Elbflorenz


Mehr oder weniger zufällig hatte ich ja schon im Dezember herausbekommen, dass Bernd für mich ein Geburtstagsgeschenk hat, dass ein ganzes Wochenende in Anspruch nehmen würde. Ich tippte da auf eine Musicalreise. Umso mehr war ich überrascht, dass die Reise nach Reise Dresden geht, und zwar von Freitag bis Sonntag (9. – 11.4.2010), An- und Abreise mit der Bahn, 2 Hotelübernachtungen und die Aufführung des Balletts La Bayadère in der Semperoper inklusive. Als ich das Geschenk in den Händen hielt, schaute ich gleich mal nach, was denn am Freitagabend gegeben wird. La Bahohème – in einer laut Fotos auf der Internetseite eher konservativen Inszenierung weckte mein Interesse. Flugs waren 2 Karten im 4. Rang gebucht. Es lohnte sich also, die Anzüge einzupacken und dementsprechend mit grossem Gepäck zu reisen.


Die Bahnfahrt nach Dresden war problemlos und bis Berlin recht flott. Zwischen Berlin und Dresden erinnerte die Geschwindigkeit des Zuges eher an Dampflokzeiten. Der Zug schlich durch „blühende Landschaften“ mitten durch öde Dörfer. Manchmal war ein Dorfbewohner zu sehen, der in seinem Garten neben dem Gleis stand und dem vorbeifahrenden Zug zusah – wohl das Ereignis des Tages. Bahnübergänge waren teilweise nur mit Halbschranken gesichert. Blumenpflücken während der Fahrt verboten – an diesen Spruch musste ich öfter denken. Wie wir später hören sollten, drängt die Landesregierung von Sachsen bereits seit Jahren, die Bahnlinien Berlin/Dresden und München/Dresden auszubauen, was bei der Bahn aber auf taube Ohren stösst und vehement ignoriert wird.

Pünktlich erreichten wir Dresden. Ein Taxi brachte uns schnell ins Hotel. Einchecken, schnell auf’s Zimmer, Anzüge und Hemden aufhängen – und los ging es in die nur etwa 1 km entfernte Altstadt.


Als erste Sehenswürdigkeit erreichten wir den Dresdener Zwinger. Wir betraten die Anlage durch das Kronentor, verweilten eine Weile im Innenhof und liessen unseren Blicke über die Gebäude schweifen. Prachtvoll – so lässt es sich wohl am besten beschreiben, was unsere Augen sahen. Es war unmöglich, alles auf einmal zu erfassen. Der erste Eindruck reichte uns erstmal und wir verliessen den Innenhof durch das gegenüberliegende Tor ….


… und standen direkt vor der Semperoper. Wir hatten geplant, an einer Führung teilzunehmen. Die Menschenschlange, die auf Einlass zu einer Führung wartete, hielt uns aber davon ab. Da wir abends eh die Oper besuchen wollten, war das auch kein Problem für uns, es wäre nur interessant gewesen, ein paar Hintergrundinformationen über den Wiederaufbau zu bekommen.

Unser Weg führte uns an der prächtigen Hofkirche vorbei, über die Brühlsche Terrasse, durch die Münzgasse zur Frauenkirche.



Wie jeder weiss, wurde die Frauenkirche im 2. Weltkrieg durch Bomben komplett zerstört. Um so beeindruckender ist es, was hier mit dem Wiederaufbau geschaffen wurde. Natürlich besichtigten wir die Kirche von innen und liessen es uns auch nicht nehmen, auf die Aussichtsplattform in 67 m Höhe zu steigen. Zuerst brachte uns ein Lift auf 24 m. Von dort aus war dann Beinarbeit angesagt. Zuerst geht es auf einer Treppe weiter, dann geht man bergan über eine 162 m lange Wendelrampe von wo aus man in den Innenraum der Kirche schauen kann. Noch ein paar Stufen, und wir standen auf der Aussichtsplattform, von wo aus wir einen schönen Blick auf die umliegenden historischen Gebäude, die Elbe und über die gesamte Stadt hatten.

