Auf dem Balkon bei Musik und Tang

Seit Wochen hatten wir die Karten für die heutige Aufführung in der Hamburger Staatsoper des Ballets „Romeo und Julia“ von John Neumeier und der Musik von Sergej Prokovjew, die Wiederaufnahme einer Inszenierung aus dem Jahr 1974. So richtig Lust, heute Abend ins Theater zu gehen, hatten wir bei dem Wetter nicht. Zum Glück hatten wir die Karten ja schon, sonst wären wir sicher zu Hause geblieben und eine phantastische Aufführung wäre uns entgangen.

Entgegen unseren Erwartungen war der Zuschauerraum angenehm temperiert, selbst auf dem Balkon im 2. Rang, wo wir unsere Plätze hatten. Die besseren Plätze waren bereits ausgebucht, als wir uns entschieden hatten, diese Auffühung anzusehen.

Ich schau mir ein Ballett sehr gerne an, doch ist es für mich immer sehr ungewohnt wenn sich der Vorhang öffnet. Ich erwarte dann, dass einer der Darsteller zu singen beginn. So auch hier: Der Vorhang geht auf, Romeo liegt schlafend unter einem Balkon, auf der Bühne erscheint Bruder Lorenzo. Da er nicht tanzt sondern geht erwartete ich, dass er zu singen anfängt. Natürlich tut er das nicht sondern macht die Bewegungen und Gesten, die ihm zugedacht sind. Nach wenigen Augenblicken war ich dann auch daran gewöhnt, dass hier Niemand singen würde.

Die Musik von Sergej Prokofjew enthält wenig Melodien, die einem im Gehör hängen bleiben. Es gibt nur wenig Stücke, die melodisch sind. Teilweise ist die Musik sehr fein und filigran, dann wieder sehr bombastisch. Besonders eindrucksvoll war die Ballszene im Haus Capulet zu einer grandiosen Musik. Dieses Stück wurde übrigens von Bernd für das letzte Programm von Schola Cantorosa „Piraten“ eingebracht. Es wurde ein Text dazu geschrieben und für vierstimmigen Chorgesang neu gesetzt.

Faszinierend, ja beinahe bizarr, fand ich den Ausdruck von Julias Mutter, Gräfin Capulet. Die Haltung ihre Arme und Hände, dazu ihr Gang, nein, das Schreiten, zog meinen Blick immer wieder an.

Ich hatte schon viel von John Neumeier und dem Hamburger Ballett gehört. Ich wusste, das soll gut sein, das soll toll sein. Ich hatte im Stadttheater Lübeck schon einige Ballettaufführungen gesehen, die mich alle begeistert haben. Aber was ich hier heute Abend gesehen habe war wirklich weltklasse. Dieser Perfektion, diese ausdrucksstarken Tänzer und Tänzerinnen – eine wahrlich grandiose Leistung. Jubel beim Schlussapplaus, besonders als John Neumeier selbst auf der Bühne erschien – berechtigt, mehr als berechtigt.

Auf unserem heimatlichen Balkon liessen wir beim Schein unserer Fackeln unter dem sommerlichen Sternenhimmel diesen wunderbaren Abend, zu dem wir eigentlich gar keine Lust hatten, ausklingen.

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