Das war vorhersehbar

Söder hat gesprochen: Er hält an Aiwanger fest. Was anderes war ja auch nicht erwartbar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Wie sich diese Entscheidung auf das Ergebnis der Landtagswahl auswirken wird? Dazu wage ich keine Prognose. Es könnte so oder so werden. Als politisch interessierter Wähler sollte man Söder samt Aiwanger abstrafen. Das trau ich aber den Bayern nicht zu. Wenn Aiwanger entlassen worden wäre, wäre das ein richtiger und wichtiger Schritt gewesen, der, so meine Vermutung, Söder mehr Stimmen gebracht als gekostet hätte. Ich denke, die Wahlforscher werden jetzt ihre Umfragen starten und versuchen herauszubekommen, was wäre wenn.

Herr Söder sagt, seine Entscheidung sei nicht nur anhand der 25 Fragen gefallen, die er Aiwanger gestellt hat, auch ein langes und intensives Gespräch hat ihn dazu veranlass, Aiwanger nicht zu entlassen. Die 25 Antworten zur Flugblattaffäre sind zum Teil sehr vage. Für einen ordentlichen Arbeitgeber wäre das keine Basis zu einer weiteren Zusammenarbeit. Was in dem persönlichen Gespräch gesagt wurde, weiss man nicht, noch nicht. Vielleicht kommen dazu ja noch ein paar Einzelheiten ans Licht der Öffentlichkeit. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch Herr Söder Leichen im Keller hat, von denen Herr Aiwanger Kenntnis hat.

Wie schon erwähnt, ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis der Landtagswahl am 8. Oktober.

11 Gedanken zu „Das war vorhersehbar

  1. Trulla

    Bluts“bande“ fällt mir zu den Aiwanger Brüdern ein.
    Der Hubert kann sich zwar „an gar nix erinnern“, dennoch soll angeblich der Vorfall damals „ein einschneidendes Erlebnis, woraufhin er viel nachgedacht hat“ für ihn gewesen sein.
    Wer’s glaubt wird selig.

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  2. Frau Momo

    Ich fürchte, Aiwanger wird das Ganze bei der Wahl nicht schaden. Man muss sich nur die Kommentare in den asozialen Medien angucken. Es ist wie bei Trump… egal, welchen Mist die verzapfen, sie werden gewählt.
    Bei Söder dürfte es reines Machtkalkül gewesen sein.

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      1. Der Wilhelm

        Eier hat er nur, wenn es um die eigene Person geht…
        Und deshalb hat es mich auch nicht verwundert, was nun am Ende der Geschichte steht.
        Denn etwas anderes war ja auch nicht zu erwarten – genauso wenig wie die klare Absage an die Grünen, die im Kontext der gestrigen Erklärung eigentlich gar nichts verloren hatte.

        Bemerkenswert auch das lautstarke Schweigen aus den Reihen der restlichen Union – um so mehr, als das doch auch eine Chance gewesen wäre, Söders Kanzlerschaftsambitionen einen deutlichen Dämpfer zu erteilen.

