die Angehörigen an Gedenktagen auf den Gräbern und machen ein Picknick! Das finde ich viel netter, als traurig davor zu stehen.

3 Gedanken zu „Vom Allerheiligen

  1. Elvira

    Auf Madagaskar gibt es die Famadihana. Da werden die Gebeine der Toten ausgebuddelt, gewaschen und in neue Tücher gewickelt. Irgendwo habe ich gelesen, dass man mit ihnen dan auch feierlich isst. Da ist ein Grappa am Grab Deines Vaters durchaus akzeptabel.
    Ich mag die ganzen Muss-Rituale jedweden Glaubens auch nicht.

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  2. minibar

    An Allerheiligen habe ich morgens im Radio gehört, dass in Moers auf einem Friedhof die Sinti und Roma ihre Toten ehren. Und zwar mit Kuchen, Schnaps und Wein. Mit Musik und Tanz.
    Das finde ich super!
    Aber echt, auf traurig mach ich nicht beim Grab meiner Schwiegermutter, mein Mann auch nicht.
    Das ist was anderes, komme ich zum Grab unseres Enkels, der mit 19 Tagen sterben musste.
    Da überkommt mich garantiert Trauer.
    Aber nicht nur dort, das ist natürlich auch klar.

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  3. Big Al

    Ganz ehrlich? Für mich persönlich brauche ich kein Grab um zu trauern. Wenn ich bei der Beerdigung dabei war bzw. das Grab einmal gesehen habe muss ich da nicht mehr hin. Jeder trauert anders.

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