Naziaufmarsch in Bautzen


Nach den unerträglichen Bildern aus Bautzen vom Samstag, habe ich langsam meine Gedanken sortiert und meine Sprache wiedergefunden. Der geballte Aufmarsch des Nazimobs durch die Strassen von Bautzen hatte mich sprachlos gemacht.

Ich frage mich, wer diese Demonstration braunen Sumpfes genehmigt hat bzw. ob sie überhaupt genehmigt war. Wenn nicht, warum ist die Polizei nicht dagegen vorgegangen? Gründe dafür gab es, auch mit einer eventuellen Genehmigung, reichlich. Aber die Ordnungsbehörden haben beide Augen und die Hühneraugen zugemacht. Ich sehe die drei berühmten Affen: Nichts sehen – nichts hören – nichts sagen! Der verantwortliche Oberaffe war wohl gerade im Urlaub.

Samstag haben die Nazis den CSD in Bautzen aufs Korn genommen. Die kleine Parade konnte zwar noch durchgeführt werden, aber das geplante Strassenfest wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Wo war die Polizei, die die Veranstaltung vor den Nazis schützen sollte?

Gestern war es ein CSD, gegen den sich der Nazimob richtete. Was ist es morgen? Eine Streikdemo? Eine Parteiveranstaltung? Ein anderer CSD? Am kommenden Samstag findet der CSD in Lübeck statt. War Bautzen ein Test, wie die Behörden reagieren und rottet die Nazis sich in ein paar Tagen in Lübeck zusammen?

Das Titelfoto ist ein Screenshot aus einem Video. Ich habe das Video mit diesen Worten kommentiert:
„Gestern war ein CSD das Ziel, morgen ist es ein Parteitag einer demokratischen Partei, übermorgen ist es eine Gewerkschaftsdemo – und wenn niemand dagegen vorgeht, wird dann ein Landtag gestürmt.
Ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen könnte. Dieser Aufmarsch macht mir Angst! Demokratisch gewählte Politik, Verfassungsorgane Deutschlands, tut was gegen diesen braunen Mob!“

Der Kommentar hat bis jetzt 2.989(!) likes bekommen. Und es werden ständig mehr. Ich bin sicher, dass in den nächsten Stunden die 3.000-Marke überschritten werden wird. Das macht dann doch etwas Hoffnung.

8 Gedanken zu „Naziaufmarsch in Bautzen

  1. Birte

    Mich lassen diese unsäglichen Bilder gar nicht mehr los. In dem Video ist auch zu sehen, wie die Nazis eine Regenbogenfahne anzünden.
    Demonstrationen müssen nicht genehmigt, nur angemeldet werden. Aber man hätte sie sicherlich stoppen und auflösen können. Das Zeigen von verbotenen Symbolen, Aufstachelung, Volksverhetzung, etc.pp Aber das ist Sachsen, genauso habe ich das schon vor 9 Jahren erlebt, als ich dort gewohnt habe und an zahlreichen Anti Pegida und Anti Legida Demos teilgenommen habe.
    Was ich mich aber auch frage, neben all dem staatlichen Versagen, wo bleibt hier die Zivilgesellschaft? Stimmt sie zu, nimmt sie hin, hat sie resigniert oder hat sie Angst?
    Ich glaube nicht, dass sich die Nazis nach Lübeck trauen. Aber vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie es tun.

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  2. Der Wilhelm

    Ich bin da ganz ehrlich – ich habe bisher zu Bautzen zwar einige Berichte gelesen, aber die Bilder und Videos dazu bewusst vermieden. Denn mir geht es damit genau wie Dir. Ich ertrage diese Bilder nicht mehr und die Ängste, die sich damit verbinden. Und ich fürchte auch, dass wir in nicht allzuferner Zukunft sowas auch in den alten Bundesländern erleben werden – wen auch mit deutlicherem Widerstand von Behörden und Zivilgesellschaft.

    Ich glaube auch, dass da in der sächsischen Regierung und in den Verwaltungen eine Menge Menschen sitzen, die (wenn sie nicht auch schon völlig Braun infiziert sind) auf dem rechten Auge mehr als blind sind und jede Form von Strafverfolgung bewusst unterlassen oder sogar unterdrücken.
    Anlässe dafür hätte es ja reichlich gegeben:
    Nicht nur mit dem Zeigen offenen zeigen verfassungsfeindlicher Symbole, sondern auch mit etlichen de Parolen wären da sicher ein paar Jahre Knast zusammen gekommen. Wie auch auf Seiten der Behörden wegen der offensichtlichen Strafvereitelunen im Amt.

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  3. Ralf

    Als vor kurzer Zeit der muslimische Mob durch Deutschland tobte und die Abschaffung der freiheitlichen Gesellschaft und liberalen Demokratie sowie die Einführung einer totalitären Diktatur forderte, meinten viele, das müsse eben jene freiheitliche Gesellschaft „aushalten“, denn es sei ja doch Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Das ist natürlich Schwachsinn, mag es auch von Verfassungsrechtlern kommen. Es gibt kein Grundrecht auf Abschaffung von Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung, kein Grundrecht, sich selbst und alle anderen von einem totalitären Gewaltherrscher unterjochen zu lassen, mag der Führer oder Kalif oder Generalsekretär oder wie auch immer heißen, mag er eine braune, rote oder grüne Ideologie vertreten. – Jedenfalls dachte ich damals, wenn es in Ordnung ist, in Deutschland durch öffentliche Aufmärsche für eine Diktatur nach afghanischem Muster Propaganda zu machen, dann ist es wohl auch in Ordnung, das Gleiche für Totalitarismus nach NS-Prägung zu machen. Und siehe da – wir haben den Beweis. Ungehindert marschiert der arische Mob. Was unternimmt die Politik? Nichts. Denn genau das hat sie aus Weimar gelernt: NICHTS.

