Archiv für den Monat: Juli 2003

Schlampe

Oliver wird für die nächsten 6 Monate in Mannheim wohnen um dort bei Daimler Chrysler sein Praktikumssemester zu absolvieren. Heute hat er sich auf den Weg gemacht. Er wird dort in einer möblierten Einzimmerwohnung leben. Eine Studentin, die für ein halbes Jahr ebenfalls woanders ist, hat ihm die Wohnung untervermietet.

Oliver rief mich heute Abend an um mir in erster Linie zu bestätigen, dass er heil in Mannheim angekommen ist. Bei der Gelegenheit erzählte er mir, dass die Dame die Wohnung in einem unmöglichen Zustand hinterlassen hat: Das Frühstücksgeschirr stand in der Spüle, der ungeleerte Aschenbecher auf dem Tisch, ein Teil ihrer Garderobe war nicht weggeräumt, das Bettzeug nicht weggepackt. In den nächsten Tagen wird Oliver erst Mal die Bude auf Vordermann bringen damit er sich dort wohlfühlt. Melli reist heute an und wird ihm ganz bestimmt helfen.

Bernd meinte, Oliver solle die Wohnung genauso hinterlassen wenn er auszieht. Das wird nicht möglich sein weil mein Sohn nicht schlampig ist.

Abschied

Herr S. war bereits vor Ort als ich mit den Taxi eintraf. Er machte gerade die Fotos für sein Gutachten. Nach der eingehenden äusserlichen Besichtigung unseres Autos sagte er zu mir: „Ich würde sagen: Friede seiner Asche.“ Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken. Ich hatte ja bereits angenommen, dass es ein Totalschaden ist und es war auch unser Wunsch, dass es so ist – aber wenn das Einer mit solchen Worten verkündet, ist es schon merkwürdig.

Der Deckel vom Kofferraum liess sich ohne Gewalt nicht öffnen. Herr S. lieh sich eine ca. 2 m lange Brechstange: „Es kommt nicht mehr drauf an, noch was kaputt zu machen“. Aber es tat weh wie er gewaltsam versuchte, den Deckel aufzubekommen. Es war nicht ganz einfach, es war, als wenn sich der Wagen sträubte. Innen herrschte das Chaos. Die Heckscheibe war in tausend kleine und kleinste Stücke zersplittert, eine Flasche vom Pannenset war durch die Styroporverpackung gebrochen und steckte in der Hülle. Beide hatten wir kleine Schnittverletzungen, Herr S. weil er die Stoffabdeckung des Kofferaumbodens entfernte, ich weil ich ein paar Dinge noch heraushaben wollte.

Bei unser abschliessenden Unterhaltung meinte Herr S., dass er selbst nach einer fachgerechten Reparatur mit diesem Wagen nicht mehr fahren würde. Er erklärte mir das weitere Prozedere: Ermittlung der Reparaturkosten, Ermittlung des Restwertes, einholen von Angeboten für den Ankauf usw. Dann fuhr er den Wagen wieder – ja, er fuhr noch – rückwärts in die Halle. Hinten kreischte und quietschte es, wie ein letzter Aufschrei.

Alles nur Blech und Technik, trotzdem bin ich traurig.

Urlaub

Leider verzögert sich die Besichtigung unseres Wagens um einen Tag. Der Sachverständige schafft es nicht, den Wagen heute noch zu begutachten. Die Firma, auf deren Gelände das Auto untergestellt ist, schliesst den Platz bereits um 16.30 Uhr. Neuer Termin: Morgen gegen 10.00 Uhr. Da unser Anwalt es begrüsst, wenn ich bei der Besichtigung anwesend bin, bedeutet das für mich, noch einen Urlaubstag zu nehmen. Da es sich dann kaum noch lohnt, in dieser Woche in der Firma zu erscheinen, hab ich mir für den Rest der Woche auch gleich Urlaub genommen. Ich hoffe, dass dann in den letzten beiden Tagen erst Mal Ruhe einkehrt. Die Gedanken werden sicher noch beim Unfall sein und dabei, wie und wann es wohl weitergehen mag.

Beruhigend

Es ist ein schönes Gefühl zu wissen bzw. zu hoffen, dass die Angelegenheit nun in guten Händen ist, sich kaum noch um etwas kümmern zu müssen. Der Anwalt hat alle notwendigen Informationen abgefragt und uns erzählt, dass die ursprüngliche Unfallursache, nämlich ausgelaufenes Benzin, für Bernds Verletzung und den Schaden an unserem Wagen irrelevant ist. Wir sind vom Taxi geschädigt worden und das ist ja nun mal in unser Auto hineingefahren und demzufolge uns gegenüber verantwortlich.

Unser Wagen wird voraussichtlich noch heute Nachmittag von einem Sachverständigen besichtigt. Ich werde bei dieser Besichtigung anwesend sein. Vielleicht bekomme ich dann ja schon zu hören, ob er den Wagen als Totalschaden oder als reparaturwürdig einschätzt.

Und jetzt setz ich mich erst Mal in die Sonne!

