Kann eine Trauerfeier schön sein? Ja!
Montag fand die Trauerfeier für meine kürzlich verstorbene 96 Jahre alte Mutter statt. Es war genau so, wie ich mir das gewünscht hatte: Niemand erschien in Trauerkleidung, es gab keine Schleifen am Blumenschmuck. Die Urne stand vor dem Altar, umrandet von Rosen, die sich nach unten hin in einem großen Gesteck verloren. Links daneben stand eine Staffelei mit einem Farbfoto (ohne Trauerflor) meiner Mutter, welches vor 2 Jahren aufgenommen wurde. Davor das Blumengesteck meines Sohnes und seiner Familie, farblich harmonierend mit dem Hauptblumenschmuck.
Zu Beginn der Trauerfeier wurde auf der Orgel „Memory“ aus dem Musical Cats gespielt. Der Pastor sprach zunächst ein paar christliche Worte. Immer wieder wies er darauf hin, dass wir nicht wissen, dass es so ist, wie es in Bibel steht, dass es ein Leben „danach“ gibt. Niemals behauptete er, dass es so ist.
Nach auf der Orgel gespieltem Lied „Lobe den Herren“ erzählte der Pastor aus der Lebensgeschichte meiner Mutter, soweit sie mir bekannt war. Seine Worte veranlassten uns nie zu Tränen, aber ab und zu zu einem Lächeln. Er hatte das, was ich ihm in einem Vorgespräch erzählte, perfekt zu einer Lebensgeschichte zusammengefasst, mit den Höhen und Tiefen eines 96-jährigen Lebens. Niemand ist perfekt, was in der Rede auch erwähnt wurde. Das gehört zu einem langen Leben auch dazu.
Nach dem Kirchenlied „Bewahre und Gott, behüte uns Gott“ erfolgten noch ein paar bilblische Worte und ein Gebet. Dann wurde die Urne unter den Klängen zu „Morgenstimmung“ aus der Suite Per Gynt von Edvard Grieg aus der Friedhofskapelle hinausgetragen. Am Familiengrab nahmen wir dann endgültig Abschied.
Am Grab hatte ich für eine kleine Überraschung gesorgt. Nachdem wir alle 3 Mal eine handvoll Erde auf die Urne geworfen hatten, gab es für die Anwesenden einen Schnaps am offenen Grab. Es versteht sich von selbst, dass ich den ersten Schnaps auf die Urne goss. Dann stießen wir auf das Wohl meiner Mutter an. Auch der Pastor trank ein Gläschen mit. Er bestätigte, dass er sowas noch nicht erlebt hätte und fand, dass das eine sehr schöne Idee sei.
Ein großer Leichenschmaus konnte „unter den gegenwärtigen Umständen“ nicht stattfinden. Bernd und ich fuhren mit unserem Sohn nach Travemünde, die zweite Heimat meiner Eltern und mir in vielen Sommern, wo wir in Angesicht des Hafens und der „Passat“ ein leichtes Mittagessen einnahmen. Ein kleiner Spaziergang rundete den Tag ab.
Kann eine Trauerfeier schön sein? Ja, sie kann. Eine Trauerfeier muss nicht traurig sein. Ich hatte unsere kleine Familie gebeten, nicht in Trauerkleidung zu erscheinen. Es gab keine Schleifen an den Blumengestecken und am Urnenschmuck. Der Pastor hielt die Predigt auf meinen Wunsch so, dass er nicht auf die Tränendrüse drückte. Die Trauerfeier war in Teilen ergreifend, wohl auch wegen der Musikstücke, die ich ausgesucht hatte, aber nie traurig.
Es war eine schöne Trauerfeier. Es war „eine schöne Leich“, auch wenn es nur noch die Asche einer einst stolzen Frau war, die bis zum Tod auf ihr Äußeres geachtet hat.
Du hast alles so schön geschildert und die Abschiedszeromonie so richtig anschaulich geschildert!
Die Idee mit dem Schnaps fand ich lustig,bestimmt hat deine Mutter auch ab und zu ein Gläschen zu sich genommen!?
Ich finde es war eine würdige Trauerfeier und es wird immer ein Lächeln auf euren Lippen sein wenn ihr daran zurück denkt!
Jeden Abend vor dem Schlafengehen trank sie 1 Gläschen.
