Das Premierenwochenende

Freitag, 5.5.02 – Montag 8.5.02

Freitag – Die Premiere
Für uns begann das Wochenende mit dem Aufräumen und Saubermachen der Wohnung. Wir erwarteten ja unseren Freund Frank aus München, der bei uns übernachten wollte. Ausserdem mussten die Betten hergerichtet werden, d.h. unser Bettzeug wurde im Schlafsofa verstaut. Unser Bett bekommen immer die Gäste, da es praktischer ist. Einkaufen mussten wir auch noch. Auf Grund unserer Aktivitäten hielt sich unsere Nervosität in anbetracht der heutigen Premiere noch in Grenzen. Das änderte sich schlagartig als wir zur Ruhe kamen und noch etwas Zeit zur Musse hatten, bevor wir um 15.00 Uhr in der Markthalle sein mussten. Ich bekam Herzklopfen und feuchte Hände!

Bernd und ich hatten uns für den Aufbautrupp gemeldet um den Saal mit Stühlen und Bänken auszustatten. Im Parkett wurden ca. 100 Stühle aufgestellt, auf den Stufen rund um das Parkett eine beträchtliche Anzahl von „Biergarten-Bänken“. Beides musste aus einem Raum hinter dem Saal geholt und über Stufen in den Saal getragen werden. Nach kurzer Zeit waren wir völlig durchgeschwitzt.

Um 16.00 Uhr begannen unsere Proben, Sound- und Lichtcheck. Der Tontechniker arbeitete weitgehend selbständig. Dem Lichttechniker übergab ich einen ausgearbeiteten Plan. Für die gesamte Vorstellung ist darin angegeben, welche Lichtstimmung für welchen Teil notwendig ist. Er machte sich ergänzende Notizen zu meinen Erklärungen.

Früher als erwartet traf unser Gastchor ein, der Heartland Men’s Chorus aus Kansas City. Wir gingen spontan zum Bus, begrüssten unsere Gäste mit Beifall und geleiteten sie in die Halle. Es folgten kleine Begrüssungsansprachen der jeweiligen Chorleiter. Danach setzten wir unsere Probe fort, die vom Beifall unser Gäste begleitet wurden.

Bei der anschliessenden Probe der Amerikaner bekamen wir einen ersten Eindruck von ihrem Programm.

Meine Nervosität stieg von Minute zu Minute, sicher auch die der anderen Chormitglieder. Auf den Toiletten herrsche Hochbetrieb. Ich wusste nicht, ob ich Hunger hatte oder nicht. Ich entschied mich für etwas Appetit und nahm etwas Fleisch vom Buffet. Im Foyer schaute ich nach, ob ich die von mir angeworbenen Gäste treffen konnte: Susanne und Nina aus Lübeck und meine Kollegin Jelena. Sie hatte 4 Karten gekauft. Jelena kam mit ihrem Mann Jürgen und einem befreundeten Paar. Susanne und Nina waren auch da. Wir unterhielten uns kurz. Ich war zu unruhig, ein längeres Gespräch zu führen und zog mich wieder zurück.

Der Saal wurde um 19.30 Uhr geöffnet. Die Zuschauer „tröpfelten“ herein. Der grosse Run auf die besten Plätze fand nicht statt. Wir fragten uns, ob wir vor einem halbvollen Saal auftreten mussten. Schliesslich wurde es doch noch ziemlich voll. Es wurde noch wärmer, als es ohnehin schon war. Ich schwitzte noch mehr, als ich es ohnehin schon tat.

Endlich ging es los. Unsere Gäste bestritten den ersten Teil des Abends. Ihr Programm war so gestaltet, wie man sich ein konventionelles Chorprogramm vorstellt: Ca. 50 Männer standen in 3 Reihen im Halbrund auf der Bühne. In der 2. Hälfte wurde es dann doch etwas aufgelockerter: Ein paar lustige Einlagen sorgten für Erheiterung im Publikum, das zum Abschluss gesungene Medley aus dem Musical „The Wizard of Oz“ wurde begleitet von kostümierten Solisten. Die einzelnen Stücke wurden vom Publikum mit höflichem bis starkem Beifall, teilweise mit Fusstrampeln belohnt. Es gab eine Zugabe.