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  3. Ralf

    Wir wissen nicht, was sich damals abgespielt hat, vor 35 Jahren. Ich erinnere mich auch nicht an alles, was ich vor 35 Jahren erlebt habe. Meine politische Einstellung ist heute nicht die selbe wie als ich 17 war (das ist sogar 44 Jahre her). Manches aus meiner Jugend ist mir als unrühmlich, geschmacklos, saudumm in Erinnerung. So sangen wir damals gern ein Lied, in dem vorkam: „Wir kaufen einen N…rstamm und machen daraus Büchsenfleisch.“ Längst ist mir klar, dass das rassistischer Blödsinn war. Damals fanden wir es lustig. Niemand dachte aber im Ernst daran, aus Menschen Büchsenfleisch zu machen. Wir benutzten an Stelle von „bis zum Gehtnichtmehr“ die Wendung „bis zur Vergasung“, ohne dass uns auffiel, woran man da eigentlich sofort denken sollte. Ich las mit 15, 16 eine Zeitschrift, die ganz normal im Handel öffentlich zugänglich war, namens „Das III. Reich“ -tatsächlich mit Hakenkreuz an Stelle des Punktes- und die sich zugute hielt, Geschichtsaufarbeitung zu leisten. Immerhin fiel mir auf, dass diese Zeitschrift in mir durch sprachliche und bildnerische Mittel eine Grundsympathie für jenes Reich weckte, was mich heftig mit mir hadern ließ; dennoch las ich sie weiter. Ich fürchte, jüngere Menschen als ich urteilen heute ohne hinreichende Kenntnis der bundesrepublikanischen Vergangenheit. Das Denken und Verhalten junger Menschen in den 70ern und bis in die 80er hinein war noch nicht so sehr von Aufarbeitung der NS-Geschichte geprägt wie heute. Man erinnere sich übrigens: In den 80ern zeigten Kohl (von Beruf Historiker!) und Mitterand durch Besuch eines Soldatenfriedhofs, auf dem auch SS-Männer lagen, zwecks Ehrung der Gefallenen, dass auch die Spitzen Deutschlands und Frankreichs nicht sehr gründlich zwischen Tätern und Opfern unterschieden. Ja schlimmer noch: Juden machten sich die NS-Ideologie zu eigen, indem sie schwule KZ-Opfer als angebliche Verbrecher vom Gedenken ausschlossen, Paradebeispiel das Verbot, in Dachau der schwulen Opfer zu gedenken, durchgesetzt vom vorwiegend jüdischen Rat der Verfolgten. Denken und Handeln waren seinerzeit noch nicht so klar, so vernünftig und von Anstand geleitet wie heute – auf allen Seiten. Dass jetzt, Jahrzehnte später, ein nach heutigen Maßstäben verwerfliches und damals bestenfalls als dummdoof erkanntes Tun ausgegraben und als Wahlkampfwaffe genutzt wird, sagt mehr über das selbstgerechte Nichtwissen der vorgeblichen Saubermänner und -frauen aus als über die Sache selbst.

    Wir hatten einen Außenminister, der nicht mit 17, sondern mit 25 nicht einen dreckigen Text schrieb, sondern Steine auf Polizisten warf. Der musste nicht zurücktreten. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich finde eine Gewalttat eines erwachsenen Mannes schlimmer als die verbale Steißgeburt eines Jugendlichen.

    Wenn ich mich rückblickend frage, warum viele Jugendliche damals so achtlos und so tolerant gegenüber dem Massenmord sein konnten und Zeitschriften wie die oben genannte konsumierten oder so dumm NS-Vokabular benutzten, dann fällt mir der Religionsunterricht in der Grundschule ein. Da wurde uns an Hand der Legenden von der Sintflut, von Sodom und Gomorrha, von der mosaischen Landnahme und ähnlichen Geschichten aus der jüdischen (welch grausame Ironie!) Mythologie eingebläut, dass ein übermenschlicher Führer Herr sei über Leben und Tod und ohne Rücksicht Massenmord betreiben dürfe. Ich glaube, genau das ist die Wurzel und der Kern und die Antwort auch auf die Frage, wie denn der nationalsozialistische Massenmord und die deutschen Kriegsverbrechen geschehen konnten – und woher danach die Gleichgültigkeit kam. Mir wurde das erst um 2000 endlich klar, als ich mich einer Mühe unterzog, die fast alle Christen scheuen, und die Bibel las. Danach trat ich aus der Kirche aus.