Habt Ihr toll gemacht; hätte Deiner Mutti bestimmt gut gefallen. Und bei der Zeremonie mit dem Schnaps wäre auch ich gerne dabei gewesen 😉
Alle Gute für Euch – LG Elke
Ja. Mutter hätte gefallen daran gefunden. Meiner Tante, die auch dort im Grab liegt, hätte es sicher nicht gefallen, die war etwas „speziell“. Vor unserer Aktion habe ich ein paar Worte an sie gerichtet und ihr gesagt, sie soll sich jetzt ruhig verhalten und nicht den Grabstein umstürzen. Sie hätte bei ihrer Trauerfeier ihren spektulären Auftritt gehabt. Man hatte ja das falsche Grab ausgehoben.
Lieber Georg,
das klingt nach einer sehr persönlichen Verabschiedung von Deiner Mutter, wie es eigentlich sein sollte.
Meine Großeltern mütterlicherseits besuche ich regelmäßig auf dem Friedhof, auch mal beim Joggen zwischendrin. Zu Geburtstagen gehen wir als Familie oft ans Grab und dann gibt es Schnaps. Einen für das Geburtstagskind, eins für den Partner (also je aufs Grab) und einen für die Anwesenden.
Machen wir schon seit über 20 Jahren so. Mittlerweile wundert sich niemand mehr, und wenn, so what. Meine Großeltern haben immer gern ein Schnäpschen mit getrunken.
Deine Mutter wird da oben lächeln.
Eine Trauerfeier sollte schon persönlich sein, sonst kann man es gleich ganz lassen.
„Friedhofsgänger“ sind wir eher nicht, weder zu den Tagen im November noch zu Geburtstagen. Die Erinnerung an die Familienmitglieder ist bei vielen kleinen Momenten des täglichen Lebens präsent.
Meine herzliche Anteilnahme am Tod deiner Mutter. Sie hat ein hohes Alter erreichen dürfen.
Ich bin ebenfalls der Meinung, das auch Trauerfeiern „schön“ sein können. Wenn ein Mensch sein Leben zu Ende gelebt hat … niemand lebt ewig. Dann sollten wir dafür sorgen.
Mit Kopfschütteln habe ich den vorvorherigen Beitrag durchgelesen. Es ist natürlich richtig, das es jetzt wegen der Pandemie Regeln geben muß, aber es muß auch möglich gemacht werden, das mal etwas flexibler gehandhabt werden kann. Es geht um eine Trauerfeier und nicht um eine große Party. Etwas zum Fremdschämen ist das Verhalten der Dame. Gut, das ihr doch noch einen anderen Raum gefunden habt. Es wäre eigentlich die Aufgabe der Dame gewesen, nach dieser Möglichkeit zu suchen.
Wir sind auf die etwas größere Kapelle ausgewichen. Von dort war der Weg zum Familiengrab etwas weiter, aber die Sonne schien und die Vögel sangen in den alten Bäumen.
Ja, Trauerfeier können schön sein! Wie meine aussehen wird, habe ich bereits festgelegt. Auch die Playlist steht fest, obwohl sie ab und an noch geändert wird. Geredet soll wenig werden. Wer zum Abschied kommt, kennt auch meine Biografie. Das mit dem Schnäpschen wäre eine gute Ergänzung.
Meine Tante hatte auch alles vorher festgelegt. Einzig der Fauxpas der Friedhofsverwaltung, das falsche Grab auszuheben, war nicht von ihr geplant.
Ein erfülltes und langes Leben ist zu Ende gegangen und du, als Sohn, der seine Mutter am besten kannte, hast der Trauer einen Rahmen gegeben, der vermutlich ihrem Wesen entsprach und zugleich anerkannte, dass der für uns alle unausweichliche Tod auch akzeptiert werden kann. Das finde ich sehr schön.
Mein herzliches Beileid!
Wenn man ein so hohes Alter erreicht und einfach so einschläft, und das an ihrem 96. Geburtstag, muss man nicht „tieftraurig“ sein. In diesem Sinn habe ich auch versucht, die Trauerfeier zu gestalten. Ich denke, dass mir das gut gelungen ist.
An alle:
Herzlichen Dank für Euer Interesse und Eure Anteilnahme.