Dann kam die Pause. Ich versuchte Werner ausfindig zu machen. Ich habe ihn im Chat kennen gelernt. Werner ist Ende Juni von Göttingen nach Hamburg gezogen. Ich entdeckte ihn mit seinem Begleiter. Da ich Werner gerne persönlich kennen lernen wollte, ging ich zu ihnen um eine paar Worte zu wechseln. Auf Grund meiner Nervosität kam ein richtiges Gespräch leider nicht zu Stande und ich ging zu meinem Platz am Mischpult.

Die Pause neigte sich dem Ende zu. Oh welche Spannung! Wir waren dran! Die „Piraten“ haben Uraufführung!

Einen ersten Erfolg verbuchten wir mit unserem Bühnenbild, einem Prospekt als Hintergrund mit blauem Himmel und weissen Wolken. Wird der Prospekt von hinten beleuchtet, erscheint die Silhouette eines Piratenkapitäns. Dieses Bild wird gleich in der ersten Szene eingesetzt. Ein Raunen ging durch das Publikum.

Es würde zuviel werden, unser Show hier detailliert zu beschreiben. Nur soviel so noch gesagt: Das Publikum geizte nicht mit Beifall, Standing Ovations am Ende! Ich bekam eine Gänsehaut, als ich sah, wie sich das Publikum fast geschlossen von den Sitzen erhob. Zwei Zugaben hatten wir eingeplant, eine dritte war notwendig! Dazu nahmen wir ein Lied aus unserem Stück: „Schrubben“. Glücklich nahmen der Chor, der Dirigent und der Pianist den Beifall entgegen. In solchen Momenten möchte ich auch dort auf der Bühne stehen, wohl wissend, dass ich nicht singen kann.

Zusammen mit dem Gastchor wurde zum Abschluss ein gemeinsames Lied gesungen. Dann hatten wir es endgültig geschafft.

Es gab Sekt für alle Beteiligten. Wir waren zufrieden, denn wir wussten jetzt: Die ganze Arbeit hat sich gelohnt. Unser neues Programm war nicht durchgefallen, es ist erfolgreich über die Bühne gegangen.

Frank war während der Aufführung direkt vom Flugplatz in die Markhalle gekommen. Zusammen mit ein paar Anderen trafen wir uns im kleinen Kreis im Café Gnosa zu einer kleinen Premierenfeier. Von dort gingen wir nach Hause, unterhielten uns noch eine Weile mit Frank und fielen dann erschöpft aber zufrieden ins Bett.

Samstag – der 2. Abend mit Aftershowparty

Der Tag begann mit einem ausgiebigen, gemütlichem Frühstück mit Frank.

Frank verabschiedete sich mittags zu einem Date. Ich bereitete das Essen für Oliver und Melli vor, die sich heute unsere Show ansehen wollten. Sie mussten alleine essen weil wir wieder rechtzeitig in der Markthalle sein mussten. Bernd suchte seine CDs zusammen. Nach der Vorstellung heute Abend sollte es die grosse offizielle Premierenparty geben, zu der Bernd und Holli die DJs machten.

Am frühen Nachmittag trafen Oliver und Melli ein, einen Augenblick später Frank. Bernd und ich fuhren mit einem Taxi (wegen der grossen Kiste mit den vielen CDs) zur Markhalle.

Dort gab es zuerst eine Nachbetrachtung des gestrigen Abends. Erste positive Rückmeldungen wurden verkündet, z.B. möchte Friedhelm Mönter vom NDR eine ganze Sendung mit uns machen. Richard verkündete die Anzahl der gestrigen Besucher, es waren 390. Für heute waren im Vorverkauf 100 Karten mehr verkauft worden. Für die Abendkasse lagen ca. 200 Vorbestellungen vor. Heute würde es voll werden. Wir mussten zusätzliche Bänke aufstellen.

Danach waren wieder eine kleine Probe notwendig, ich besprach mit dem Lichttechniker ein paar Änderungen.