    Zurück zu Aiwanger. In Deutschland war lange Jahre ein Mörder Ministerpräsident, der berüchtige NS-Marinerichter Filbinger. Der musste im Strudel einer unsäglichen Affäre gehen, uneinsichtig bis zuletzt sich als Kampagnenopfer stilisierend. Er prägte den ebenso falschen wie berüchtigten Satz, dass was gestern Recht gewesen sei heute nicht Unrecht sein könne (als ob eine Mörderbande wie die Nazis überhaupt Recht setzen könnten, aber das glauben ja heute noch viele Juristen). Ich möchte den jugendlichen Verfasser oder Verteiler einer idiotisch-charakterlosen Flugschrift nicht auf die selbe Stufe stellen wie diesen gewissenlosen Verbrecher. Auch dass man sich den jetzigen Umgang mit der Sache durch Aiwanger selbst besser vorstellen kann, ändert daran nichts. Und noch was: Der jüngst von ihm gesprochene Satz, man müsse sich die Demokratie zurückholen, ist weniger schlimm als Habecks frühere Aussage, man müsse das Land erst mal zu einer Demokratie machen. Aiwanger setzt immerhin voraus, dass wir eine Demokratie sind. Habeck verneint das. Wir müssen das nicht vertiefen. Der Fall Aiwanger zeigt indes sehr deutlich, dass man ihm in Wahrheit seit Jahrzehnten nichts wirklich Ehrenrühriges vorwerfen kann (dass ich weder ihn mag noch seine politischen Ansichten teile, reicht nicht zu einem Verdammungsurteil), so dass auf jenes abscheuliche Flugblatt von vor 35 Jahren zurückgegriffen wird, und das auch noch unter Verletzung der Schweigepflicht eines Lehrers und ausgerechnet kurz vor der Wahl. Geht es noch durchsichtiger? Übrigens sind die noch schnell nachgeschobenen Vorwürfe des Hitlergrußes und Hakenkreuzzeigens mangels Beweises gleich wieder in der Versenkung verschwunden. Und dass man jetzt teils anonyme „Zeugen“ aus der Schulzeit zitiert… wenn wir heute von Mitschülern zu erzählen hätten, die wir damals nicht ausstehen konnten oder die uns damals Unrecht taten, ich weiß nicht, wie objektiv unsere Erinnerung da wäre.

    Nebenbei: Wenn die Presse sich so intensiv mit dem Ausverkauf Deutschlands an Russland durch die Regierungen Schröder und Merkel beschäftigen wollte, wie sie jetzt diesem Flugblatt eines jugendlichen Schwachkopfs nachspürt, wäre ich froh. Dieser wohl größte Skandal der Bundesrepublik wird anscheinend nie aufgearbeitet werden. Stecken einfach zu viele Politbonzen drinnen, am Ende käme uns fast das ganze Regierungs- und Parlamentspersonal abhanden. Dann lieber einen bayerischen Bierzeltschwätzer schlachten, der nicht mal den Vokal „a“ zustande bringt. Ihr merkt: Mir sind in Deutschland einfach die Maßstäbe zu sehr verrutscht, was staats- und volksbewegend sein sollte.

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    1. Frau Momo

      Ja, die Maßstäbe sind verrutscht, wenn Leute wie Aiwanger mit ihrem Opfer-Gehabe durchkommen

      „Statt sich damit auseinandersetzen, warum Aiwanger „mit Schuldumkehr, der Beschimpfung seiner Kritiker und einer Jetzt-erst-recht-Haltung durchkommt und in Bierzelten dafür gefeiert wird, sollen die Gedenkstätten und jüdische Gemeinden die erinnerungskulturellen Scherben zusammenkehren, die Aiwanger und Söder hinterlassen haben“, so Wagner. „Dazu werden sie sich hoffentlich nicht zur Verfügung stellen. In Gedenk­stätten wird kein Ablasshandel betrieben.“
      (Wagner, Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora)

