Mit Mutter unterwegs

Mein Fräulein Mutter hatte eingeladen, eingeladen, ein Wochenende in Mönchengladbach Oliver und seine Freundin zu besuchen. Sie wollte alles für uns bezahlen. Am vergangenen Samstag ging es los. Leider musste Bernd zu Hause bleiben. Nicht, weil er nicht eingeladen war. Es hatte andere Gründe. Er erhielt aber als Ausgleich ein finanzielles Geschenk von Mutter.

Samstag morgen trafen wir uns also in Hamburg auf dem Hauptbahnhof da meine Mutter aus Lübeck anreiste. Wir hatten noch reichlich Zeit bis zur Abfahrt des Zuges und deckten uns mit etwas Reiseproviant und Lektüre ein. Um dem Gedränge beim Einsteigen in den Zug zu entgehen, fuhren wir diesem zum Bahnhof Dammtor entgegen wo erfahrungsgemäss nicht so viele Menschen einsteigen. Immerhin ist meine Mutter bereits 84 Jahre alt und es ist nicht ganz so einfach mit ihr, was die körperliche Fitness angeht. Als wir den Hamburger Hauptbahnhof erreichten, hatten wir bereits unsere Plätze eingenommen und konnten den mit Gepäck beladenen Fahrgästen ganz entspannt dabei zusehen, wie diese ihre Plätze suchten.

Nachdem ich meine Zeitung gelesen hatte, wollte ich wissen, wer denn die Mitreisenden sind und schaute mir die Leute etwas näher an, jedenfalls die, die richtig sehen konnte. Ein junger Mann, so ca. 30 Jahre alt, erregte meine Aufmerksamkeit weil er gut aussah. Irgendwann entdeckte ich, dass er mich auch beobachtete. Unsere Blicke trafen sich öfter ohne dass wir uns auswichen. Zwei Stationen vor unserer Ankunft in Düsseldorf stieg er aus. Er verliess den Wagen an der von seinem Platz entferntesten Tür und musste deshalb bei mir vorbei. Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen als sich unsere Blicke trafen. Schade, dass er ausstieg. Aber so weit hatten wir es nun auch nicht mehr.

In Düsseldorf mussten wir in eine Regionalbahn nach Mönchengladbach umsteigen. Mit uns stiegen viele Fussballfans ein, die sich in Mönchgengladbach ein Bundesligaspiel ansehen wollten. Glücklicherweise erwischten wir einen Wagen, in dem es verhältnismässig ruhig zuging, so dass wir die etwa 20-minütige Fahrt zu unserem Zielort ziemlich entspannt ertragen konnten.

Am Bahnhof holten Oliver und Sabrina uns ab und brachten uns zuerst ins Hotel. Nachdem wir uns etwas erfrischt hatten, machten wir uns auf zu einem kleinen Spazierung zum Domizil der beiden, das auch für Mutter gut zu Fuss vom Hotel aus zu erreichen ist. Beim Nachmittagskaffee mit hausgemachten Torten lernten wir Sabrinas nette Eltern kennen. Es wurde viel geredet wobei Reisen immer ein beliebtes Thema ist, zu dem auch ein paar Fotos gezeigt wurden.

Am Abend ging es in die Nachbarstadt Viersen zum Chinesisch/Mongolischen Restaurant Shanghai Garden. Wir entschieden uns alle für das Mongolische Buffett, d.h. man sucht sich die rohen Zutaten aus, tut eine Sauce nach seinem Geschmack dazu und gibt den Teller mit seiner Tischnummer dran beim Koch ab. Auf einer heissen Platte wird alles gegart und man bekommt das fertige Gericht am Tisch serviert. Unter anderem wurde auch Kängurufleisch angeboten, welches ich natürlich probieren musste. Es sieht aus wie Rindfleisch, geschmacklich ist es ähnlich wie Rindfleisch. Ich mag es – aber ich muss es nicht unbedingt kaufen. Ich hielt mich dann doch lieber an Fisch und Garneelen. Zuhause bekomm ich sowas ja nicht. Nach einem abschliessenden chinesischen Kräuterschnaps wurden wir auf unseren Wunsch ins Hotel gebracht.

Zwar war ich total müde – konnte aber überhaupt nicht einschlafen und hab in der Nacht wohl auch sowieso kaum geschlafen. In aller Herrgottsfrühe zappte ich mich durch die Fernsehkanäle, auf denen auch nichts gescheites zu sehen war. Mir fehlte wohl einfach nur mein Mann zum ankuscheln.

Nach dem gemeinsamen Frühstück am Sonntagmorgen im Hotel fuhren wir in die kleine Stadt Brüggen. Wir machten einen kleinen Rundgang durch den historischen Ortskern, der einen ganz gemütlichen Eindruck macht. Am Wasserlauf der alten Mühle entdeckten wir einen frischen Biberschaden. Biber hatten in der Nacht eine Weide gefällt. Offensichtlich fehlte ein Stück vom Stamm, das die der Biber weggeschleppt hatten. Es war nämlich nirgendwo aufzufinden. Demnächst wird der Wasserlauf wohl für eine Überschwemmung sorgen.

Von Brüggen ging die Fahrt ins europäische Ausland, nach Holland in die Stadt Roermond. In einem Parkhaus stellten wir den Wagen ab und machten uns auf den Weg in die Stadt. Wir müssen ja immer Rücksicht auf meine Mutter nehmen, die nicht mehr allzu gut zu Fuss unterwegs ist. Wir suchten die Kirche, die wir schon von weitem gesehen hatten. Nämlich da wo eine alte Kirche steht, ist es meistens rundherum auch alt.

