Nur ein Alibi


Für die gäubigen Christen ist der heutige Tag Christi Himmelfahrt. Die anderen sagen Vatertag.

Früher wurde der Vatertag bei uns so begangen: Mein Vater traf sich mit den Segelkameraden. Man traf sich auf einer oder mehreren Yachten und veranstaltete eine kleine Segel- oder Motorboottour. Während der Eigner halbwegs nüchtern bleiben musste, sprachen die Mitfahrer bereits dem Alkohol in Form von Bier und Schnaps, meistens Rum, zu. Rum deshalb, weil es damals an Bord noch keine Kühlmöglichkeit gab, Rum trinkt man nämlich ungekühlt. Zurück im sicheren Hafen durfte der Eigner dann weiter rumtrinken, mit Bier und Rum. Vater kam dann irgendwann nach Hause, legte sich auf’s Sofa, schlief sofort ein und schnarchte uns was vor.

Während die Väter auf Vatertagstour waren, unternahmen meine Oma und meine Mutter mit mir einen Ausflug in die nähere Umgebung Lübecks, wie z.B. Mölln, Ratzeburg, Malente, Bad Schwartau. Nach einem obligatorischen Spaziergang wurde dann in ein Ausflugslokal eingekehrt und es gab Kaffee und Kuchen – für mich Brause und Kuchen. Opa war übrigens auch mit auf Vatertagstour. Das ist jetzt ungefähr 50 – 55 Jahre her.

Später dann, als ich Vater geworden war, gestaltete sich der Vatertag als Familienausflug, zusammen mit unseren Nachbarn, die einen Sohn haben, der nur 2 Wochen nach Oliver geboren wurde. Anfangs mit dem Kinderwagen, dann mit Kinderkarre, Fahhrad mit Kindersitz und später die beiden Jungs mit dem eigenen Fahrrad. Es war immer ein Familienausflug mit Picknick unterwegs und abschliessendem Grillen, ein Jahr bei uns – im nächsten Jahr bei den Nachbarn usw. Ich war stolz darauf, Vatertag feiern zu dürfen. Ich war bzw. bin ja schliesslich auch Vater.

Das ist nun schon fast 30 Jahre her. Damals zeichnete sich bereits ab, dass immer mehr junge Männer, was heisst Männer – fast noch halbwüchsige -, den Vatertag dazu benutzten, mal so richtig auf die Pauke zu hauen. Ich wette darauf, dass keiner von denen schon Vater gewesen ist.

Und heute? Sieht man überhaupt noch Väter – mit oder ohne Familie – durch die Gegend ziehen? Kaum. Meistens sind es doch junge Singles, die sich die Kante geben und sich mittags kaum noch auf den Beinen halten können.

Und was ist aus dem Vatertag geworden?: Immer mehr bürgert sich der Ausdruck „Herrentag“ ein – eben nichts anderes als ein Alibi für alle Männer, oder solche, die sich dafür halten, dem Alkohol reichlich zuzusprechen, in die Botanik zu pinkeln und rumzugröhlen. Und am Tag danach wird dann rumposaunt: Man was haben wir gesoffen!

Und ich? Ich bin stolz darauf, dass ich Vater sein darf.

9 Gedanken zu „Nur ein Alibi

  1. Frau Momo

    Muttertag ist genauso eine Alibiveranstaltung, wenn auch anders. Sorry, aber um meiner Mutter dankbar zu sein, brauche ich keinen Tag, an dem sich die Blumenindustrie dumm und dusslig verdient.

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  2. Anke

    Hallo Hans Georg,
    mein Mann verbrachte den Vatertag , genau wie ich den Muttertag, wie jeder andere Sonn-und Feiertag. Mit der Familie.

    Wünsche dir ein erholsames Wochenende.
    Liebe Grüße, Anke

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  3. annelie

    ich glaube gehört zu haben, das die bezeichnung “herrentag” aus den östlichen bundesländern kommt.. aber egal wie auch immer: ich finds blöd!
    wie du auch schon schreibst: mit vätern hat das nichts mehr zu tun.
    für mich allerdings war dieser tag immer himmelfahrt und wird es auch bleiben.
    übrigens ist “father`s day” in irland, usa, canada, uk und anderen angelsächsischen ländern immer am 3. sonntag im juni.

    find ich – wenns denn schon sein muss – auch bedeutend besser als einen christlichen feiertag dazu “umzumodeln”

    kannst also am 20.6. noch einmal stolz sein!
    lg
    anne

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  4. Lucki

    Der irdische Sinn des “Vattertachs” hat sich mir bisher nie erschlossen, den Du ja treffend beschrieben hast.Unbenommen dessen ist “Vater sein” eine schöne Sache, ob’s dafür einen christlichen Feiertag braucht. Ich weiß es nicht?

    LG Lucki

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  5. Lutz & Tommy

    Wir mussten auch die Feststellung machen, dass viele Männer und leider auch Jugendliche meinen, dass sie an diesem Tag das Recht haben, sich in der Öffentlichkeit sinnlos zu besaufen.

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  6. barbara

    so, wie du es beschrieben hast, finde ich den Vatertag schön.Dieses Gesaufe find ich einfach nur assi!!!

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