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  4. Trulla

    @Ralf: du zitierst viele – unbestrittene – Fakten, die in der Vergangenheit liegen. Ich finde sie teils passend, teils aber auch nicht. Deshalb mache ich mir aber trotzdem jetzt nicht die Mühe, im einzelnen darauf einzugehen.
    Ich beschränke mich auf die Gegenwart, den „Fall“ Aiwanger. Mit dem sind wir hier beschäftigt, durchaus deshalb, da gebe ich dir recht, weil in Kürze eine Wahl bevorsteht. Meiner Meinung nach ist es aber nicht verkehrt, das zur Debatte stehende Personal noch mal gründlich zu durchleuchten, damit der Wähler weiß, was er tun oder lieber lassen sollte.
    Mit Hubert A. haben wir, das dürfte inzwischen wohl spätestens aufgrund seines Umgangs mit den Vorwürfen feststehen, jemanden im Amt für den Freistaat Bayern, der dessen nicht würdig ist, aber dennoch wieder antritt. Niemand glaubt das Märchen der Gebrüder A. hins. der Urheberschaft des unsäglichen Flugblatts, das ich ob seines menschenverachtendes, jedoch über die Umstände der Vernichtungsinstrumentarien sehr informierten Inhalts nicht so einfach als Jugendsünde eines noch unfertigen jungen Menschen von 17 Jahren abtun kann. Der Schreiber wusste damals schon, was er schrieb!

    Zusammen mit seinen erwachsenen Äußerungen kann sich jeder, der will, ein Charakterbild von ihm basteln. Ich finde, das fällt nicht gut aus.

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    1. Ralf

      Ja, das fällt nicht gut aus. Aus meiner Sicht genügt dafür aber die Gegenwart, ohne dass man in seiner Vergangenheit nach echt oder vermeintlich Unentschuldbarem suchen muss. Ich halte es da mit meinem alten Freund Jürgen Trittin, der bei Markus Lanz die Ansicht vertrat, dass ein damals 17jähriger nicht in die Vergangenheit hinein beurteilt werden möge, als sei er seinerzeit schon 52 gewesen. Ich glaube, ich habe ganz gut dargestellt, dass Jugendliche in den 70ern und 80ern weder mit heutigen Altersgenossen noch mit sich selbst als heute Erwachsenen gleichgesetzt werden können. Die Selbstgerechtigkeit und der moralistische Rigorismus, mit denen ich in meiner Jugend, gepaart mit Viertelwissen, Naivität und Dummheit, unterwegs war, lassen mich zögern, im voriegenden Fall die Goldwaage zum Einsatz kommen zu lassen.