Die hektische Nervosität von gestern war nicht mehr vorhanden, heute war es eher normales Lampenfieber, dass sich vor jeder Vorstellung breitmacht.

Heute hatten Bernd und ich 5 persönliche Gäste: Bernds Mutter, Oliver und Melli und ein Freund von uns: Der Pirat (ein Synonym) mit seinem Freund Ulf. Wir trafen alle vor der Vorstellung im Foyer und machten sie miteinander bekannt.

Der Ablauf des Abends war der gleiche wie gestern: Saalöffnung um 19.30 Uhr. Die Amerikaner gestalten den ersten Teil des Abends, Schola Cantorosa den zweiten.

Bei Öffnung der Saaltür strömte das Publikum nur so herein. Kurz vor Vorstellungsbeginn standen noch Leute an der Kasse. Heute wird es voll – und noch wärmer! Hoffentlich klappt wieder alles!

Der Heartland Men’s Chorus beendete routiniert sein Programm. Das Publikum war zufrieden, so wie es sich anhörte, schwang etwas mehr Begeisterung mit als am Abend vorher.

Die Pause musste verlängert werden. Wegen der grossen Wärme im Saal waren wohl alle durstig und lange Schlangen bildeten sich am Tresen.

Margret – Bernds Mutter -, Oliver und Melli waren sitzen geblieben. Ich ging zu ihnen. Ich bemerkte, dass irgendwo in der Nähe geraucht wurde, obwohl vor Vorstellungsbeginn darum gebeten wurde, mit Rücksicht auf die Sänger im Saal nicht zu rauchen. Margret zeigte mir den Verursacher, über den ich mich hier nicht näher auslassen möchte. Höflich aber bestimmt bat ich ihn, seine Zigarre im Foyer zu Ende zu rauchen. Mürrisch kam er der Aufforderung nach.

Ich ging zurück in den Backstagebereich um zu sehen, wie dort die Stimmung heute ist. Dabei wäre ich fast an meinem Mann vorbeigelaufen. Er war schon für den Auftritt geschminkt und ich hätte ihn fast nicht erkannt.

Endlich war die Pause vorbei und wir waren wieder dran. Abgesehen von einer kleinen Lichtpanne verlief die Aufführung störungsfrei. Das Publikum war wieder begeistert, wenn auch nicht ganz so enthusiastisch wie am Abend vorher. Aber drei Zugaben waren wieder notwendig. Im Anschluss wieder das gemeinsame mit Lied mit den Gästen: „A Chorus of Lovers and Friends“.

Sekt hinter der Bühne, beseelt vom Erfolg Umarmungen und gegenseitige Glückwünsche! Etwas Arbeit war auch noch notwendig: Für die Premierenparty musste der Saal von Stühlen und Bänken geräumt werden. Die Piraten schminkten sich ab und zogen sich um.

Und dann begann die Party! Sicher über 200 Leute nahmen daran Teil. Es wurde wild getanzt zur Musik, die Bernd und Holli auflegten. Die „Schola-Songs“ wurden von den Chormitgliedern mit der dazugehörigen Choreographie begleitet. Der Funke sprang über auf die tanzende Menge und fast alle schlossen sich an. Es war einfach toll. Die Party war der krönende Abschluss beider Abende. Gegen 03.00 Uhr am Sonntag morgen waren nur noch eine Handvoll Leute da. Und wenig später war es dann auch vorbei.

30 Minuten später waren wir zu Hause. Als wir um 04.00 Uhr ins Bett gingen wurde es langsam hell und die Vögel fingen an zu singen.


Sonntag – Abschiedstränen

Am späten Vormittag gab es wieder ein ausgiebiges Frühstück mit Frank. Er konnte den Tag leider nicht mit uns verbringen, er musste schon zurück nach München. Bernd und ich brachten ihn zum Flugplatz.

Nachmittags war eine Ausfahrt auf der Elbe geplant mit Kaffee und Kuchen an Bord. Um 15.00 Uhr sollte es losgehen. Aber daraus wurde nichts, die Elbe war gesperrt. Ein über 300 m langer Frachter wurde bei der Werft Blohm und Voss ausgedockt. Es war ein interessantes Ereignis und für unsere Gäste eine ungeplante Erweiterung des Programms.

