Die letzte Ehre


Wie würde dieser Tag für mich sein, wie würde meine Mutter ihn überstehen? Diese Fragen stellte ich mir heute morgen, ein Morgen, wie er grauer nicht sein konnte. Es goss wie aus Eimern. Der Himmel weinte – wie man so sagt. Aber es war mehr als das, es war fast wie eine Sintflut.

Recht früh waren wir auf dem Friedhof eingetroffen. Wegen des starken Regens blieben wir bis kurz vor dem Beginn der Trauerfeier im Wagen sitzen. Einige Trauergäste waren bereits eingelassen worden als wir die Kapelle betraten.

Ich hatte etwas Angst vor dem Moment, wenn wir die Friedhofskapelle betreten, am Ende des Ganges unter dem Kreuz der blumengeschmückte Sarg, links und rechts davon die Kränze und Gestecke anteilnehmender Verwandter und Freunde. Wie würde dies auf meine Mutter und mich wirken? Es war erstaunlich, wie gelassen ich dieses Bild aufnahm.

Andächtig blieben wir vor dem Sarg stehen bevor wir uns setzten. Während die Orgel spielte hatte ich Zeit, den Sarg, in dem mein Vater dort vor uns lag, zu betrachten. Natürlich war ich nicht emotionslos, aber doch nach wie vor gelassen. Ich entschied für mich, dass ich von meinem Vater bereits am vergangenen Donnerstag am offenen Sarg Abschied genommen hatte.

Gegen Ende der Predigt bemerkte ich, dass es heller wurde in der Kapelle. Offensichtlich hatte der Regen aufgehört und die Wolken verschwanden. Plötzlich wurde es ganz hell, die Sonne war durchgebrochen. Der Pastor sagte gerade irgendwas, was zu diesem Moment passte, dann setzte die Orgel ein. Es war ein Moment, der unsagbar schön war. Für mich war es, als würde die Seele meines Vater auf den Strahlen der Sonne abreisen. Einen Wimpernschlag später, und die Szene war vorbei und wenige Augenblicke danach war auch die Predigt beendet.

Wir verliessen die Kapelle und ich gewahrte, das diese bis auf den letzten Platz mit Trauergästen gefüllt war. Später erzählte man uns, dass selbst auf der Empore noch Leute waren. Mit sovielen Gästen hatte ich nicht gerechnet und meine Mutter auch nicht.

Vor der Kapelle nahmen wir die Beileidsbekundungen entgegen. Sie Sonne schien vom blauen Himmel. Die meisten Leute kannte ich überhaupt nicht. Meine Mutter freute sich, Bekannte zu sehen, mit denen sie gar nicht gerechnet hatte. Es war fast eine heitere Atmosphäre.

Danach sassen wir mit etwa 50 Gästen beim sogenannten Leichenschmaus im nahegelegenen Restaurant Waldhusen beisammen. Nach dem Mahl gingen wir noch mal zum Familiengrab, in dem Vaters Urne beigesetzt werden wird und auf dem der gesamte Blumenschmuck abglegt worden war.

Leider konnte Oliver an diesem Tag nicht bei uns sein. Durch einen kleinen Unfall vor 2 Tagen wurde seine rechte Hand so stark verletzt, dass ein Finger geschient werden musste. Der Arzt riet ihm dringend davon ab, einen Wagen zu lenken.

Zum Schluss noch etwas aufheiterndes, dass mir während der Trauerfeier passiert ist:
Wegen des starken Regens war es notwendig, den Weg vom Wagen zur Kapelle im Schutz eines Schirmes zurückzulegen. Während der Trauerfeier hielt ich den Schirm – natürlich zusammengefaltet – in meinen Händen. Ich muss wohl an den Verschluss gekommen sein denn plötzlich öffnete sich der Schirm. Ich konnte gerade noch verhindern, dass er komplett aufging. Es gelang mir dann auch, den Verschluss wieder zu verriegeln.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei Euch für die Anteilnahme bedanken, wir mir und meiner Familie durch eure Mails zuteil geworden ist.

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