Hamburg trifft New York – mit „Mein Schiff 6“ – Teil 2

29. August 2017 – St. John’s/Neufundland

Ich wache irgendwann auf, öffne die Augen und schaue direkt von der Koje über die Veranda nach draußen. Und wie sie sehen, sehen sie nichts – Nebel! Langsam registrierte ich, dass ich das Typhon am Bug das Nebelsignal senden hörte. Bernd wird auch wach, wir schauen uns an „Wie spät ist es?“. Ich weiß es jetzt nicht mehr, jedenfalls war es früh am Morgen. Blöde Zeitumstellerei jede Nacht. Aufstehen oder oder? Wir entschiede uns für „oder“ und standen dann auf, immer noch früh genug.

Nach dem üblichen Frühstück ein Rundgang über Deck 14 mit Blick auf den Pool auf Deck 12 (Deck 13 gibt es nicht an Bord). Emsige Frühschwimmer ziehen ihre Runden im 25-Meter-Pool. Auch im Whirlpool hockt schon jemand. Die Sonne versucht den Nebel zu durchbrechen. Plötzlich taucht im Nebel das Lotsenboot auf und begleitet uns in den Hafen, der Lotse ist also offensichtlich schon an Bord.

Langsam wird es etwas heller und direkt in der engen Einfahrt nach St. John’s wird es untenrum klar, nur obenrum sind die Felsen noch im Nebel. Je weiter wir in den Hafen hineinfahren umso sonniger wird es während vor der Einfahrt immer noch der Nebel wabert. Capt. Todd erzählt später, er hätte den Hafenmeister von See aus gefragt, wie es denn innen aussieht. Der hätte geantwortet: Alles bestens! Na ja, draußen war es eben dicke Suppe und wenn es auch noch windig gewesen wäre, hätten wir womöglich gar nicht einlaufen können.

Wir suchten uns einen Platz an der Reling um einen ersten Blick auf St. John’s zu erhaschen. Plötzlich schiebt sich rücksichtslos ein Typ zwischen uns und hält mir seinen Arm vor’s Gesicht. Mit seiner Cam macht er pausenlos Aufnahmen und ich starre auf seinen Arm. Ich sage ihm, dass ich auch mal gern was sehen möchte. Seine Antwort: „Gleich!“ Ts, was gibt es doch nur für rücksichtslose Menschen. Seine Tochter kommt, er flüstert ihr was ins Ohr und verschwindet. Ich bitte die Tochter, mit mir den Platz zu tauschen damit ich bei meinem Mann stehen kann. Wortlos wechseln wir die Plätze und ich habe einen unverbauten Blick auf die bunten Häuser von St. John’s. Alles sieht so bunt und freundlich aus. Ein schöner Anblick nach 4 Seetagen!

Wir haben einen Landausflug gebucht „Signal Hill“ und Cape Spear“. Cape Spear ist der östlichste Punkt des nordamerikanischen Kontinents. Als wir dort ankommen ist …… Nebel! OK, den Leuchtturm kann man sehen, aber der Blick über das Meer bleibt uns verwehrt. Als es etwas heller wird sehen wir im dunstigen Sonnenschein die Küstenlinie der Bucht.

Weiter geht die Fahrt nach Petty Harbour, ein kleiner Fischerort für den Hummerfang, sehr idyllisch. In den umliegenden Hügeln hängt immer noch Nebel. Wir haben ca. 30 Minuten Aufenthalt und können den kleinen Ort erkunden. 30 Minuten reichen wirklich, na ja, besser wären 45 Minuten gewesen. Hier haben wir festgestellt, dass nicht alles Holz ist, was wie Holz aussieht. Und das wurde uns auf der Weiterfahrt bestätigt: Man geht dazu über, die Fassaden mit Kunsstoffpaneelen zu verkleiden, die wie Holz aussehen.