      Übrigens ist da was Wichtiges offenbar kaum wem aufgefallen. Es wird von einem antisemitischen Flugblatt geredet. Ich habe bisher nur diese Auslobung von Preisen gesehen. Wenn sich das Ganze darauf beschränkt, erkenne ich daran nichts eigentlich Antisemitisches (Vorsicht, nicht gleich Schnappatmung einschalten!), sondern die mich anwidernde Verwendung nationalsozialistischer Versatzstücke plus Verhöhnung der NS-Opfer zum eigenen Vergnügen des Verfassers. Wer dann aber hingeht und mal wieder von allen NS-Opfern nur die Juden als Gegenstand dieses Pamphlets ausmachen will, leugnet, verdrängt und beleidigt alle anderen Opfer. Da sag ich mal wieder was, das viele nicht hören wollen. Schon in der Oberstufe galt ich meinem Geschichtslehrer als Antisemit, weil ich darauf bestand, dass es zahlreiche Opfergruppen gab, von denen die Juden die größte, aber eben nicht die einzigen waren. Auch das typisch für die damalige Zeit: Als Opfer wurden nur die Juden anerkannt, alle anderen sollten Verbrecher oder sonstwie Unwertige gewesen sein, denen Recht geschehen sei und an die man nicht erinnern müsse. Die jetzigen Empörungsmaschinisten entlarven ihre genau in diese Richtung gehende Denkweise, indem sie den Nationalsozialismus ausschließlich als antisemitisches Verbrechen deklarieren. Und noch was: Gestern redete Lars Klingbeil, immerhin Vorsitzender der SPD, im Zusammenhang mit Aiwangers Flugblatt (ich glaube den Bruder-Stuss auch nicht, kann das aber nicht beweisen) von einem Vergehen. Leute, das Vergehen ist der kleinere Bruder des Verbrechens, ist eine Straftat! Dieses Flugblatt ist dumm, eklig, geschmacklos, indiskutabel und was weiß ich sonst noch alles, aber es ist keine Straftat. Klingbeil führt vor, wie weit sich die Auseinandersetzung schon von der Sache entfernt hat und nur noch dazu dient, einen unliebsamen politischen Gegner fertigzumachen. Man bedenke dabei, dass Klingbeils SPD in Bayern ums parlamentarische Überleben kämpft und nicht auszuschließen ist, dass sie an der 5%-Hürde scheitern könnte. War das also der Sinn? Dass der Boss einer untergehenden Partei den Boss einer erfolgreichen Konkurrenzpartei als Straftäter verleumden kann? Das erinnert dann schon eher wieder an braune Zeiten, es ist aber nicht Aiwanger, sondern Klingbeil, der sich die Finger dreckig macht. Ich habe ein feines Gespür, wenn jemand NS-Methoden anwendet (hatte ich in meiner Jugend nicht, da tat ich es selbst). Dem jugendlichen Aiwanger mag man was nachsehen, dem erwachsenen Klingbeil nicht. Und am Ende, fürchte ich, wird die ganze so sorgsam aufgekochte Suppe auf der linken Seite des Parteienspektrums ausgelöffelt werden müssen, denn -ich wage die Prognose- Aiwanger und seine Freien Wähler werden die Landtagswahl gewinnen, Söder wird ihnen noch mehr geben müssen als bisher, um Ministerpräsident bleiben zu können, und die SPD wird in Bayern -ausgenommen ein paar größere Städte- endgültig eine Splitterpartei werden. Nicht umsonst halten sich die Grünen klugerweise zurück und argumentieren eher differenziert – siehe ihren Grandseigneur Jürgen Trittin, der zutreffend voraussieht, wem die Causa nützen und wem sie schaden wird. Je mehr jetzt noch auf Aiwanger eingedroschen wird, desto mehr bayerische Biertrinker und Weißwurstesser werden ihn wählen. (Es sei denn es kommt noch was wirklich ganz Hartes raus, aber wenn es da was gäbe, hätte man das schon auf den Tisch gelegt.)

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  5. Trulla

    @Ralf: ich stimme mit dir überein, dass auch ich es – nicht erst seit heute – ablehne, Opfer auseinander zu dividieren. Die Gedenkkultur zum Holocaust, die ich für wichtig und wertvoll halte, muss allen Gruppen und Individuen gelten, die dem Unrecht des Unrechtregimes zum Opfer fielen.

    Ebenfalls bin ich der Meinung, dass ein Reifeprozess mit dem Eintritt des Erwachsenenstatus noch keineswegs abgeschlossen ist. Deshalb ist Verzeihen und Vergessen durchaus angesagt, wenn die Person durch Erfahrung und späteres Verhalten Läuterung erkennen lässt. Daran kann man aber bei A. zweifeln.
    Leugnen, lügen?, keine echte Reue zeigen, im Gegenteil: sich selbst bemitleiden und andere angreifen, unsere Demokratie in Zweifel ziehen? das hat schon „Trump’sche „Züge. Nun, auch der wird nach wie vor gewählt und das wird auch in diesem Fall passieren. Nur, dass jeder, der wissen will, wen er wählt, Klarheit hat.

    Den Inhalt dieses unsäglichen Flugblatts damals hätte ich (ebenso wie einige prominente Juristen) auch für strafbewehrt gehalten. Die Schule hat entschieden, die Sache intern zu regeln. Wie du aber darauf kommst, Lars Klingbeil für einen solchen Hinweis (den ich übrigens nicht finden kann) NS Methoden zu unterstellen, halte ich für eine ziemliche Entgleisung.