Ich hab ihn wieder

Kurz nach 15.00 Uhr stellte ich Überlegungen an, zum Krankenhaus zu fahren und nachzuprüfen, was nun los ist. Aber was ist, wenn Bernd anruft wenn ich unterwegs bin? Gut, er kann auch auf dem Handy anrufen, aber ich wollte ihn nicht verunsichern. Ich aktivierte die Rufumleitung des Festnetzanschlusses und fuhr los.

Bernd war im Zimmer. Er wartete noch immer auf die Untersuchung. 3 Minuten nach dem ich eingetroffen war kam eine Schwester und sagte, dass er jetzt zu Dr. B. soll. Na, das passt ja gut. Die Untersuchung dauerte wenige Minuten, es gab noch ein Schreiben vom Stationsarzt an den Hausarzt, das war es dann. Ich durfte Bernd mit nach Hause nehmen.

Schön, dass ich Dich wieder habe!

Warten

Heute Mittag sollte Bernd untersucht werden. Es ist jetzt 14.25 Uhr und ich habe von Bernd noch nichts gehört. Was haben die im Krankenhaus denn für eine Zeitrechnung? Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Bernd langsam ungeduldig wird und mittlerweile total schlechte Laune hat.

Unfallfolgen

Mit gemischten Gefühlen machte ich mich heute Morgen auf den Weg, um unser Auto anzuschauen. Es war, als wenn man einen Schwerkranken besuchen will, nicht wissend, was auf einen zukommt. Zu allererst musste ich den Auftrag für den Abtransport vom Unfallort unterschreiben. Dann wollte mir der Mitarbeiter einen Sachverständigen aufschwatzen. Da unser Wagen ja hinten beschädigt sei, wäre die Schuldfrage geklärt. Nein, das war mir in dem Moment alles zu viel. Ich lehnte ab, ich wollte mich erst Mal anderweitig schlau machen.

Dann wurde ich in die Halle geführt, in der unser Auto steht. Von vorne ist dem Wagen nichts anzusehen. Meine Erwartungen über den visuellen Schaden hatten sich aber nicht erfüllt. Ich hatte mir alles viel schlimmer vorgestellt. Allerdings wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass das Auto, jedenfalls auf der rechten Seite, 2 – 3 cm kürzer geworden ist. Die grosse Seitenscheibe in der Tür hatte sich über die kleine hintere Seitenscheibe geschoben.

Hier nun die Aufnahmen:




Da der Wagen mit dem Heck an der Wand steht sind bessere Fotos leider nicht möglich gewesen.

Aus dem Handschuhfach wollte ich ein paar Dinge herausnehmen. Als ich es öffnen wollte dachte ich, es sei abgeschlossen. War es aber nicht, es klemmte. Wahrscheinlich stand da ein todgeweihtes Auto vor mir.

Ich fuhr weiter zu Bernd ins Krankenhaus. Die Vorschriften über Besuchszeiten werden heute nicht mehr so eng gesehen. Bernd sass auf dem Bett und verkündete mir, dass er heute nach Hause darf, er muss aber vorher noch vom Neurologen untersucht werden. Während wir uns noch unterhielten kam ein anderer Arzt und verkündete, dass es mit der Untersuchung bis zum Mittag dauern könnte. Ich machte mich dann auf den Heimweg, Bernd ruft mich an, wenn ich ihn abholen kann.

Mein Kopf schwirrte von den Überlegungen, was jetzt zu tun sei. Mit der Versicherung hatte ich heute Morgen schon gesprochen, wir bekommen eine Schadensmeldung zugeschickt. Während unseres Gesprächs im Krankenhaus kam uns die Idee, einen Anwalt einzuschalten. Kai, Anwalt für Steuerfragen, könnte uns vielleicht einen nennen.

Zu Hause angekommen rief ich als erstes Kai an. Er nannte mir einen Anwalt, der sich in Verkehrsrecht auskennt. Ich rief ihn an und schilderte ihm das Geschehene. Die Aussichten, dass wir auf dem Schaden nicht sitzenbleiben sind gut weil der Verursacher der Wagen ist, der unserem Wagen hinten reingefahren ist. Morgen Vormittag haben wir einen Termin bei dem Rechtsanwalt.

An dieser Stelle möchten Bernd und ich allen danken, die uns ihre guten Wünsche übermittelt haben. Glücklicher Weise geht es Bernd gut. Der materielle Schaden ist zwar ärgerlich und wird uns sicher auch Geld kosten. Das Wichtigste ist aber, dass Bernd wohlauf und bis auf eine kleine Sexynarbe unversehrt ist. Sollte unser kleiner Bärenschutzengel, den ich natürlich auch aus dem Auto geholt habe, seine Hand im Spiel gehabt haben?:

(Die sichtbaren Eintragungsdaten der Kommentare entsprechend nicht der tatsächlichen Veröffentlichungszeit)

Wehmut

Auf dem Weg ins Krankenhaus begegneten mir zahlreiche Cabrios, die bei diesem schönen Wetter natürlich alle offen fuhren. Sehnsüchtig schaute ich ihnen nach. Und ich sass in einem Ford Focus – wenn auch klimatisiert. Aber das ist überhaupt kein Vergleich.