Nach dem Abstieg über 263 Stufen hatten wir Hunger. Neben der Frauenkirche erregte ein gelbes Gebäude mit Café und Restaurantbetrieb unsere Aufmerksamkeit, das Coselpalais. Alles sah chick und teuer aus, doch ein Blick auf die Karte überraschte uns positiv was die Preise betrifft. Und schon waren wir drin. Nachmittags gegen 15.00 Uhr ein warmes Essen zu bestellen, ist ein wenig ungewöhnlich. Auf meine Nachfrage wurde uns bestätigt, dass wir nicht von den leckeren Torten essen mussten, was ich natürlich gern getan hätte. Und so nahmen wir im Rosenzimmer platz und speisten von edlem Porzellan. Ein Dessert musste es natürlich auch sein. Was lag näher, als einen Tülleisteller zu bestellen: Je eine Kugel Vanilleeis, Kirsch-Quark-Eis und Stracciatellaeis mit Blaubeeren, Himbeeren, Erdbeersauce und reichlich Schlagsahne.

Auf dem Fussweg zurück ins Hotel, vorbei am Fürstenzug mit den teilweise sehr skurilen Nahmen der abgebildeten Fürsten (z.B. Friedich der Gebissene) und durch die Anlagen des Zwingers haben wir ganz bestimmt ein paar Kalorien wieder verbrannt. Auf unserem Weg lag auch das Hilton Hotel mit einem Geschäft für Meissner Porzellan. Im Schaufenster erregte ein Kaffeeservice unsere Aufmerksamkeit.

Nachdem wir nun ein paar Stunden auf den Beinen waren und etliche Stufen hinauf und hinunter gegangen sind, war die Dusche eine Wohltat. Danach machten wir uns fein und gingen zur Semperoper.

Um 18.00 Uhr wurden die Türen geöffnet. Einmal drin kamen wir aus dem Staunen nicht heraus. Es fällt mir schwer, das Gesehene in Worte zu fassen. Die Fotos mögen einen kleinen Einblick geben. Mit einem Glas Sekt in der Hand lustwandelten wir durch die „heiligen Hallen“.


Für die Oper La Bohème (hier ein paar Szenefotos und ein Video) hatten wir Plätze im 4. Rang gebucht. Im Foyer im 3. Rang bestellten wir unser Pausengetränkt, den Operndrink auf der Basis von rotem Martini.

Wir sassen direkt vor dem riesigen Kronleuchter und schauten uns das Innere des Zuschauerraumes von oben an. Fünf Minuten vor dem Beginn der Vorstellung hob sich der bemalte Ziervorhang hinter dem der rote Samtvorhang sichtbar wurden. Pünktlich um 19.00 Uhr begann die Vorstellung mit einer grossartigen Besetzung der Rollen, einem sehr schönen Bühnenbild und mit schönen Kostümen, qualitativ der Hamburgischen Staatsoper ebenbürtig, ich behaupte sogar besser.

Nach der Vorstellung gingen wir direkt ins Hotel. Der Weg durch den Zwinger ist schon fast traditionell.


Am Samstagmorgen nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu Pfunds Molkerei, dem schönsten Milchladen der Welt. Der Weg führte „auf der anderen Seite“ an der Elbe entlang, vorbei am Finanzministerium und der Staatskanzlei. Von hier aus hatten wir einen schönen Blick auf das Panorama der Altstadt. Weiter ging es durch ein altes Villenviertel, das aber nur noch teilweise erhalten war. Hier war zu sehen, dass der Krieg Dresden ziemlich zugesetzt hatte. In Baulücken waren inzwischen Wohnblocks gebaut worden.