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    1. Ralf

      Der Vorwurf Klingbeils, Aiwanger habe ein Vergehen, d.h. eine Straftat, begangen (und wir müssen bedenken, es steht unwiderlegt, wenn auch nicht sehr glaubwürdig, im Raum, dass Helmut der Verfasser gewesen sei und Hubert das Flugblatt nur besessen habe), ging gestern Abend durchs öffentlich-rechtliche Fernsehen, wo ich ihn persönlich damit gesehen und gehört habe. Selbst wenn es ein Vergehen gewesen wäre, diesen Mist in der Schultasche gehabt zu haben (was ich bezweifle), wäre das längst verjährt. Den politischen Gegner als Straftäter zu diffamieren, ist in Diktaturen beliebt. Putin z.B. steckt seine Gegner -wenn er milde gestimmt ist und sie nicht einfach einen tödlichen Unfall erleiden- ins Gefängnis. Auch die Nazis taten das. Die CDU veröffentlichte mal im Wahlkampf Fotos von SPD-Kanzler Schröder, als wären sie aus der Verbrecherkartei, und erntete damit heftige Empörung. Die AfD verklagt gerne Mitglieder der Bundesregierung unter dem Vorwurf des Verfassungsbruchs (aktuell Jens Lehmann). Den politischen Gegner zum Straftäter erklären, das ist m.E. widerlich.

      Übrigens: Einen ähnlichen Fall wie jetzt den von Aiwanger gab es schon mal. Damals kandidierte Hans-Jochen Vogel gegen Helmut Kohl als Bundeskanzler (1983) und wurde mit seiner Tätigkeit als Propaganda-Pimpf bei der Hitlerjugend im Alter von 14, 15, 16 Jahren (genaues Alter ist mir nicht erinnerlich) konfrontiert. Da musste er wohl auch das eine oder andere schwadroniert haben, dessen man sich als Erwachsener schämt. Aber es bildete sich schnell die überwiegende Meinung, dass das NS-Geschwätz eines Jugendlichen Jahrzehnte später im politischen Leben eines demokratischen Politikers keine Rolle spielt. Da sieht man gut, dass in den 80ern manches verzeihlich erschien (m.M.n. zu Recht), was heute den Ruf nach dem (politischen) Henker rechtfertigen soll.

      Und da gab es auch den Vorwurf, dass Aiwanger „Mein Kampf“ in die Schule gebracht habe. Diese dreckige Schwarte war übliches Geschenk zu Hochzeiten, und in manchen Haushalten wurde sie warum auch immer nicht weggeschmissen. Auch ein Schulkamerad von mir besaß aus familiärer Geschichte dieses Schmutzbuch und brachte es mal mit, damit alle sich das anschauen konnten. Nein wie furchtbar! Dieser Verbrecher aber auch! Oh Mann, mir fällt grad ein, ich besitze ein EK II aus dem 2. WK, das aus der Erbmasse eines Großonkels stammt – mit Hakenkreuz! Boah, ich bin ein Nazi… nichts kann das entschuldigen. Und mein Mann besitzt den Offiziersdegen seines Vaters, auch mit Hakenkreuz. Wir sind echt ein Nazi-Paar. – Im Ernst: Wenn wir erst mal anfangen, jeden Scheiß, den wer mal in seiner Jugend gesagt oder geschrieben hat, und jedes NS-Devotionalium, das durch die Generationen weitergereicht wird, zur Grundlage moralischer und politischer Unwerturteile zu machen, dann gute Nacht, Deutschland. Ein Bundestagsvizepräsident hat mal gesagt, wenn wir in der Vergangenheit jedes Abgeordneten nur lange genug suchen, kommen wir bei vielen in Verlegenheit. Das gilt nach wie vor, egal ob wir hirnlose Pamphlete über Auschwitz und Dachau, Lobeshymnen auf Lenin, Maobibeln oder geschmissene Steine finden. Die Gefahr geht nicht von Aiwanger aus, sondern von Leuten wie Höcke. Das scheinen manche schon gar nicht mehr wahrzunehmen. – So, jetzt ist von meiner Seite glaube ich alles gesagt. Vielen Dank für die sachliche Diskussion, liebe Trulla!

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