In Hamburg wird heute der diesjährige CSD mit der traditionellen Parade begangen. Wir haben heute morgen überlegt, ob wir nach Hamburg reinfahren sollen oder nicht. Die Entscheidung fiel dann pro Hamburg.
An der Langen Reihe suchten wir uns einen Platz um die Parade abzunehmen. Bevor das Theater losging, gab es noch einen kurzen Gewitterschauer. Zum Glück standen wir in der Nähe einer Überdachung unter der wir den Schauer abwetterten.
Tja, und dann begann die Parade. Merkwürdig, dass wir uns überhaupt nicht mitgerissen fühlten. Trucks und Fussgruppen zogen an uns vorbei mit mehr oder weniger lauter Musik und wir standen einach nur so da.
Die CSD-Parade soll eine politische Demonstration sein, die in diesem Jahr unter dem Motto steht „Ehe 2.0 – Nach den Pflichten jetzt die Rechte!“. Als schwuler Mann, der schon 15 Jahre mit seinem Partner zusammen ist, kann ich diese Forderung nur unterstützen. Leider trat die Forderung zugunsten von Party und von Zurschaustellung vielfältiger schwul-lesbischer Artenvielfalt in den Hintergrund. Von dem Motto war jedenfalls nicht allzuviel zu bemerken.
Wir fühlten uns irgendwie nur gelangweilt – so wie die drei Schwestern oben auf dem Foto – und hatten keine Lust, noch auf das Strassenfest zu gehen. Leider mussten darunter auch Freunde leiden, mit denen wir uns lose verabredet hatten. Kurzerhand machten wir uns auf den Heimweg.
Mein Mann und ich haben versucht herauszufinden woran es lag, dass wir so desinteressiert an der Veranstaltung waren. Sind wir zu alt, zu bequem, zu sonstirgendwas? Wir wissen es nicht. Das Strassenfest ist eine gute Gelegenheit, Freunde zu treffen und andere Leute mal persönlich kennenzulernen, mit denen man schon jahrelang nette Chats führt. Vielleicht sollten wir uns im nächsten Jahr eine andere Strategie für den CSD ausdenken
Die politische Kundgebung fand später in der Mö statt. Wir sind auch ein Stück mitgelaufen, aber wir fanden ihn dieses Jahr auch nicht so mitreissend wie in den Jahren zuvor. Viele der wirklich ausgefallenen Kostüme kannten wir nun schon, wenig Neues war zu sehen und selbst unser Lieblingschor war nicht so mitreissend wie in den Jahren zuvor. Aber wir haben natürlich trotdem dem Voyeurismus gefrönt und ordentlich Bilder gemacht.
Spaßig war, als dutzende Homos das Alsterhaus stürmten, als der Platzregen losging und einige der aufgedonnerten Damen in der Kosmektiabteilung doch sichtlich irrtiert waren.
Kreischalarmm im Alsterhaus – toll.
Du meinst sicher den Chor Scola Cantorosa. Na, die hätten lieber Sambatrommler engagieren sollen als einen Spielmannszug mit Querflöten.
Ja, den meine ich. Die hatten letztes Jahr mehr Pepp.
Im Alsterhaus war’s lustig. Als Martin dann noch eine der überparfümierten Verkäuferinnen nach der Heimwerkerabteilung befragte und diese nur meinte, “was ist das denn?” war’s perfekt. Natürlich wußte Martin, das das Alsterhaus eine solche Abteilung nicht beherbergt.
Oh, Martin kann ja ne’ richtige böse alte Frau sein.
Hallo Hans-Georg,
ich glaube, Stimmungen sind zwar manipulierbar, aber wenn ihr grade mal nicht in Stimmung gewesen seid, dann ist das wohl auch nicht so schlimm. Ehrlich gesagt, dieses bunte Gehabe reißt mich auch nicht vom Hocker, obwohl ich viel Verständnis habe, wenn Menschen für ihre persönliche Freiheit auf die Straße gehen.