Die Wehmut setzte sich fort als ich Bernd besuchte. Er hatte sich inzwischen umgezogen. Etwas schwermütig lag er auf dem Bett, allein im Zimmer. „Ich will nach Hause – dort kann ich auch liegen!“ Das würde er natürlich nicht machen. In aller Ruhe liessen wir die Nacht noch Mal Revue passieren, erzählten das Erlebte aus unser Sicht. Dabei stellte sich heraus, dass Bernd sich nicht an alles erinnern konnte, was er mir am Telefon erzählte als er mich anrief. An den Unfall hat er noch die Erinnerung, dass vor ihm auf der Strasse Polizei war und ein Fahrzeug. Dann hörte er hinter sich quietschende Bremsen. Die nächste Erinnerung ist dann die, wie er am Strassenrand im Gras sitzend von einem jungen Sanitäter verarztet wurde.

Über eine Stunde war ich bei ihm am Krankenbett. Es fiel mir schwer, mich zu verabschieden und alleine zurück zu lassen. Am liebsten hätte ich ihn mitgenommen. Aber es ist sicher vernünftiger, noch dort zu bleiben und sich morgen früh einer intensiven Untersuchung zu unterziehen.

Der Tag danach

Wie gesagt, um 7 Uhr war ich wach, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Gedanken über das Geschehne kreisten in meinem Kopf. Ich überlegte, was ich alles machen müsste, als da wären Bernds Mutter anzurufen, meine Eltern anzurufen, Bernd Sachen ins Krankenausbringen, Versicherung benachrichtigen, das Auto ansehen und Utensilien herausnehmen. Wie komm ich überall hin? Krankenhaus und Autohof liegen ziemlich ungünstig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ich entschied mich, für erst Mal für 2 Tage einen Wagen zu mieten. Wenn der Verursacher des Unfalls nicht ermittelt wird, können wir die Kosten für den Mietwagen sowie für die Taxen in der Nacht wohl in den Wind schreiben. Morgen sollte ich wohl lieber einen Tag Urlaub nehmen, Dienstag am Besten auch gleich noch.

Da es noch früh war suchte ich zuerst die Sachen für Bernd zusammen – was man halt so brauch im Krankenhaus. Dann konnte ich Margreth anrufen. „Wäre ich doch mit der S-Bahn nach Hause gefahren“ war ihr erster Kommentar. Ich konnte sie nicht davon abhalten, sich Vorwürfe zu machen. Dabei hat Bernd gesagt, dass er sie fährt – und er hätte sie auch gar nicht mit der S-Bahn fahren lassen. Sie war natürlich froh, dass es ihrem Sohn gut geht. Ich erzählte ihr über meine Planung und wir verabredeten, dass ich sie anrufe, wenn ich den Wagen habe und sie dann abhole, wenn ich ins Krankenhaus fahre.

Dann rief ich bei meinen Eltern an. Ich hatte meiner Mutter gestern Abend erzählt, dass das Gespräch, was uns unterbrochen hatte, geschäftlicher Natur war, was sie mir auch geglaubt hatte, da so was nicht ungewöhnlich ist. Ich hab ihr dann heute Morgen den wahren Grund erzählt. Auch meine Mutter fiel aus allen Wolken über das Geschehen der vergangenen Nacht.

Telefonisch reservierte ich mir bei Sixt einen Wagen, den ich am Hauptbahnhof übernehmen konnte. Ich setzte mich rein und wollte den Rückwärtsgang einlegen – ohne die Kupplung zu treten *hihi*. Und ich musste das Ding dann erst Mal suchen. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an Auotmatic gewöhnen kann. An der übernächsten Ampel hab ich den Wagen erst Mal abgewürgt weil ich vergessen hatte, vom 3. in den 1. Gang zu schalten. Das Schalten während der Fahrt war kein Problem, alles lief wie am Schnürchen. Eben nur das Anhalten und Anfahren, da haperte es ein wenig. Doch ich kam heil bei Margreth an. Gemeinsam fuhren wir zu Bernd ins Krankenhaus.

Er strahlte uns an als wir eintrafen und machte ein paar Spässe. Wenn er nicht auf einem Krankenbett, angezogen mit einem Krankenhausnachthemd, gelegen hätte, könnte man nicht vermuten, dass er einen Unfall gehabt hatte. Er verkündete uns, dass er morgen nach Hause will und die Chancen dafür stünden nicht schlecht. Margreth war nun vollends beruhigt, dass es Bernd gut geht und ich muss zugeben, dass ich auch sehr erleichtert war. Am Hinterkopf hat er eine ca. 4 – 5 cm breite Narbe – ein unveränderliches Kennzeichen!

Sein blutverschmiertes Hemd bekam ich aufs Auge gedrückt in der Hoffnung, dass es sich noch retten lässt. Ich werde gleich mal im Schrank kramen, was ich da so für Mittelchen finde. Nachher werde ich dann noch Mal ins Krankenhaus fahren.


Bilder von unserem Auto wird es wahrscheinlich morgen geben.