Pfunds Molkerei ist ein Traum. Der ganze Innenraum des Geschäfts ist mit Fliesen verkleidet. Staunend standen wir in dem Laden und schauten uns um. Es ist sinnlos, das Gesehene hier näher zu Beschreiben. Fotos zu machen ist nicht gestattet. Aber die Fotos auf der Homepage (siehe voriger Absatz) sprechen für sich. Zur Erfrischung tranken wir ein Glas Buttermilch.


Auf der „anderen Seite“, in der Neustadt, befindet sich auch das Barockviertel. Ein kleiner Rundgang, vorbei am Goldenen Reiter und dem Japanischen Palais, gab uns einen Einblick in diesen beschaulichen Stadtteil.

Vom Elbufer aus hatten wir einen herrlichen Blick auf die Bauten der Altstadt, die wir wieder über die Augustusbrücke erreichten.



Zurück in der Altstadt besichtigten wir die Hofkirche und besuchten das Schloss. Über 327 Stufen erklommen wir den Hausmannsturm. Die Aussichtsplattform ist mit einer Höhe von 38,62 m zwar wesentlich niedriger als die der Frauenkirche, trotzdem ist der Blick vom Hausmannsturm wesentlich schöner.

Nach dem Abstieg hatte ich eine kleine Eingebung: Ich musste unbedingt in das Geschäft für Meissner Porzellan wo wir das Kaffeeservice im Schaufenster gesehen hatten. Wir hatten uns darin verliebt. Aber mit einem Set bestehend aus einer Kaffeekanne, Zuckertöpfchen, Sahnetöpfchen und zwei Kaffeegedecken lässt sich wenig anfangen. Für 6 Personen sollten schon Kaffeegedecke vorhanden sein. Wir liessen uns nett beraten und erfuhren den Preis für zusätzliche Gedecke, aber eine Entscheidung trafen wir noch nicht. Den Preis werde ich hier auch nicht verraten. Aber es wäre schon schön, das Geschirr zu besitzen.


Über die Brühlsche Terrasse, vorbei an der Akademie für Bildende Künste und dem Albertinum gingen wir zum Altmarkt, um dort im Café Central Lutz und Tommy zu treffen. Gerade in dem Moment als wir am Café eintrafen, gab es einen schweren Regenschauer. Zum Glück sassen wir im trockenen. Bei Kuchen und heisser Schokolade führten wir nette Gespräche. Wie Lutz schon sagte, es war, als wenn wir uns schon ewig kennen würden. Dabei hatten wir ein paar Stunden vorher telefonisch die ersten Worte miteinander gewechselt. Ja, manchmal ist es so, dass es einfach passt.


Nach dem Regen brachten uns die beiden noch in Richtung unseres Hotels, in dessen unmittelbarer Nähe der Katholische Friedhof liegt. Bei einem kleinen Rundgang sahen wir u.a. die letzten Ruhestätten des Komponisten Carl Maria von Weber und von Giovanni Battista Casanova, dem Bruder des berühmten Abenteurers. Ausserdem fanden dort ihre letzte Ruhe Auguste Charlotte von Kielmansegge (eine Vertraute Napoleons), Johann Georg von Sachsen (Bruder des letzten Königs von Sachsen) und Johann George Chevalier de Saxe. Letzterer ist hervorgegangen aus einer einer Liaison von Kurfürsten Friedrich August I. (König August II. von Polen) mit der Fürstin Ursula Katherina Lubomirska, die Fürst George Dominicus Lubomirski verheiratet war. Man sieht, auch damals wurde schon kreuz und quer gepoppt.

Vom Katholischen Friedhof war es nur ein Katzensprung zum Hotel, wo wir uns von Lutz und Tommy verabschiedeten, ohne die wir den Friedhof gar nicht entdeckt hätten. Vielen Dank für die kleine Führung und die Hintergrundinformationen über Dresden.

Die Dusche tat heute besonders gut. Meine Füsse schmerzten, was ich mittels Massagestrahl zu lindern versuchte. Wir schmissen uns wieder in unsere Anzüge und auf ging es zur Semperoper.