Unser Tourguide sprach ein nahezu perfektes Deutsch und erzählte während der Fahrt im Bus u.a. über Ackerbau, Viehzucht und Wirtschaft in der Region. Er berichtete z.B., dass es dort viele Milchbauern gibt mit glücklichen Kühen. Diese werden nicht zu festen Zeiten gemolken. Jede Kuh entscheidet selbst, wann sie gemolken werden möchte. Sie geht dann in eine Box, das System liest die Daten der Kuh von einem eingepflanzten Chip, das Melkgerät wird passgenau angedockt. Während des Melkvorgangs kriegt die Kuh ein auf sie abgestimmtes „Naschi“. Die Kuh geht wieder raus und gut ist. Umstellung von Winter- auf Sommerzeit – oder andersrum – spielt keine Rolle weil die Kuh sich sozusagen selbst melkt. Kühe sind nicht dumm: Als sie die Sache mit dem Naschi herausgefunden hatten, haben sie sich immer wieder zum Melken angstellt. Aber das System hat aus dem Chip ausgelesen, dass die „dumme Kuh“ vor ein paar Minuten schon mal dort war und die Tür zum Melkraum blieb der Kuh verschlossen. Also – geht doch alles. Wenn hier bei der 2 x jährlichen Zeitumstellung jemand darauf rumhackt, dass das schlecht für das Vieh ist … Lasst die Kühe das selbst machen und alles ist gut und die Kühe sind glücklich.

Es ging zurück Richtung St. John’s mit einem Stop am Signal Hill. Hier empfing Marconi 1901 das erste transatlantische Funksignal. Von der Anhöhe hat man einen tollen Blick auf die Hafeneinfahrt und auf die Stadt mit ihrem Hafen, in dem unser schwimmendes Zuhause festvertäut am Kai liegt. Man kann erkennen, wie eng die Hafeneinfahrt wirklich ist. Capt. Todd hat es trotz des Nebels geschafft, das Nadelöhr problemos zu passieren.

Am Nachmittag spazierte ich durch die kleine bunte Stadt, was nicht ganz leicht ist. St. John’s liegt an einem steilen Hügel und wenn man etwas mehr sehen will, muss man den Aufstieg machen. Ich habe das so gemacht: Hinaufgehen und zum Ausruhen quer gehen, dann wieder hinauf usw., es ist wirklich steil dort. Aber es hat sich gelohnt. Die „Mein Schiff 6“ liegt fast mitten in der Stadt und von fast überall kann man einen Blick auf sie erhaschen. Nebel ist in dieser Gegend der Welt wohl nicht ungewöhnlich. Ein Friseusalon hat sich den Namen „Fogtown“ gegeben. Passt würde ich sagen.

St. John’s scheint eine sehr liberale Stadt zu sein. Überall flatterten Regenbogenflaggen an den Geschäften oder es gibt Aufkleber mit den Regenbogenfarben in den Fenstern, dass „jeder“ willkommen ist. Wo hat man das schon mal gesehen?!

Gewöhnungsbedürftig ist die Stromversorgung der Häuser: Oberirdisch hängen dicke Kabel zwischen Holzmasten. Von den dicken Kabeln zweigen dünne Kabel zu den jeweiligen Häusern ab, man kennt das aus amerikanischen Filmen, die in Kleinstädten spielen. Das scheint ja zu funktionieren, auch wenn das aus unseren Augen recht gefährlich aussieht, besonders mit den vielen Holzhäusern.

Als wir am Abend St. John’s verließen, standen an allen möglichen Plätzen sowie oben auf dem Signal Hill Menschen und verfolgten unsere Ausfahrt aus dem Hafen. Wie von Capt. Todd angekündigt, verabschiedete uns der Hafenmeister mit mehreren Salutschüssen auf einem Hügel unterhalb vom Signal Hill.

30. August 2017 – 6. Seetag

Das Wetter meinte es gut mit uns an diesem Tag, die Sonne schien. Auf dem Sonnendeck der X-Lounge ließen wir uns von der Sonne wärmen. Der Schiffssparziergang war ohne Jacke möglich. Wiedermal pflügte die „Mein Schiff 6“ durch das total ruhige Meer, max. Windstärke 2, es war traumhaft.

Am Nachmittag gönnte ich mir eine kleine Kuchenauswahl vom Kuchenbuffet. Damit die Gäste die Möglichkeit haben, alles mal zu probieren, werden nicht nur Tortenstücke angeboten sondern auch kleine Kuchenhappen. Später zogen wir uns in die kleine Open-Air-Lounge auf dem X-Lounge-Deck zurück. Dort kann man sich Softdrinks aus den Kühlschränken nehmen oder verschiedene Kaffeegetränke selbst zubereiten. Dieser Bereich ist teilweise überdacht, da findet man auch einen Schattenplatz.

Auf unseren Streifzügen durch das Schiff haben wir einige auffallende Kunstwerke entdeckt, die ich hier mal präsentieren möchte, Kunst an Bord – und davon gibt es noch viel mehr.

Flaschenpost Nr. 4 haben wir heute Abend auf die Reise geschickt. Ina hat die Daten für die ersten 3 Flaschenposten schon verarbeitet. Bei Interesse schaut doch mal auf ihrer Homepage vorbei. Dort kann man sehen, wo wir die 3 Flaschen ins Meer geworfen haben.