Gruß von Inge
Na ja, das bunte Gehabe ist ja zum Teil ausdruck des Protestest. Nicht jeder, der da aufgerüscht und im Fummel rumläuft, lebt das im täglichem Leben.
Aber vielleicht war es wirklich nicht unser Tag.
Vielleicht ist aber mehr Normalität eingetreten, als viele meinen? Es wurde viel erreicht in den letzten 10 Jahren. Ich persönlich sehe den CSD nicht mehr als politische Parade, sondern als einen Karnevalsumzug der besonderen Art, bei dem an den Straßenrändern die so unglaublich toleranten Zuschauer stehen, die dann am Abend erzählen können, was sie alles an aufregenden knappen (oder gar keinen) Höschen gesehen haben. Das politische Anliegen findet heute ganz woanders statt: In den Sportvereinen zum Beispiel.
Für Bernd und für mich ist es wirklich normal, schwul zu sein. Wir werden in unseren Jobs anerkannt. Wir haben keine Probleme mit unseren Nachbarn. Wir gehören überall dazu. Das ist in der Tat Normalität. Es geht aber immer noch um viele andere Dinge, so wie z.B. die steuerliche Gleichstellung. Aber vielleicht tut sich da ja bald auch mal was. So kann es ja nicht ewig weitergehen.
Sooo unpolitisch fand ich das Ganze nun aber auch wieder nicht. Etliche Wagen waren auch mit Botschaften geschmückt und es wurde dem Zuschauer schon deutlich, worum es immer noch geht.
Und ich denke, nicht jeder lebt so eine Normalität wie Ihr. In ländlichen Gebieten ist Schwulsein sicherlich immer noch alles andere als einfach. Und wie man an den dümmlichen Kommentaren in der Zeitung liest, wenn man hört, was der Papst immer noch von sich gibt, dann gibt es leider noch viel zu tun. Und Auffallen ist auch eine Form des Protestes. Soviele wie heute gucken sonst sicherlich nicht, auch wenn da natürlich das ein oder andere Klischee heftigst bedient wird.
Wir waren dieses Jahr nicht dabei, uns fehlte irgendwie die Lust.
Ich glaube auch nicht, dass es bei uns am Alter liegt, sondern vielmehr daran, das man etwas demonstrationsmüde geworden ist. Es geht einem ja gut und man ist akzeptiert in seinem Umfeld, damit ist man zufrieden.
@Frau Momo:
Die Botschaften sind in den meisten Fällen eher klein gehalten und werden von der Auffälligkeit der teilnehmenden Gruppen zum Teil überlagert, ja, in gewisser Weise unsichtbar.
Holger, so geht es uns ja auch: Akzepiert im Umfeld. Aber es gibt ja trotzdem noch viel zu tun.
Und irgendwie ist es auch in jedem Jahr das Gleiche. Einzig die Ausicht darauf, Freunde und Bekannte zu treffen, in einem lockerem Umfeld mal bei einem Bier zu schnacken, hat uns nach HH gelockt.
Mit Freunden kann man sich ja auch unterm Jahr treffen, das finde ich auch viel entspannter als beim CSD.
Mit lockerem Umfeld meinst du sicher das Straßenfest. Das finde ich, zumindest am CSD Wochenende viel zu überfüllt und laut, um zu schlendern oder ein nettes Gespräch in ruhiger Atmosphäre zu führen (besonders wenn man sich selten sieht). Dasist führ mich nir ein sehen und gesehen werden.
Du hast natürlich recht, dass es, gerade am Tag der Parade, sehr voll ist auf dem Strassenfest. Schlendern ist nahezu unmöglich. Deshalb haben wir uns in den vergangenen Jahren immer an einer Stelle auf- und am Getränk festgehalten. Dann trifft man auch die meisten Leute, die man kennt.
Meine Wortwahl war wohl insofern nicht korrrekt, als dass nicht alle, die man kennt, Freunde sind, die man aber doch gern mal treffen möchte.