Unsere Abfahrt verzögerte sich um ca. eine halbe Stunde. Die Fahrt ging elbabwärts bis Blankenese. Bei Kaffee und Kuchen und später an Deck war Gelegenheit, sich mit unseren Gästen zu unterhalten. Auf der Aftershowparty kam man sich zwar auch näher – beim Tanzen. Um sich zu unterhalten war die Musik zu laut.

3 Stunden dauerte unsere Fahrt auf der Elbe und durch einige Hafenbecken. Als wir ein anderes Fahrgastschiff überholten, winkten uns einige der Passagiere zu. Wir erwiderten den Gruss und bedankten uns mit einem kollektiven, schrillen „Huhu“.

Der kleine Ausflug endete an den Landungsbrücken. Von dort gingen wir zu Fuss, entlang an der Speicherstadt, zum „Gröninger“. Dort war ein Buffet vorbereitet. Dazu gab es hausgebrautes Bier vom Fass. 4 Fässer waren aufgestellt. Jeder musste sich sein Bier selbst zapfen. Für unsere technikverwöhnten Gäste aus Amerika war das ein Erlebnis.

Die Mitglieder beider Chöre mischten sich und nahmen auf rustikalen Bänken platz. Es wurde gegessen, getrunken und man unterhielt sich.

Es kam die Zeit des Abschieds. Schola Cantorosa stellte sich hinter dem Buffet auf und sang ein Abschiedslied. Und tatsächlich rollten ein paar Abschiedstränen. Musste es denn unbedingt ein sentimentales Lied sein? Aber das ist halt Ansichtssache.


Montag – Rückblick

Früh morgens wurde ich wach, ich spürte zärtliche Berührungen. Ich öffnete die Augen, es war noch schummrig, die Vögel sangen. Ich konnte ein Blick auf den Wecker erhaschen: 04.15 Uhr. Wohlig lag ich da und genoss es, verwöhnt zu werden. Kurz bevor wir wieder einschliefen war mein letzter Gedanke: Das eben war der Abschluss eines wunderschönes Wochenendes.

Unsere Gäste waren fort. Früh morgens waren sie abgeflogen. Montag ist Probentag. Es hatte wohl keiner von uns Lust, heute Abend gleich mit den Proben weiterzumachen. Eine kleine Ruhepausen hatten wir uns redlich verdient. Trotzdem war das Bedürfnis da, heute Abend zusammenzukommen um das Wochenende, insbesondere die beiden Aufführungen, Revue passieren zu lassen.

Um 20.00 Uhr trafen wir uns um Saal des MHC. Alle waren guter Stimmung. Sebastian, unser Pianist, brachte einen der amerikanischen Gäste mit. Er nutzt die Reise für einen verlängerten Aufenthalt in Europa. Ein schnuckeliges Kerlchen! Und mit dieser Meinung stand ich nicht alleine da.

Es würde diesen Rahmen sprengen, auf die folgende Rückblende im Einzelnen einzugehen. Tatsache ist, dass es keine negativen Eindrücke gab. Ausnahmslos alle Chormitglieder waren der Meinung: Die Mühe der vergangenen Wochen hat sich gelohnt – es war ein tolles Wochenende – wir hatten Spass – es war eine runde Sache – der Chor hat einen positiven Impuls bekommen – für unsere Gäste war es das Highlight ihrer Europatournee.

Tief beeindruckt hat mich Matthias mit der Schilderung seiner Gedanken zu diesem Wochenende: Er schämte sich nicht, Tränen des Glücks freien Lauf zu lassen.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass wir an beiden Abenden zusammen fast 1.000 Zuschauer mobilisiert haben! Und ich möchte wetten, sie waren fast alle begeistert von uns und unseren Gästen. Der Geschäftsführer des MHC, der eine der Shows gesehen hatte, bedankte sich sich bei uns mit einer Runde Sekt.

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