31. August 2017 – Charlottetown/Prince Edward Island

Wieder gab es in der Nacht eine Zeitumstellung in der Nacht,zwar nur 30 Minuten, aber es ist nervig.

Unser Landausflug führt uns heute zum Prim Point Lighthouse und zum Wood Island Lighthouse. Die Leuchttürme sind natürlich heute alle automatisiert. Aber in früheren Zeiten wurden sie Tag und Nacht durch die Leuchtturmwärter beaufsichtigt. Das Öl zum Betreiben des Leuchtfeuers musste mühsam in Kanistern nach oben getragen werden. Alle 4 Stunden musste der Leuchtturm „aufgezogen“ worden, d.h. ein Gewicht, ähnlich dem einer Standuhr, musste wieder hochgezogen werden. Es war nicht selten, dass ein Leuchtturm 2 oder gar 3 Generationen von der selben Familie betrieben wurde. Die Leuchtturmwärter wohnten mit ihren Familien im Leuchtturm oder in kleinen Häusern am Leuchtturm.

Während der Busfahrt lernten wir, dass die rote Erde, hervorgerufen durch einen hohen Eisenoxydanteil, typisch für Prince Edward Island ist. Der Anbau von Kartoffeln eignet sich besonders gut. Die Kartoffelernte wurde mehr und mehr automatisiert. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wird in ca. 5 Minuten 1 Hektar abgeerntet. Die Ernte erfolgt nur wenn der Boden trocken ist damit an den Kartoffeln keine Erdklumpen haften bleiben. Wir kennen das doch wenn die ersten Frühkartoffeln auf den Markt kommen mit roten Klumpen dran – haben wir doch alle schon mal gesehen. Diese Kartoffeln wurden also aus feuchtem Boden geerntet. Wieder was dazugelernt.

Als wir an Bord zurück kamen, gab es unterhalb unserer Veranda eine Bootsübung. Alle Boote hingen in den Davits im Wasser. Nach und nach wurden sie mit Besatzungsmitgliedern bemannt und dann aus den Seilen gelöst. Nach einer Runde durch den Hafen mussten sie wieder „angeleint“ werden. Auch Personal aus der Küche, zu erkennen an der Dienstkleidung, war involviert. Solche Übungen sind in vorbestimmten Zeiträumen vorgeschrieben und dienen der Sicherheit von Passagieren und Besatzung.

Bei der Abfahrt aus Charlottetown spielte das „Blue String Quartett“ klassische Weisen am Pool. Passend wäre die Wassermusik von Händel gewesen. Es sieht ein wenig skuril aus wenn elegant gekleidete Musiker musizieren und davor tummeln sich Passagiere im und am Pool.

An diesem Abend hatten wir ein kleines festliches Dinner in der X-Lounge, es war unser 20.Jahrestag. Der Tisch war festlich gedeckt, sogar Rosenblätter waren darauf verstreut. Ab 19 Uhr werden in der X-Lounge Speisen aus dem Atlantik-Restaurant serviert. Vorspeisen und Desserts sucht man sich vom Buffet aus. Die Speisen sind „all inklusive“, ab 19 Uhr muss man allerdings die Getränke bezahlen. Wir waren kurz vor 19 Uhr an unserem Tisch und kamen so noch in den Genuss, den Champagner zum Apéritif kostenfrei genießen zu können. Die Flasche Wein zum Essen und der Grappa zum Digestif kamen dann auf die Bordrechnung – außer den Landausflügen die einzigen Kosten, die wir an Bord hatten. Nee, nicht ganz, das Foto vom Kapitänsempfang mussten wir auch bezahlen.

1. September 2017 – Sydney/Cape Breton Island

Als wir nach dem Frühstück auf die Kabine kamen, um uns für unseren heutigen Landausflug fertigzumachen, hatten wir einen kleinen geflügelten Passagier auf unserer Veranda. Im Hafen kann man das wohl mal erwarten. Auf anderen Reisen hatten wir auch schon kleine Vögel auf hoher See an Bord.