Inzwischen hatte sich der Himmel verdunkelt und es sah sehr trüb und grau aus. Die grosse Kirche Munsterkerk wirkte mit ihrer grauen Farbe unter dem grauen Himmel ziemlich düster und bedrohlich. Auch das Innere der Kirche wirkte nicht gerade erheiternd auf uns. Der Geruch von Räucherstäbchen hing in der Luft. Nein, dies war keine Atmosphäre für uns – so gern ich mir auch Kirchen ansehe. Schnell verliessen wir den düsteren Ort. Draussen war es zwar auch düster, aber man konnte freier atmen.

Das Wetter lud nicht dazu ein, noch woanders hinzufahren. Ich schlug vor, dass wir zu Sabrina und Oliver fahren sollen um dort den Nachmittagskaffee einzunehmen. Vom Vortag war noch genügend Torte übrig. Genau diese Idee hatte Oliver auch gehabt und gerade mit Sabrina besprochen. Zwei Männer – ein Wort, und es ging wieder in Richung Mönchengladbach.

Nachdem die Torte aufgegessen und die Kaffeekanne leer war, zeigte uns Oilver die Fotos von seinem Aufenthalt in China im vorigen Dezember. Er hatte geschäftlich dort zu tun. Da ich die Aufnahmen schon kannte und ich nach der fast schlaflosen Nacht total müde war, fielen mir fast die Augen zu. Allerdings mussten wir noch beratschlagen, wo Mutter zum Abendessen ihr Geld loswerden würde. Die Wahl fiel auf das Restaurant Kaiser Friedrich in der Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengladbach.

Es stellte sich heraus, dass dies eine gute Wahl war. Wir wurden herzlich dort empfangen. Das Ambiente ist edel und stilvoll, macht aber nicht den Eindruck eines Szenerestaurants. Die Bedienung ist höflich, dezent und perfekt -aber nicht übertrieben. Wir fühlten uns auf Anhieb wohl. Die Speisekarte enthielt Gerichte, die der Herbstsaison angepasst sind zu Preisen, die akzeptabel sind. Wir fragten uns allerdings, wie gross die Portionen wohl sein würden. Und wir wurden überrascht! Uns wurde ein schmackhaftes und reichliches Essen serviert. Gelegentlich kam die Chefin an den Tisch und erkundigte sich ob alles recht sei. Sie erzählte uns was zu den Gerichten bzw. zu den Zutaten. Obwohl Mutter und ich unsere Gerichte nicht schafften, entschieden wir uns noch für ein kleines Dessert: Hausgemachtes Sorbet, im Glas serviert und aufgefüllt mit Sekt. Sabrina schaffte die bestellten Topfenknödel mit Birnenragout und Quitteneis nicht. Oliver musste ihr dabei helfen.

Sehr zufrieden wurden wir uns Hotel gebracht. Ich hatte vermutet, dass mir sofort die Augen zufallen würde, sobald ich im Bett sei. Aber nein, es daurte eine Weile bis ich eingeschlafen war. Der Kuscheleffekt fehlte wohl auch an diesem Abend.

Nach dem Frühstück am gestrigen Montag brachte Oliver uns zum Bahnhof. Ein schönes Wochenende war zu Ende – Wiederholung nicht ausgeschlossen!


8 Gedanken zu „Mit Mutter unterwegs

  1. Tim

    Schöner Bericht. In Roermond waren wir früher auch öfters, da wir ja ursprünglich aus dem Rheinland kommen. Ich hoffe, Du hast es nicht als zu düster und ungemütlich in Erinnerung; eigentlich ist Roermond nämlich ein ganz nettes Städtchen. Noch gemütlicher (und auch zum Shoppen gut geeignet): Maastricht, 50 km weiter südlich, aber über die niederländische A2 schnell zu erreichen… Vielleicht bei Eurem nächstem Besuch ein lohnenswertes Ausflugsziel? 🙂

    Der Kuscheleffekt fehlt mir diese Woche übrigens auch – Männe weilt auf Dienstreise… ;-(

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  2. Hans-Georg

    Hi Tim.
    Wie schon erwähnt, müssen wir Rücksicht auf meine Mutter nehmen. Ohne sie wären wir etwas flexibler gewesen. Aber das ist schon in Ordnung so. Es ist so selten, dass wir die 3 Generationen unter einen Hut haben.
    Sag bloss Männe ist hier oben?
    Es ist immer noch angenehmer, ohne Kuscheleffekt im eigenen Bett zu nächtigen als in einem Fremden.

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  3. Tim

    Jep, Männe ist bei Euch oben, aber diesmal in Begleitung und nur ganz kurz in HH (sonst hätte er auch wieder bei Euch angeklopft). Hauptsächlich ist er in Bremen.
    Stimmt, das eigene Bett ist tatsächlich besser. Alleine schon, weil einem da die Kuscheltiere Gesellschaft leisten.
    In diesem Sinne: Gute Nacht! 😉

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  4. Hans-Georg

    Danke für den Tipp, Tim. Eigentlich sollte gar keine Zeit angezeigt werden. Ich meine, dass das schon mal geändert war. Werde mich mal damit beschäftigen – hab ja Urlaub diese Woche.

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  5. april

    Schöner Bericht, besonders wo ich Mönchengladbach von früher kenne; ich habe dort als Kind ein paar Jahre gelebt und mir es vor ein paar Monaten noch mal angeguckt. Es hat sich wahnsinnig verändert, zum Posititven. Eine nette kleine Stadt.

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  6. Anke

    Hallo Hans Georg,
    deinen Bericht hatte ich schon gelesen. War sicher schön. Auch schön, dass deine Mutter es noch soooo schafft.

    Dir wünsche ich ein erholsames Wochenende.
    Liebe Grüße, Anke

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