Die Karten für das Ballett La Bayadére waren ein Teil des Geburtstagsgeschenkes von Bernd. Wieder waren wir rechtzeitig zur Öffnung der Türen vor Ort. Die Räumlichkeiten laden einfach dazu ein, vor der Vorstellung mit einem Glas Sekt zu lustwandeln. Heute brauchten wir nicht zum Olymp aufzusteigen.


Unsere Plätze hatten wir im Parkett in der 4. Reihe von wir einen ganz anderen Blickwinkel in das Rund des Zuschauerraumes hatten als am Abend vorher.

Ein phantasievolles buntes Bühnenbild präsentierte sich uns. Die Tänzerinnen und Tänzer trugen farbenfrohe Kostüme. Auch diese Aufführung war qualititativ überragend und – nach meinem Laienhaften Verständnis – besser als das Hamburger Ballett. Sehr beeindruckend war der „Tanz der Schatten“ zu Beginn des 2. Aktes: 24 Tänzerinnen erschienen nacheinander auf der Bühne, die mit exakt gleichen Bewegungen ihre Vorstellung gaben. Es war eine geradezu brilliante Choreographie. Herr Neueier in Hamburg ist nicht in der Lage, sowas mit mal gerade 12 Tänzerinnen zu schaffen. Ich kann nur sagen „bravo“ dem Semperoperballett für diese Leistung! Szenenfotos und ein Video gibt es hier.


Nach der Vorstellung rundete ein kleines Essen bei einer Flasche Wein im Italienischen Dörfchen direkt neben der Semperoper den Abend ab.

Der Wettergott war uns auch an diesem Abend hold: In der Pause sahen wir aus den Fenstern des Opernhauses, dass sehr starker Regen herrschte. Nach der Vorstellung war alles vorbei und wir gelangten trocken zum Restaurant und später auch zum Hotel. Ohne Mäntel hätten wir ganz schön alt nass ausgesehen.

Am Sonntag blieb dann nur noch das Frühstück im Hotel und die Rückfahrt nach Hamburg.

Wiederholungsgefahr? Ich glaube schon!

7 Gedanken zu „Elbflorenz

  1. Lacarian

    Schon toll, was man an einem einzigen Wochenende alles erleben kann! Tolle Fotos (auch von Hamburg-Altona). Hoffe, Eure Füße erholen sich schnell wieder!

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  2. Lutz & Tommy

    Hallo ihr beiden,
    Euren Reisebericht haben wir mit Spannung erwartet und sind wahrlich nicht enttäuscht worden. Besonders interessant ist es, wenn man selbst darin vorkommt.
    Wir freuen uns, dass es Euch in unserer Stadt gefallen hat und das Ballett anscheinend den krönenden Abschluss bildete.
    Ihr habt wirklich viel gesehen in der kurzen Zeit, aber es gibt noch viel mehr zu entdecken.
    Liebe Grüße
    Die “Friedhofsführer”.

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  3. Frau Momo

    Ich war mal vor ca. 28 Jahren in Dresden, ich vermute, ich würde es kaum wiedererkennen. Damals hatte es wenig von Florenz, wo ich dann auch mal war.
    Da hattet ihr ja ein gut gefülltes Wochenende und viele Eindrücke.
    Mit Opernbesuchen kann man mich ja jagen, aber ansonsten würde ich da schon auch mal gerne wieder hin.
    Danke für den tollen Bericht und die schönen Bilder!

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  4. annelie

    danke für den tollen bericht – ich habe vieles wieder entdecken können, was ich auch bei meinem dresdenbesuch entdecken durfte.
    eine tolle stadt!
    nur eins zum ballett: ich bin kein fan von neumeier, aber da tust du ihm unrecht…
    eine choreografie von marius petipa (choreograph des Kaiserlichen Russischen Balletts anfang des 19. jh.) kann man nicht toppen!

    ihr habt ein juwel sehen dürfen – bewahrt es!
    lg
    anne

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