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  4. Elvira

    Ich habe gestern 10 Stunden Musik über Kopfhörer gehört. Die Sonntage in den Ferien sind bei RadioEins bestimmten Themen gewidmet. Gestern waren es die besten 100 Lieder der 60er, wobei die Moderatoren zu Recht meinten, es hätten auch 400 sein können. So ein toller Mix quer durch die Genres jener Jahre, natürlich etwas Beatles lastig. In diesen 10 Stunden habe ich völlig abgeschaltet und mich zurückversetzt in eine Zeit, die auch im Umbruch war, aber das im positiven Sinne. Die Friedensbewegung war auf ihrem Höhepunkt und die Demokratie hat das alles nicht nur ausgehalten, sondern sie wurde gestärkt. Und heute? Was passiert gerade, nicht nur bei uns? Die Briten haben gerade gezeigt, dass man sehr wohl gegen Rechts vorgehen kann. Auch bei uns waren vor wenigen Wochen viele, viele Menschen auf den Straßen. Warum das in Bautzen nicht auch so war, kapiere ich nicht. Kann man dem ganzen rechten Gesocks nicht ein Stück Land in ? spendieren und darum dann eine hohe Mauer errichten? Wie lange kann eine Demokratie so etwas aushalten? Nicht nur du hast Angst!

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    1. Birte

      Wem willst Du die denn zumuten? Na ja, ein Stück Land in Belarus oder so, das ginge sicherlich.
      In so kleinen Orten wie in Bautzen auf die Straße zu gehen, erfordert Mut. Das ist was anderes, als wenn wir in Hamburg, Berlin oder München demonstrieren. Ich habe mich ja neulich mal mit einer engagierten Geschäftsfrau aus Erfurt unterhalten, die sich öffentlich und sehr deutlich positioniert. Damit lebt sie aber nicht ungefährlich.
      In Sachsen hat es ja Tradition, die rechten Umtriebe zu verharmlosen. Das hat schon Biedenkopf getan und die anderen haben es fortgesetzt.
      Auch die Franzosen haben gezeigt, dass es doch anders geht, entgegen aller Prognosen. Aber selbst wenn Kretschmar die Wahl gewinnt, mit wem wird er dann koalieren? Mit dem BSW? Das wird dann kaum besser als mit der AfD.
      Man arbeitet sich ja lieber am Bürgergeld ab und schürt massiv Ressentiments gegen deren Empfänger, als sich mal der wirklichen Probleme anzunehmen. Rechtsextremismus ist eines davon.

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      1. Elvira

        In die Wüste schicken? Ich hätte nie und nimmer gedacht, dass ich mal solche Gedanken hegen könnte. Du hast natürlich recht, was Demos in kleineren Orten betrifft im Gegensatz zu den großen Städten. Als Einzelperson ist da sofort mein Buchhändler, Heinz Ostermann (findest du im Netz) ein herausragendes Beispiel an Zivilcourage. Trotz massiver Bedrohung, angezündeter Autos und eingeschlagenen Scheiben seines Ladens, hat er die Initiative Rudow gegen Rechts ins Leben gerufen und hält sie aktiv am Leben.

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  5. Ralf

    Unsere Justiz jedenfalls stellt solche Vorkommnisse samt der ihnen innewohnenden Gesinnung unter Naturschutz. In der Zeitung lese ich heute, dass nach Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft gegen die Her- und Aussteller der antisemitischen Propaganda-„Kunst“ der Documenta in Kassel kein Verfahren eröffnet wird. Es sei nicht nachzuweisen, dass die antisemitischen Schmierereien „gegen alle Menschen jüdischen Glaubens“ gerichtet gewesen seien. Wir lernen zweierlei: 1. Deutschlands Justiz ist noch immer nicht aufgefallen, dass Antisemitismus sich nicht gegen eine Religionsgemeinschaft richtet, sondern eine besondere Ausprägung von Rassismus ist, indem er nämlich unterstellt, Juden seien -übrigens unabhängig von ihrer Religion- eine minderwertige Rasse und deshalb abzulehnen und zu bekämpfen, gar zu vernichten. 2. Strafbar ist antisemitische Propaganda nur, wenn sich beweisen lässt, dass sie sich gegen jeden einzelnen Juden auf diesem Planeten richtet, was kaum möglich sein dürfte. Prost Mahlzeit. Bei dieser Gelegenheit: Im jüngsten Kommunalwahlkampf verwendete bei uns eine Partei die Devise der NSDAP in ihrem veröffentlichten Programm. Zahlreiche konkrete Vorhaben wurden aufgezählt, die man durchsetzen wolle, und mitten darunter prangte die NS-Devise ohne jeden Bezug zu konkreten politischen Sachverhalten. Ich ließ das von der hiesigen Staatsanwaltschaft prüfen. Ergebnis: nicht strafbar, da bloße Wiedergabe einer Nazi-Parole ohne dass damit tatsächliche NS-Stimmungsmache verbunden sei. Es gibt Begebenheiten, die kommentieren sich selbst. (Ehe jetzt wer an die AfD denkt – nein, es war eine von den Ampelparteien.)

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  6. Birte

    Gerade lese ich, dass die Bratzen auch in Leipzig auflaufen wollen. Wenn sie sich mal nicht vertun….. Leipzig bereitet sich jedenfalls auf sie vor.

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