Der heutige Ausflug war wohl einer der schönsten auf unserer Reise: Eine Segeltour auf dem Bras d’Or Lake. Mit den anderen Gästen nahmen wir an Deck der Segelyacht „Amoeba“ platz und legten die Rettungswesten an. Mit Motorkraft fuhr die Yacht auf den See hinaus und ich befürchtete schon, dass die Segel gar nicht zum Einsatz kommen würden. Doch dann wurde die „Amoeba“ in den Wind gedreht und die Segel gesetzt. Wow – ein tolles Gefühl wenn sich das Schiff in den Boen auf die Seite legte und Geschwindigkeit aufnahm. Da ertönten schon mal zaghaft erschrockene Ausrufe von anderen Passagieren über Deck. Ein Typ mit einer total geilen tiefen Stimme – mit dem wäre ich gern mal unter Deck gegangen – erklärte den See und seine Umgebung. Als er sagte, dass wir auch aufstehen dürften, war ich der erste, der sich vorn auf den Bugkorb begab. Dort ließ ich mir eine Weile den Wind um die Nase wehen.

Nach der Rückkehr zum Anleger hatten wir noch ein wenig Zeit, um durch den idyllischen kleinen Ort Baddeck zu streifen. Nahe Baddeck, auf einem Hügel oberhalb des Sees, wohnte viele Jahre Alexander Graham Bell mit seiner Frau Mabel. Auf seinem Anwesen führte er verschiedene Experimente durch. Den See selbst benutzte er erfolgreich für Experimente mit Fluggeräten. Das Ehepaar Bell entdeckten wir an der kleinen Promenade am See auf einer Bank sitzend.

Auf der Rückfahrt nach Sydney genossen wir den Blick über die Wälder und Seen Nova Scotias.

In Sydney selbst sind wir nicht gewesen. Nach der Bus- und Segeltour hatten wie keine Lust mehr, nochmal „ins Dorf“ zu gehen, nur einen kleinen Spaziergang in die direkte Umgebung des Schiffes haben wir noch gemacht. Direkt am Cruiseterminal steht die größte Geige der Welt, eine kleine Hommage an die Einwanderer aus Schottland und deren Musik. Am Kai stand ein älterer Herr und frage uns über das Schiff und die Reiseroute aus. Er meinte, er hätte noch nie so ein großes Schiff hier am Kai gesehen. Ein Regenschauer kurz vor der Abfahrt von Sydney zauberte einen Regenbogen über die Stadt.

An diesem Abend zogen dunkle Wolken über dem Pooldeck auf und Blitze gab es auch. Wir hatten auf dem Pooldeck einen geschützen Platz an der Überschau Bar gefunden um noch einen Drink zu nehmen. Eine Gruppe Kinder im Alter von um die 7 Jahre (plus/minus) sammelte sich an der Bar mit ihrem Betreuer. Kinder in dem Alter sind nicht leise, besonders wenn sie in einer Gruppe sind, das weiß man. Plötzlich ertönte hinter uns der laute Ruf „Ruhe!“ Ich drehte mich kurz um, um zu sehen, wer sich in seiner Ruhe gestört fühlte. Es war eine ältere Dame. Die Kinder wurden kurz ruhiger, was aber nicht lange währte – man kennt das. Dann erfolgte wieder ein Ruf nach Ruhe. Ich nicht länger an mich halten und begab mich zu der Dame um ihr zu sagen, dass wir nach Aussage des Kapitäns 271 Kinder an Bord haben, die alle altersentsprechend betreut würden, so sie und deren Eltern es denn wünschen. Kinder wären nun mal laut und das sollte man ihnen auch zugestehen. Die Dame meinte nun, sie sei Pädagogin und Kinder müssten sich nun mal so verhalten, dass andere Leute nicht gestört würden. Außerdem hätte sie viel Geld für diese Reise bezahlt. Wir diskutierten noch eine Weile hin und her bis ich ihr sagte: Rücksicht ist immer das, was die anderen nehmen müssen! Das war ihr offensichtlich zu viel und sie verschwand mit ihrer Freundin eine Abteilung weiter.

Uns gegenüber saß ein Ehepaar, deren Tochter in eben dieser Gruppe mitmachte. Wir kamen ins Gespräch. Der Vater sagte mir dann, dass ich ihm zuvorgekommen sei. Er hätte der Pädagogin sonst auch ein paar Takte erzählt. Und so lernten wir für die letzten Tage der Reise noch nette Leute kennen – von einer pensionierten Pädagogin mal abgesehen.

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2 Gedanken zu „Hamburg trifft New York – mit „Mein Schiff 6“ – Teil 2

  1. Ina

    eine wirklich wunderschöne reise – ich schwelge gerade in euren erinnerungen 😉 super schöne fotos, dankeschön fürs mitnehmen auf die reise! und nochmal herzlichen dank für das aussetzen der buddeln. bei nr. 120 ist es ja richtig spannend, wohin es sie verschlagen wird.

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