Als der Teppich aufging


Dies hat nichts mit dem Orient zu tun, wir haben auch keinen Teppich gekauft. Es hat mit einer Lebedame zu tun, die einst in den Salons von Paris verkehrte und sich bei ihrem ausschweifenden Leben die Schwindsucht holte, an der sie in ärmlichen Verhältnissen zu Grunde ging. Heute würde man so eine Person Partyluder nennen, die entweder an einer Überdosis Heroin sterben, dem Alkohol verfallen oder bestenfalls an Bulimie leiden würde.

Die Rede ist von Violetta, die Hauptrolle in Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“. Diese Oper haben wir uns gestern Abend in der Staatsoper Hamburg angesehen. Es war laut Programmheft die 224. Vorstellung einer Inszenierung aus dem Jahr 1975, die am 13. April des gleichen Jahres ihre Premiere hatte.

1975 hat man noch Oper gemacht mit einem tollen Bühnenbild und opulenten Kostümen. Und deshalb war die gestrige Aufführung ein Augenschmaus, wenn es für mich auch anfangs etwas gewöhnungsbedürftig war, in einigen der Hauprollen asiatische Protagonisten auf der Bühne zu sehen. Dieses Manko verschwand aber angesichts des Bühnenbildes, der Kostüme und der grösstenteils phantastischen Stimmen schnell in den Hintergrund.

Die Rolle der Violetta Valery wurde von der reizenden Sopranistin Ha Young Lee gespielt und gesungen. Gut spielen und gut singen gleichermassen – das will schon was heissen. Und sie hat wirklich gut gespielt. Und ihre Stimme! Ich hätte einer so zierlichen Person eine so umfangreiche Stimme nie zugetraut. Die Bravorufe aus dem Publikum waren verdient.

Die männliche Hauptrolle, ihr Geliebter Alfredo Germont, war nicht so gut besetzt. Ho-yoon Chung war als Ersatz für einen erkrankten Sänger eingesprungen. Der Koreaner war Stimmlich etwas schwach, teilweise vom Orchester überdeckt, und spielerisch etwas hölzern. Man muss ihm wohl zugute halten, dass es nicht ganz einfach ist, kurzfristig in eine Inszenierung hineinzurutschen, die ihm vielleicht etwas fremd ist. Schlecht kann der Tenor nicht sein Ich habe heute gelesen, dass er von der Wiener Staatsoper engagiert worden ist.

Ein zweites Highlight neben Ha Young Lee war Ambrogio Maestri. Er verkörperte den Vater des Alfredo, der Violetta überredet, sich von Alfredo zu trennen um die Familienehre zu retten. Der Bass Ambrogio Maestri hat eine sehr starke Bühnenpräsenz, die wohl seiner massigen Figur und hauptsächlich auch seiner überragenden Stimme zuzuschreiben ist. Zu recht erhielt auch er beim Szenen- und beim Schlussapplaus Bravrorufe.

Und was hat der Teppich damit zu tun? Die Vorstellung wurde auch von einer Reisegruppe aus Dänemark besucht, von der einige Damen in der Reihe hinter uns sassen. In der Pause unterhielt sich eine Dänin mit ihrer Deutschen Sitznachbarin, der sie erzählte: „Als der Teppich aufging war alles so wie ich es wünsche zu sehen.“ Sie wolte damit ausdrücken: Als der Vorhang aufging war das Bühnenbild so, wie es sein sollte. Und mit der Bemerkung muss ich ihr verdammt recht geben.

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